Verfassungswidrige NS-Parole: Björn Höcke muss vor Gericht

Das Landgericht Halle eröffnet ein Verfahren gegen den AfD-Politiker. Er hatte 2021 in einer Wahlkampfrede eine verbotene SA-Losung verwendet.

Björn Höcke hält eine Rede auf dem Marktplatz von Oranienburg und hebt dabei die Hand

Für Geschichtsrevisionismus bekannt: Rechtsextremist Björn Höcke (AfD) Foto: Britta Pedersen/dpa

BERLIN taz | Der Kopf des völkisch-nationalistischen Flügels der AfD, Björn Höcke, muss sich wegen der verbotenen SA-Losung „Alles für Deutschland“ einem Strafverfahren stellen. Am Mittwoch gab das Landgericht Halle bekannt, dass es die Anklage der Staatsanwaltschaft Halle von Mitte Mai zugelassen hat. Dem Rechtsextremisten aus den Reihen der AfD droht nun eine Verurteilung vorm Amtsgericht Merseburg. Angeklagt wird Höcke wegen des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger und terroristischer Organisationen nach Paragraf 86a. Darauf steht eine Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren oder eine Geldstrafe.

Höcke wird von der Staatsanwaltschaft zur Last gelegt, dass „er gewusst habe, dass es sich bei dieser Formel um eine verbotene Losung der Sturmabteilung (SA) der NSDAP handelt“, wie es in einer Mitteilung des Gerichts heißt. Die SA gravierte den Spruch unter anderem auf Messer ein. Höcke verwendete die Losung am Ende einer Wahlkampfrede im Mai 2021 im sachsen-anhaltinischen Merseburg.

Eine Berufung auf Nichtwissen dürfte für Höcke dabei schwierig sein: Zum einen ist er Geschichtslehrer, äußert sich häufig revisionistisch und kokettiert immer wieder mit NS-Rhetorik. Zum anderen gab es bereits ein Ermittlungsverfahren gegen den sächsischen AfD-Politiker und Ex-Bundestagsabgeordneten Ulrich Oehme, der die Losung 2017 auf einem AfD-Plakat verbreitet hatte. Das Verfahren gegen Oehme wurde eingestellt, weil dieser abstritt, gewusst zu haben, dass es sich um eine verbotene SA-Losung handele. Über diesen Fall wurde in den Medien breit berichtet.

Anders als von der Staatsanwaltschaft beantragt, wird das Hauptverfahren gegen Höcke allerdings nicht am Landgericht Halle stattfinden, sondern vor dem Amtsgericht Merseburg. Der Bekanntheitsgrad des Angeklagten allein sei nicht geeignet, dem Fall eine besondere Bedeutung zu verleihen, heißt es vom Gericht zur Begründung. Die Staatsanwaltschaft kann gegen den Beschluss Beschwerde einlegen.

Davon machte die Staatsanwaltschaft Halle noch am Mittwoch Gebrauch: Am Nachmittag teilte das Gericht auf taz-Anfrage mit, dass die Ermittlungsbehörde sofortige Beschwerde eingelegt hat. Nun muss das Oberlandesgericht Naumburg entscheiden, ob die Hauptverhandlung vorm Amtsgericht oder doch vorm Landgericht stattfinden soll. Insofern sei nicht absehbar, wann die Hauptverhandlung beginnen wird, hieß es vom Gericht. Zum Prozess erscheinen müsste Höcke sowohl vor dem Amtsgericht als auch vor dem Landgericht.

Genauso strafbar wie Hitlergruß

Abseits von Zuständigkeiten scheint der Fall juristisch nicht allzu kompliziert: Strafrechtler hatten sich bereits gewundert, warum es so lange dauerte, bis es zu einer Anklage durch die Staatsanwaltschaft Halle kam. „Der strafrechtlich relevante Sachverhalt ist weder komplex noch ist die Rechtslage schwierig“, sagte etwa der Strafrechtler Mohamad El-Ghazi der taz. Die Verbreitung und öffentliche Verwendung dieser Losung sei genauso strafbar wie der Hitlergruß oder die Verbreitung anderer bekannter Naziparolen. Höcke bestreitet nach Angaben der Staatsanwaltschaft die strafrechtliche Relevanz seiner Äußerung.

Es ist nicht die einzige Anklage, die Höcke droht: Anfang September wurde Höckes Immunität erneut aufgehoben, weil die Staatsanwaltschaft Mühlhausen wegen Volksverhetzung gegen ihn ermittelt. Anlass dafür sollen rassistische Telegram-Beiträge sein. Höcke gibt sich unbeeindruckt. Kürzlich brüstete er sich gar damit, dass seine Immunität bereits sieben Mal aufgehoben worden sei. Er sprach vom „Verdacht auf Falschmeinung“ und einer „Justizkeule gegen Dissidenten“.

Die AfD tritt auch in Sachen Geschichtspolitik immer offener rechtsextrem auf: Letzten Sonntag äußerte sich die Bundesvorsitzende Alice Weidel revisionistisch, indem sie den Tag der Befreiung am 8. Mai 1945 als „Tag der Niederlage des eigenen Landes“ bezeichnete, den sie nicht mit „einer ehemaligen Besatzungsmacht“ feiern wolle. Ihre Aussage bezog sich auf einen auch in der AfD umstrittenen Besuch ihres Co-Chefs Tino Chrupalla in der russischen Botschaft. Für Kritik innerhalb der AfD sorgte allerdings nicht Chrupallas Anbiederung an Russland, dem Aggressor im Ukraine-Krieg, sondern der Anlass seines Besuchs.

„Klassischer Geschichtsrevisionismus“

Der Historiker und Leiter der Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora, Jens-Christian Wagner, nannte das in der Welt „klassischen Geschichtsrevisionismus, wie wir ihn seit den 1950er Jahren aus der extremen Rechten kennen“. Ein solches Geschichtsbild zeuge von keinerlei Bereitschaft, sich gegenüber dem nationalsozialistischen Deutschland abzugrenzen.

Auch dem EU-Abgeordneten und AfD-Spitzenkandidaten Maximilian Krah warf er „pure Verharmlosung des Nationalsozialismus vor“, der schon fast in Richtung der Leugnung von NS-Verbrechen gehe. Krah hat vor einigen Tagen ein Tiktok-Video veröffentlicht, in dem er stumpf behauptete: „Unsere Vorfahren waren keine Verbrecher“.

Auch die NS-Parole „Alles für Deutschland“ bleibt in der AfD ein Dauerbrenner: Erst vor zwei Tagen hat die Polizei im bayerischen Passau AfD-Wahlplakate mit der Aufschrift „Alles für Deutschland“ abgehängt, die Ermittlungen laufen auch hier.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.