Verletzte Männlichkeit und AfD: Klebrige Kleinstbürgerei
Schluss mit der Verständnishuberei: Wer wissentlich eine rechtsextreme Partei wählt, ist ein Rechtsextremist, kein Opfer der Verhältnisse.
M aximilian Krah, neben Grausamkeits-Höcke das Sprachrohr des schamlos rechtsextremen Flügels der AfD, sorgt nicht selten für unfreiwillige Satire. Krah, der die Parole ausgab, dass die „Zeit der Mäßigung“ vorbei sei, schwadroniert regelmäßig über „Männlichkeit“ und „Weiblichkeit“. „Echte Männer sind rechts“, erzählt er, aber es „sind auch echte Frauen rechts.“ Ganz ergriffen ist er von der „Komplementarität“ der Geschlechter. Männer sind stark, haben eine Führernatur, und sie handeln immer rational. Frauen dagegen reagieren „intuitiv“, haben „Gefühl“. Er gesteht: „Ich mag ja echte Frauen.“ Und bei allem Männlichkeitskult findet er doch, dass Frauen „eine Bereicherung“ seien, also Existenzberechtigung haben. Natürlich primär wegen der „Mutterschaft“.
Aber weil das nicht mehr alle so sehen wie er, meint Herr Krah, „sterben wir Stück für Stück aus“. Bisschen obsessiv ist Krah, fixiert auf das Thema. Sigmund Freud hat dazu bestimmt eine Theorie.
Wäre interessant zu wissen, was Frau Alice Weidel von all dem denkt: Sieht sie sich auch mehr „intuitiv“ als „rational“? Und wie, wiederum, kann Herr Krah Frau Weidel oder überhaupt irgendeine Frau als Anführerin akzeptieren, wenn selbstständige Emanzen genau das sind, wovor Herrn Krah am meisten graut?
Lachen Sie nicht. In den Kreisen überspannter Paranoiker, die in ihre völlig durchgeknallte Parallelwelt abgedriftet sind, denkt man wirklich so. Norbert Bolz, einstmals linker, heute ultrarechter „Medienphilosoph“, hat schon 2006 eine Gagatheorie vorgelegt. Titel: „Der Held der Familie“. Sexuelle Freizügigkeit, antiautoritäre Erziehung, arbeitende Frauen, Homosexuelle in Hollywood, der Wohlfahrtsstaat, die Pille, all das habe der guten alten Familie und damit auch den gesunden Geschlechterverhältnissen den Garaus gemacht.
Jahrgang 1966, lebt und arbeitet in Wien. Journalist, Sachbuchautor, Theatermacher und taz-Kolumnist. Jüngste Veröffentlichung: „Das große Beginnergefühl: Moderne, Zeitgeist, Revolution“, Suhrkamp Verlag, 2022.
Deswegen seien Frauen heute leider „maskulinisierte Emanzen“, denen auf der anderen Seite wie spiegelbildlich der „feminisierte Mann“ gegenübersteht. Der Sündenfall habe damit begonnen, dass man Frauen gestattete, zu arbeiten, was wiederum durch die Pille begünstigt wurde. Besonders fatal sei das Einsickern der Frauen in das Bildungssystem. Dort würden sie bereits kleinen Buben das Mannsein austreiben, weil ab der Kita „weibliches Verhalten belohnt“ werde.
Frauen haben unter Rechten nichts zu lachen
Es ist ein derartiger klebriger, miefiger, verstunkener Kleinstbürger-Konservatismus, ein Hass auf die Welt, wie sie geworden ist, ein buchstäbliches Verrücktwerden an jeder Modernität. Ein Rumgeheule bei gleichzeitiger präpotenter Aufgeblasenheit. Dieser Unfug war ja schon um 1870 rückwärtsgewandt. Selbst die verbiestertsten Reaktionäre hätten damals gezögert, so einen haarsträubenden Unsinn zu Papier zu bringen. Sie wussten, dass es Wandel nun einmal gebe und man sich der Erneuerung der Welt nicht einfach in den Weg stellen könne.
Wo immer die radikalen Neurechten etwas zu sagen haben, wird die Uhr für Frauen zurückgedreht. Abtreibungen werden erst erschwert, dann verboten. Um die natürliche Geschlechterordnung wiederherzustellen, werden die Frauen aus den Arbeitsmärkten herausgedrängt. Nachdem die rechtsextreme FPÖ in Salzburg vergangenes Jahr in eine Koalitionsregierung mit den Konservativen eingezogen ist, war das Erste, was sie verwirklichten: eine Prämie für Frauen, die ihre Kinder selbst daheim betreuen.
Verständlich, dass Studien regelmäßig ergeben, dass junge Frauen heute markant linker wählen als junge Männer. Für diesen Trend gibt es ja schon seit Jahren starke empirische Daten. Und mag der Trend bei den jungen Kohorten besonders markant sein, zieht sich dieser Frauen-Männer-Gap beim Wahlverhalten doch über die verschiedensten Generationen. Also nicht nur die Enkelinnen, auch die Omas wählen signifikant progressiver als die Männer.
Das ist eine lustige historische Pointe. Es waren ja die Linken, die vor etwas mehr als 100 Jahren das Frauenwahlrecht durchgesetzt hatten, obwohl sie wussten, dass die Frauen zu diesem Zeitpunkt konservativer als ihre Männer tickten. Frauen waren damals etwa gläubiger und christlich-konservativ und haben daher seltener Sozialisten oder Kommunisten gewählt als die Männer. Die Linken waren dennoch für das Frauenwahlrecht. 100 Jahre später gibt es so etwas wie eine amüsante historische Gerechtigkeit: Wenn Linke noch irgendwo gewinnen, dann verdanken sie das den Frauen.
Kein Symptom für ein Versagen der Linken
Eine häufige Erklärung ist: (Junge) Männer sind in ihrer Männeridentität verunsichert, als Gegenreaktion werden manche dann reaktionäre Ultra-Machos. Na ja, mag sein. Aber deswegen wählt man keine rechtsextremen Verrückten wie Krah und Co.
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Es gibt eine gewisse gutmenschliche Verständnishuberei, die man nicht übertreiben soll: dass die Wähler der Rechtsextremisten irgendwelche Opfer seien. Sie leiden am Wandel, was sie quasi zwinge, rechtsextrem zu wählen. Gerne wird auch darauf hingewiesen, dass der Aufstieg der Ultrarechten eine Art von Symptom für das Versagen der Linken sei. Wäre die SPD besser, wäre die AfD kleiner. Auch das mag stimmen oder zumindest nicht ganz falsch sein. Aber es ist eine Verharmlosung. Wer wissentlich eine rechtsextreme Partei wählt, ist ein Rechtsextremist. Punkt. Aus. Wähler und Wählerinnen sind volljährig und geschäftsfähig und keine entmündigten Depperln, die nicht wissen, was sie tun.
Man sollte die streichelpädagogische Attitüde gegenüber diesen Leuten aufgeben. Wer Krah wählt, ist kein Opfer, sondern ein Täter.
Bei der Berliner Nachwahl hat die AfD im Wahlkreis Steglitz-Zehlendorf 5,3 Prozent der Erststimmen erhalten. Und das, obwohl dort Birgit Malsack-Winkemann auf dem Wahlzettel stand, die seit mehr als einem Jahr als mutmaßliche Rechtsterroristin und Putschistin in U-Haft sitzt. Wer so wählt, wird schwer resozialisierbar sein.
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