Vizegouverneur von Texas über Coronakrise: Wo Alte sterben sollen
Großeltern sollten sich opfern, fordert der texanische Vizegouverneur Dan Patrick. Klingt irre, aber die Deutschen sind noch schlimmer.
Don’t mess with Texas“, wird der Besucher des US-Bundesstaats auf jedem zweiten T-Shirt und Straßenschild herzlich begrüßt. Was wahlweise bedeutet, dass man keinen Müll aus dem Auto werfen, nicht ohne Knarre aus dem Haus gehen oder bloß nichts Veganes bestellen soll. Oder in der Interpretation des texanischen Vizegouverneurs Dan Patrick, dass die Alten besser sterben mögen, als dass der Corona-Lockdown die heimische Wirtschaft weiter belastet.
Er, Patrick, jedenfalls sei bereit, sein Leben zu geben, wenn dafür diese furchtbaren Beschränkungen wieder aufhörten. Schließlich habe er sechs Enkel, argumentierte der überzeugte Evangelikale. Das klingt nachvollziehbar: Ehe er die fundamentalchristliche Brut länger am Kopf haben muss, lässt er sich lieber ans Kreuz nageln. Family values eben.
Patrick will aber den American dream für die Jungen erhalten. Dafür stünden er und Hunderte andere Ü-Siebziger frohen Herzens bereit, final abzutreten. Weshalb er fordert: „Lasst uns wieder zur Arbeit gehen, lasst uns wieder leben.“ Also ausgehen, ins Kino vielleicht. Landesweite Gratisvorstellung für Senioren, gegeben wird das Double-Feature „Hunde, wollt ihr ewig leben?“ und „Spiel mir das Lied vom Tod“.
Mal wieder typisch „die blöden Amis“? Von wegen. „Geld oder Leben?“, fragt die FAZ: „Rechtfertigt der Schutz einer bestimmten Bevölkerungsgruppe, erhebliche Teile der Gesellschaft in wirtschaftliche Existenzängste zu stürzen?“ Während deutsche Industrievertreter und Politiker schon fordern, über den Exit aus den Corona-Maßnahmen nachzudenken, von denen man bislang noch nicht einmal weiß, ob sie ausreichen und Erfolge bringen werden.
Neoliberale Verwertungslogik
So ist es halt mit Werten und Menschenrechten im Neoliberalismus: schöne Sache, solange die Rendite stimmt. Wenn nicht, muss man Prioritäten setzen. Wie die Bundesligabosse, die als das Virus längst schon da war und man aus China gut wusste, was passieren würde, noch Super-Coronapartys feiern lassen wollten.
Der 39-jährige Gesundheitsminister Jens Spahn schwurbelt jetzt, dass man, damit die Wirtschaft sobald wie möglich wieder anlaufen kann, „die Älteren also möglicherweise über mehrere Monate bitten müssen, zu Hause zu bleiben“. Vermutlich, bis sie dort endlich verrottet sind.
Dann vielleicht doch lieber Dan Patrick mit seiner texanischen Heldenpose beim Ritt in den Sonnenuntergang. Der will wenigstens selbst die Konsequenzen tragen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Haftbefehl gegen Netanjahu
Sollte die deutsche Polizei Netanjahu verhaften?
Buchpremiere von Angela Merkel
Nur nicht rumjammern
#womeninmalefields Social-Media-Trend
„Ne sorry babe mit Pille spür ich nix“
Deutscher Arbeitsmarkt
Zuwanderung ist unausweichlich
Deutschland braucht Zuwanderung
Bitte kommt alle!
Stellenabbau bei Thyssenkrupp
Auf dem Rücken der Beschäftigten