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Weihnachten und EinsamkeitDie neue Volkskrankheit

Simone Schmollack
Kommentar von Simone Schmollack

Immer mehr Menschen auf der ganzen Welt fühlen sich einsam. Die Politik kann etwas dagegen tun, so wie das schon Großbritannien und Japan machen.

Allein im Schneegestöber: überall auf der Welt wächst die Zahl einsamer Menschen Foto: Walter G. Allgöwer/Zoonar/imago

E s ist Weihnachtszeit, und Familie, Beisammensein, Liebe und Güte spielen – regelmäßig einmal im Jahr – eine große Rolle. In ebenso schöner Regelmäßigkeit ploppen in den letzten Wochen des Jahres medial Texte über Einsamkeit auf. Doch, doch, Familie und Einsamkeit haben durchaus etwas miteinander zu tun. Nicht nur, dass man sich auch im Beisein der Familie einsam fühlen kann. Nämlich dann, wenn sie dysfunktional ist und die Harmonie – wegen des jährlich wiederkehrenden Pflichtgefühls – unecht ist.

Einsam sind insbesondere jene Menschen, die erst gar keine Familie oder etwas Ähnliches haben. Waren das hierzulande früher hauptsächlich ältere Menschen, trifft das mittlerweile vor allem Alleinerziehende, Frauen, Menschen mit wenig Geld und Jüngere. So jedenfalls besagt es das erste Einsamkeitsbarometer, das Familienministerin Lisa Paus (Grüne) im Sommer herausgegeben hat. Aktuell bekräftigt das eine Studie der Bertelsmann Stiftung, die die gesamte EU unter die Lupe nahm: Die Hälfte der jungen Menschen in Europa fühlt sich mehr oder weniger einsam.

Doch keine Studie ohne die – ebenso wiederkehrenden – Forderungen, was jetzt endlich mal gegen die Einsamkeit getan werden müsse: Vernetzen in der Nachbarschaft, der Gang zu einem Verein mit Leidensgenoss:innen, Nottelefon nutzen, einen Hund kaufen, Sport machen, Musik hören, mit anderen kochen. Es ist nicht falsch, was Politik, Sozialvereine, Krankenkassen, The­ra­peu­t:in­nen da vorschlagen, nur: Nutzt das am Ende was?

Wer es wirklich ernst meint mit dem Kampf gegen Einsamkeit, belässt es nicht bei wohlmeinenden Ratschlägen, sondern gründet ein Ministerium, das sich mit nichts anderem beschäftigt als mit dem Gefühl vieler Menschen, von der Welt verlassen zu sein. Das haben bisher nur Großbritannien 2018 und Japan 2021 getan.

Überall auf der Welt wächst die Zahl einsamer Menschen. Vielleicht sollte man Einsamkeit als das bezeichnen, was sie ist: eine neue Volkskrankheit. Darauf kann die Politik reagieren – mit einer weniger unsozialen Politik.

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Simone Schmollack
Ressortleiterin Meinung
Ressortleiterin Meinung. Zuvor Ressortleiterin taz.de / Regie, Gender-Redakteurin der taz und stellvertretende Ressortleiterin taz-Inland. Dazwischen Chefredakteurin der Wochenzeitung "Der Freitag". Amtierende Vize-DDR-Meisterin im Rennrodeln der Sportjournalist:innen. Autorin zahlreicher Bücher, zuletzt: "Und er wird es wieder tun" über Partnerschaftsgewalt.
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41 Kommentare

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  • Politik kann nicht jedes Problem lösen, und sie kann auch keine Einsamkeit beseitigen. Wer die Erwartungen an die Möglichkeiten der Politik überspannt und falsche Erwartungen schürt, schafft die Grundlage für Politikverdruss und stärkt am Ende bloß die Ränder.

  • Erstaunlich, aber es gibt auch diese Seite:



    "Sehnsucht nach Einsamkeit"



    Über das Eremiten-Dasein



    www.deutschlandfun...er-mystik-100.html

  • Das ist weder neu, noch auf ein Volk bezogen, noch eine Krankheit.



    Zunächst mal ist man nicht per se Einsam, das ist ein momentanes Gefühl das mal mehr mal weniger auftritt.



    Jeder ist ab und zu einsam, die Frage ist wie man damit umgeht und diese Phasen, wo es stört, hinter sich bringt.



    Es gibt ebenfalls nicht nur negative Einsamkeit, im Englischen ist das besser unterschieden in Lonlyness wo man wirklich daran leidet und Solitude, die durchaus auch gesucht und angestrebt wird.



    Was nicht bedeutet das jemand der diese Form aktiv sucht nicht trotzdem auch phasenweise darunter leidet. Das ist bei Gesellschaft übrigens auch nicht anders.

    Einsamkeit gab es schon immer also nicht neu, Einsamkeit betrifft Menschen weltweit - also kein Volk, Einsamkeit ist keine Krankheit sondern kann zu Depressionen führen die wiederum eine Krankheit sind.

    Natürlich kann ein Ministerium dabei helfen Möglichkeiten zu schaffen und zu fördern aktiv etwas gegen Einsamkeit zu tun wenn diese einen stört.



    Wäre nicht das einzige Ministerium wo man sich fragt wozu das gut ist da es nichts bewegt. Grundsätzlich könnte es aber was bewirken.

  • Entweder - oder? Nee ! Wieder ein erneuter Spannungsbogen. Klar, ein Ministerium stünde in der Verantwortung, hätte Befugnisse, müsse Maßnahmen ergreifen. Why not ! Zuletzt ist Einsamkeit nicht nur ein strukturelles Problem, sondern primär, ein individuelles. Der Blick in den Spiegel ist dienlich. Und dann die Frage: Was brauchst du?"

  • Deutscher geht kaum: es gibt ein Problem und die Lösung KANN, ach was MUSS ein neues Ministerium sein! Weil das ja auch mit allen anderen Problemen und deren Lösung durch Ministerien so gut funktioniert….

  • Woher kommt die Einsamkeit? Was ist anders als früher? Social Media? Wieso chatten die Jungen im Beruf gern und scheuen sich zu telefonieren oder Unterstützung anzufragen? Wem nützt sie? Den Anbietern von Gemeinschaft - AfD, Nationalen, Populisten? Vereinzelte sind leichter zu führen, oder?

  • Ah, noch ein Bereich in dem man die individuelle Verantwortung des eigenen Lebens dem Staat überantworten kann...



    Es wird davon nur nicht besser

  • Joo, wir Linken haben es einfach drauf. Zuerst feiern wir unsere destruktive Potenz, alle sozialen Zusammenhänge als verlogen zu dekonstruktivieren und deshalb mit bestem Gewissen zu sprengen und nur noch sich identisch identifizierende Bubbles zuzulassen, die naturgemäß om Eremitenzentrum enden.



    Und jetzt Gründen wir ein Ministerium dagegen.



    Wir nennen es aber nicht Ministerium der Wahrheit.



    Hinterher drehen sich Orwell und Huxley noch im Grabe rum.

  • "Alleinerziehende, Frauen, Menschen mit wenig Geld und Jüngere."

    Welche Berechtigung hat es hier wieder Frauen extra hervor zu heben, als ob weibliche Einsamkeit besser/schlechter wäre als männliche, das ist doch langsam wirklich lächerlich.

    Selbst Wolfgang M. Schmitt hat es letzten in "Die neuen Zwanziger" festgestellt wie sehr der Feminismus oder wie ich es in Konsequenz daraus nennen würde, der real existierende Feminismus, entgegen der Propaganda in der Theorie, es eben nicht vermocht hat für alle Geschlechter ein gutes Leben zu ermöglichen.

  • Man könnte schon auch politisch etwas gegen Einsamkeit machen. Ich habe z.B. mal in einem Institut gearbeitet, das architektonisch so gebaut war, dass man sich möglichst oft begegnete: Innenhof mit offenen Treppen statt lange Flure. So ein Ministerium hätte bei zu harten Corona-Maßnamen protestieren können. Aber es wäre schon interessant gewesen, wenn der Artikel ein paar Erfolge der beiden Ministerien genannt hätte. Wer einsam ist, einfach mal überlegen, was man gerne machen würde, und das dann tun. Viele Vereine suchen dringend Mitglieder.

  • Staatliche Partnervermittlung oder Zuweisung von Bekanntschaften?

  • Meines Wissens gibt es weder in Großbritannien noch in Japan ein Ministerium für Einsamkeit. Es gibt nationale Strategien zur Bekämpfung von Einsamkeit, die Zuständigkeit liegt in GB beim Ministerium für Kultur, Digitales, Medien und Sport. In Japan gab es einen Minister für Einsamkeit bis Oktober 2021, derzeit findet sich dafür kein eigener Minister im Kabinett.

    www.bundestag.de/r...D-9-026-21-pdf.pdf

    www.de.emb-japan.g...info_kabinett.html

  • Was kann ein Einsamkeitsministerium denn tun? Sie haben zwei Beispiele genannt, dann erklären Sie doch, was es mit diese auf sich hat.



    Mir fallen durchaus politische Maßnahmen ein, welche bei der Entstehung von Einsamkeit in die eine oder andere Richtung etwas bewegen können. Keine davon braucht ein eigenes Ministerium,sondern lediglich menschenfreundliche Entscheidungen in den anderen Häusern.

    • @Herma Huhn:

      Exakt, sehe ich auch so.



      Man könnte es als weitere Ausgestaltung der neoliberalen Spaltungspolitik sehen, wofür ja sprechen würde das Grobbritannien es als erstes tat, man erfolgreich vorgeben kann man würde etwas gegen das Problem tun, während die Realität nach 6 Jahren Einsamkeitsministerium so aussieht:

      www.bbc.com/news/articles/c74l89lgek2o .

      So etwas passiert wenn man kein Sozialstaatsprinzip hat oder es nicht mehr als essentiell ansieht, nicht bereit ist die eigenen Bürger primär zu schützen und als Staat die sozialen Funktionen der Kirchen humanistisch sekular ausreichen nachzubilden, stattdessen fremde Glaubensgemeinschaften importierte und sich dann wunderte als die halt suchenden Kinder dann irgendwann beim IS landeten.

      Es gibt ein Interview von Jill Stein auf youtube, wo sie nach der Wahl bei ihren neuen Verbündeten feiert und die Organisationskraft der muslimischen Gemeinde lobt...Das Staatsversagen der letzten 40-50 Jahre ist einfach enorm.

  • "Vernetzen in der Nachbarschaft, der Gang zu einem Verein mit Leidensgenoss:innen, Nottelefon nutzen, einen Hund kaufen, Sport machen, Musik hören, mit anderen kochen."

    Einen Hund kaufen - warum eigentlich nicht Gassigehen mit Tierheimhunden oder Hund aus dem Tierheim holen? - und mit anderen kochen - ganz ohne TikTok, Insta, Facebook, X und Co.? Und das dann nicht nur, wenn gerade alle xxxx "Freunde" etwas anderes zu tun haben?



    Vernetzen in der Nachbarschaft: Dazu müsste man ja längere Zeit an einem Ort bleiben und dann noch in Kauf nehmen, dass die Nachbarn anders ticken oder älter/jünger sind. Außerdem muss man auch noch ANALOG (igittigitt) miteinander sprechen!



    Einen Verein mit Leidensgenossen:innen: Gibt es vielleicht in der Stadt, aber da müsste man ja zugeben, dass der gesamte, riesige "Freundes"kreis virtuell ist...

    Ich bin an den Feiertagen gerne analog allein und definitiv nicht einsam. Letzteres auch nicht an anderen Tagen. Es gibt eine Menge Möglichkeiten, wenn man sich auf eine andere Menschen einlässt, ohne alle xx Minuten das Smart-Gadget zu checken und zu posten.

    • @p2c2e:

      Schön, dass es Ihnen allein gut geht.



      Aber Einsamkeit und Alleinsein haben lediglich eine Schnittmenge, sind aber absolut nicht deckungsgleich.



      Allen einsamen Menschen in so gehässigem Ton zu unterstellen, sie wären an ihrer Einsamkeit selbst schuld, weil sie sich zu sehr mit digitalen Gadgets statt mit Menschen zu beschäftigen zeugt von einer Misanthropie, die mich überlegen lässt, ob Ihr Alleinsein wirklich so selbstgewählt ist, wie Sie tun.

      • @Herma Huhn:

        Ist es durchaus. Wie gesagt, ich bin nicht einsam. Und ich unterstelle auch Ihnen rein gar nichts. Aber vielleicht fragen Sie sich einfach einmal, woran es - unter anderenm, das betone ich an dieser Stelle ausdrücklich - liegen könnte, dass so viele junge Menschen heute einsam sind.



        Achten Sie doch einfach einmal auf Ihre Umgebung, wenn Sie in öffentlichen Verkehrsmitteln unterwegs sind oder in einem Café sitzen: Wie viele der Sie umgebenden Menschen sprechen längere Zeit miteinander ohne auf ihr Smartphone zu schauen oder es sogar in die Tasche stecken, anstatt es auf den Tisch zu legen?

        Zwischenmenschliche Interaktion und technische Gadgets haben ebenfalls eine Schnittmenge und sind absolut nicht kongruent.

  • Ich denke, auch hier kann es nicht die Politik oder irgendein Ministerium regeln, sondern die Gesellschaft selbst muss ran. Die Menschen, die sich einsam fühlen, sollten trotz Schamgefühl ihren Mut zusammen nehmen und versuchen, sich hier und da zu artikulieren (ich weiß wovon ich rede) und die Umgebung dieser Menschen, denn es gibt oft Netzwerke, in denen man "funktioniert" könnte das auch mal etwas angstfreier zur Kenntnis nehmen und gucken in welchem Rahmen gemeinsame Unternehmungen, Veranstaltungen oder Geselligkeiten unternommen werden können. Oft bereichert das beide Seiten.

    Meiner Erfahrung nach können sich Menschen, die sich vor lauter überbordenden Arbeits-und Familienverpflichtungen kaum eine ruhige Minute für sich nehmen können überhaupt nicht in die Gefühlswelt von sozial einsamen Menschen hinein versetzen und der Gedanke an noch eine Sozialverpflichtung ist ihnen ein Graus. Da herrscht ein großes Ungleichgewicht. Wir könnten gucken, wo wir uns gegenseitig was zu geben haben, wo wir auch mal die Oma der Nachbarn besuchen, wenn wir selbst keine mehr haben oder deren Kinder mal abholen, wenn das Verhältnis zueinander vertrauensvoll ist.

    Es ist keine Einbahnstraße. Mut!

  • Fly hat recht. Ich bin selbst betroffen. Witwer, keine Familie mehr, Freunde verstorben. Meine Kontakte sind die Putzfrau und der Postbote. Was soll ein Ministerium denn bewirken ?

    • @Wolfgang Laux:

      Bzgl. Freunde geht's mir so ähnlich. Hab aber über altersgerechte Fitnessaktivität im Verein (statt Einzeltherapie), Mitsingen u.a., zufällig und mit der Zeit überraschend viele Kontakte oder ausbaufähige Optionen dazu gefunden, ohne gezielt danach gesucht zu haben oder ein besonders extrovertierter Typ zu sein.



      Merke aber gerade wieder, dass man ausgerechnet in der Weihnachts- und Jahresendzeit, an die viele so ganz spezielle Erwartungen haben, mitten im Trubel zurückbleiben und sich viel einsamer fühlen kann als sonst, wenn man bei den Formalien nicht so recht mitkommt, aber auch von Erinnerungen "belastet" ist. Aber ab 1.1. ist ja wieder "Land in Sicht".



      Ein eigenes Ministerium wird kaum gegen Einsamkeit helfen. Und eigentlich kümmern sich schon verschiedenste Institutionen, meist ehrenamtliche darum. Das Problem für die Betroffenen dürfte oft sein, die Schwelle ihrer gemütlichen Schutz-Aura, auch ihres familiär ritualisierten Umfeldes, ihren Gewohnheiten überhaupt zuversichtlich zu überschreiten für die Wahrnehmung durch andere.



      Das Ministerium würde sie kaum aufgabeln. Aber vielleicht die eine oder andere neue kreative Initiative bereits bestehender Institutionen.

  • Ich hätte nicht geglaubt, dass es einen Unterschied macht, ob man alleine oder mit mehreren in einem Raum auf den Daumentrainer starrt.

  • „ nur: Nutzt das am Ende was?“



    Diese Frage hätte man nicht nur am Ende der konkreten Vorschläge stellen sollen, sondern bei der politischen Forderung. Was haben die Ministerien gegen Einsamkeit denn bisher gebracht? Geht es den Menschen in GB oder J jetzt besser? Oder nur den 100 Mitarbeitern in den Ministerien, die jetzt gute Jobs haben? Was wäre denn eine bundesweite Politik gegen die - persönliche - Einsamkeit? Verpflichtende Gruppenübungen?

  • Nachdem über Jahre hinweg Familie als etwas grundsätzlich Problematisches dargestellt wird.



    In tausenden von Artikeln und Filmen thematisiert wird, dass Menschen sich in einer Familie grundsätzlich bekriegen, betrügen und sexuell und anders Missbrauchen. (Gerne auch mal die Familienartikel der TAZ, Theaterrezensionen oder das Vorabendprogramm durchforsten).



    Dadurch entsteht ein völlig verschobenes Bild von Wirklichkeit in Beziehungen, was jeden angedeuteten Konflikt nicht lösungsfähig macht sondern mit zusätzlichen, weil angeblich "strukturellen" oder "systemischen" Problemen belastet.



    Und jetzt wundern wir uns über die steigende Einsamkeit?

  • In meiner generationsgebundenen Erfahrung hat Einsamkeit vor allem mit der Art und Weise zu tun, wie Erwerbsarbeit organisiert ist: Entgrenzung von Arbeit (a.k.a. "Flexibilität") auf Kosten des Privaten; Pendeln/Zwangsmobilität; Befristung und Projektarbeit (was keine Ruhe einkehren lässt); Unterbezahlung; persönlichkeitsdeformierende Konkurrenz ("Rattenrennen").

  • Nicht auf der ganzen Welt, sondern in den Industrieländern fühlen sich immer mehr Menschen einsam. In Westafrika wo ich schon oft war, gibt es sowas kaum. Der Unterschied zwischen unserer Individual- und deren Kollektivgesellschaft. Die Menschen dort achten mehr aufeinander, sind offener, höflicher und kommunikativer. Immer wieder eine Wohltat mehrere Wochen mit den Menschen dort zu verbringen. Man denkt weniger über das was war und das was kommt, sondern lebt intensiv im hier und jetzt. Man ist ständig von netten, kontaktfreudigen Menschen umgeben. Gut für die Psyche.

    • @Andreas J:

      Ihren Ausführungen muss ich zum Teil widersprechen und Sie müssen auch nicht nach Afrika. Meist entstehen die "Probleme" der Einsamkeit in den Ballungsräumen. Es reicht wenn Sie in Deutschland auf dem Land leben.



      Die Dorfgemeinschaften, deren Vereinsstrukturen, sind hier noch sehr stark. Wird von den Stadtmenschen leider zu oft ausgeblendet.

  • Volkskrankheit. Der Staat möge es doch bitte regeln, natürlich🙄



    Was ist eigentlich aus der Eigenverantwortung geworden?



    Es ist für mich kein Zufall das Einsamkeit zunimmt - die Jüngeren verbringen auf eigenen Wunsch immer mehr Zeit alleine. Home Office, Netflix, Konsolen online-Spiele, etc...



    Das ist kein Vorwurf, jede Generation hat ihre Idee von Leben - aber es ist kein Zufall das Vereine darben, weil sich keine Mitglieder mehr finden und die Ehrenämter veröden, weil keiner mehr k



    Bock hat es zu machen - denn das Totschlagargument der Jüngeren lautet "work-life-Balance"...



    4-Tage-Woche, 30 Stunden arbeiten, etc - noch nie hatten Menschen derart viel freie Zeit zu ihrer eigenen Verfügung - wenn sie dann daraus nichts machen kann nicht der Staat schuld sein.



    Wir Alten hatten keine Zeit einsam zu sein - so überheblich das klingt - ich hatte mein Leben lang nie unter 42 Stunden offiziell, zumeist freiwillig 45 bis 50 oder mehr Stunden. Dann waren und sind wir noch in Vereinen, haben statt Netflix ne Kegelgruppe, etc



    Einsamkeit ist sehr oft auch selbstgemacht - sicher gibt es Ausnahmen, aber die Mehrheit dieser neuen Volkskrankheit, erschaffen sich ihre Einsamkeit selbst

    • @Farang:

      Haben Sie Kinder? Hat ihre Frau auch 42h gearbeitet? Wenn man berücksichtigt, dass früher die gearbeiteten Stunden von Frauen sehr gering waren, ist die Beschäftigung stark gestiegen. 2x30

    • @Farang:

      Es geht nicht darum das der Staat schuld trägt sondern darum das er auf Gesellschaftliche Fehlentwicklungen reagieren muss. Nur zu sagen "wir Alten" blendet viel aus und löst nix. . Vereine darben auch weil sie unter der Sparpolitik leiden.

    • @Farang:

      Sie wollen nicht wissen, wie viele Menschen in Ihrem "damals" sich vor dem Wochenende gefürchtet haben, weil sie dann nicht mal die Arbeitskollegen zum Reden hatten.



      Ja, Vereine, Kegelrunden und all das hilft,um nicht einsam zu werden.



      Wer aber erstmal einsam ist, kommt da in unserer Gesellschaft kaum noch raus.



      Oder wie oft haben Sie neue Leute in Ihre Kegelgruppe aufgenommen?

      • @Herma Huhn:

        Wir sind da ein schlechtes Beispiel, wir haben zweimal den Kontinent gewechselt - da musst du offensiv nach vorne gehen.



        "Wer aber erstmal einsam ist, kommt da in unserer Gesellschaft kaum noch raus" - da gebe ich Ihnen grundsätzlich recht, ich sage nur, dass die Chance einsam zu werden mit Home-Office, 4-Tage-Woche, online-Welten, ja selbst der Möglichkeit die Supermarktbestellung nach Hause liefern zu lassen deutlich höher liegt als zu unserer Zeit... - da musstest du 5 Tage die Woche ins Büro, gern auch mal den Samstag, einkaufen ging nur live vor Ort, statt Netflix musste man ins Kino, statt online irgendwelche Quests lösen gab's nur Kegeln, Fußball oder den Gartenbauverein...



        Man war gezwungen sich unter Menschen zu mischen, mehrfach täglich, mag auch nicht allen gefallen haben, aber es herrschte Kontakt untereinander - heute kannst du ohne Sozialkontakte ganz gut leben - von online-banking bis zum Behördengang geht alles digital.



        Wir Menschen schaffen uns unsere Hölle gerne selbst

  • Wenn Menschen jahrzehntelang in einem System aufgewachsen sind, in dem Ellbogen und "Hauptsache ich" das Wichtigste sind, ist das nicht verwunderlich. "Geiz ist geil" ist profundes Anzeichen dafür, denn da geht es ja auch darum, dass man selbst einen Vorteil zieht und es einem egal ist, dass das auf Kosten eines anderen geht.

    Wenn man mit Menschen redet, muss man nach dieser Denke nicht lange suchen. "Was bringt MIR das?" ist bei Diskussionen immer das einzige Argument. Klimakatastrophe bekämpfen? Was bringt MIR das? Wie kann ich da Geld verdienen?

    Und Menschen, für die es in jedem Belang nur ICH gibt, verdienen es auch, dann einsam zu sein.

    ABER: natürlich gibt es auch Menschen, die anders sind. Und die haben es in einer solche Gesellschaft enorm schwer, Anschluss zu finden wo es immer nur um den Vorteil eines einzelnen geht. Und deren Einsamkeit ist natürlich traurig.

    • @Jalella:

      Stimmt. In dem sozialen Rund-um-Wohlfahrtsstaat DDR wurde Einsamkeit durch Wohnungszuteilung und exzessiven Alkoholismus bewältigt.

  • Muß die Politik sich wirklich in jeden Lebensbereich einmischen?



    Ich denke: Nein.

  • Selbst die privatesten Probleme soll nun also der Staat lösen?

    • @Frauke Z:

      Na ja der Abbau von Komunallen Einrichtungen hat viel zur Einsamkeitsepedemie Beigetragen.

  • Mal zwei Fragen: Warum immer der Schrei nach dem Staat (aka Ministerium)? Und haben die staatlichen Aktivitäten in Japan und Großbritannien signifikant messbaren Nutzen?

  • Das Thema ist schon dort mit "Wumms" angekommen, wo es kreative Strategien zur Verbreitung zwecks Sensibilität produziert hat:



    schauspielhaus.de/...um-fuer-einsamkeit

    Ob ein neues Ministerium die Lösung ist, die der Union mit Herrn Merz als möglichem nächsten Kanzler vorschwebt, wage ich doch sehr zu bezweifeln. Aber Proteste gegen soziale Kälte können Gemeinsamkeiten schaffen, auch die toxische und ungewollte Einsamkeit in den Fokus zu rücken.

    Bemerkenswerte Initiativen gibt es schon länger:



    www.mehrgeneration...rmut-zu-bekaempfen

  • Ich frage mich, ob ein Ministerium, eine weitere Studie und noch mehr aufmunternde Vorschläge auch nur irgendetwas gegen Angststörungen und soziale Phobien und welche Gründe noch alles dahinstecken können, ausrichten kann. Zu Weihnachten zeigt sich das Problem vielleicht deutlicher, es besteht aber ganzjährig, und es hat immer eine individuelle Geschichte, die auf pauschales "Kopf hoch" nicht reagiert.



    Es hätte mich interessiert, was die Ministerien in GB und Japan denn inzwischen bewirkt haben und vor allem, wie sie das geschafft haben.

  • In einer Zeit, in der Egoismus und Kompromisslosigkeit immer weiter zunehmen und die Menschen vermehrt beziehungsunfähig oder -unwillig sind braucht es keine teuren Studien um dieses Ergebnis zu festzustellen. Zumindest ist die Diagnose nicht weiter verwunderlich.

    Nur weshalb sollte es eine staatliche Aufgabe sein, hier gegen zu steuern?



    Und eine sogenannte "unsozial Politik" dürfte dabei weder das Symptom noch dessen Ursache bekämpfen.

  • Ja und was taten und tun die Ministerien jetzt konkret?



    ( Wir haben auch Bundesministerien, deren Wirkung gegen Null gehen, wie jenes für Bildung. )



    " .... Großbritannien 2018 ...." und dann: " .... Darauf kann die Politik reagieren – mit einer weniger unsozialen Politik. ....". Da haperts bei mir am Vorstellungsvermögen, denn eine weniger unsozial Politik gehörte noch nie zum Wesenskern der Tories.