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Verkleidungen zum KarnevalIndianerkostüme gegen Rassismus

Kommentar von Birgit Schmidt

Kinder sollen sich verkleiden, wie sie wollen. Es geht dabei nicht um die Hautfarbe, sondern um Heldentum.

Tiere oder Berufe sind bei Kindern schwer im Trend, aber auch Held*innen aus Filmen und Büchern Foto: picture alliance/dpa

A lle Jahre wieder kommt der Karneval. Und mit ihm die Kostümfrage. Nicht nur für Erwachsene, besonders für Kinder ist diese Zeit eine Hochzeit für Fantasie und Spielerei. Menschen verkleiden sich als Katze, Hexe, Prinzessin, Bauarbeiter, Pirat, Astronaut. Berufsgruppen, Tiere, Nahrungsmittel – der Fantasie sind kaum Grenzen gesetzt. Eine Grenze, die jedoch häufig gesetzt wird, ist: die Hautfarbe.

Im vergangenen Jahr empfahl eine Kita in Hamburg den Eltern, zum Fasching auf Kostüme wie „Indianer“ und „Scheich“ zu verzichten. Begründet wurde dies mit dem Ziel einer kultursensiblen, diskriminierungsfreien und damit vorurteilsbewussten Erziehung.

Das Argument ist in der Erwachsenenwelt schon viele Jahre präsent, nun kommt es langsam auch bei den Kleinsten an. Ich bin Lehrerin und Mutter und möchte mit diesem Text den Versuch wagen, dieser These zu widersprechen. Denn Indianerkostüme – genau wie alle anderen Kostüme, die Bezug auf nichtweiße Menschen nehmen – bekämpfen Rassismus.

Ein Indianerkostüm ist ein Ausdruck der Sympathie mit den unterdrückten indigenen Völkern Amerikas bei gleichzeitiger Ablehnung des Handelns der weißen Europäer. Dadurch, dass Kinder ein ethnisch orientiertes Kostüm wählen, beschäftigen sie sich mit den ursprünglichen Trägern und nehmen ihnen die Fremdheit. Das ist eine der Grundlagen für Weltoffenheit und Respekt.

Kinder entscheiden sich bei Kostümen oft nur nach einem Kriterium: Bewunderung. So ist Pocahontas oder Winnetou, genau wie Jim Knopf oder Mulan, kein Kostüm eines Menschen mit anderer Hautfarbe, sondern das Kostüm einer Heldin oder eines Helden.

taz am wochenende

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Kein Kind, das sich als Batman verkleidet, huldigt damit Selbstjustiz oder Gewalt. Ein Kind, das sich als Batman verkleidet, verkleidet sich als das Gute, als Gerechtigkeit, als ein Held.

Genauso ist es mit dem Motiv „Indianer“. Pocahontas ist in erster Linie mutig, schlau, kämpferisch. Und nicht eine Person of Color.

Verbietet man weißen Kindern, sich als nichtweiße Menschen zu verkleiden, so sagt man: Für dich kann es nur weiße Helden geben. Das ist absurd und fatal.

Wer als Winnetou geht, zeigt Sympathie und Solidarität

Dazu einige Beobachtungen aus der rheinischen Grundschule, in der ich selbst unterrichte:

Jedes Jahr kommen die Kinder an Karneval mit ihren Kostümen in die Schule. Tatsächlich sind alle verkleidet, selbstverständlich auch die Kinder mit dem sogenannten Migrationshintergrund. Gerade diese haben nicht selten die Tracht des Herkunftslandes ihrer Eltern oder Großeltern an und es kommt auch vor, dass sie ein zweites, ähnliches Kostüm der besten „biodeutschen“ Freundin geben, damit die beiden als Zwillinge oder Geschwister aus Sri Lanka, Korea oder Ghana auftreten können.

Mit diesen Kostümen haben sie immer Bewunderung für den nichtdeutschen Teil ihrer Kultur gefunden, die Verkleidung hat nicht selten ihre Akzeptanz durch die anderen Kinder vergrößert und ihre Kostüme haben demzufolge „urdeutsche“ Nachahmer gefunden.

Noch ein Beispiel aus der Schule: Tatsächlich sind Indianerkostüme heute eher selten, die Winnetou-Filme unbekannt. Nur im dritten und vierten Schuljahr gibt es manchmal kleine „Indianer“. Die Erklärung dafür ist relativ einfach: das erste Buch, das die Kinder gemeinsam in der Grundschule lesen, heißt: „Fliegender Stern“ von Ursula Wölfel. Es handelt vom Leben der Prärie-Indianer Nordamerikas und der Bedrohung durch die Weißen. Hauptperson ist der Indianerjunge Fliegender Stern.

Warum entscheiden sich Kinder (und deren Eltern) nun für dieses Kostüm? Wollen sie damit tatsächlich die Kultur der indigenen Bevölkerung Nordamerikas ins Lächerliche ziehen? Ist es nicht genau das Gegenteil, nämlich das Aufzeigen von Sympathie und Solidarität in Bezug auf eine Gruppe von Menschen, die von anderen Menschen bedroht und unterdrückt wurde und auch noch wird?

Diese Kostüme sind eine Chance, den Kindern die Gesellschaft zu erklären. Man sollte Kindern eher sagen, welchen Rassismus und welche Ungerechtigkeit Menschen wie Fliegender Stern im echten Leben erfahren. Kindgerechte Sensibilisierung. Anstatt ihnen ihre Helden auszureden oder sogar zu verbieten, sollte man sie in die Wirklichkeit holen.

Kein Blackfacing, wenn ein Kind sich das Gesicht anmalt

Kostüme sind das eine, aber Blackfacing ist das andere, würden viele jetzt sagen. Ich denke, das stimmt nicht, zumindest nicht bei Kindern.

Bei Blackfacing denken viele zuerst an die Tradition der amerikanischen Minstrel Show, in der Weiße sich als Schwarze verkleideten, sich Klischees und anderer Scheußlichkeiten bedienten und Schwarze ins Lächerliche zogen. So etwas gehört verboten, ganz klar.

Doch ein Kind, das sich das Gesicht schwarz anmalt, weil es sein will wie sein Held Jim Knopf, hat mit so etwas nichts zu tun. Gesellschaftliche Diskurse über Rassismus müssen geführt werden, Dinge unterlassen und andere aufgezeigt werden: Aber müssen wir unseren Kindern wirklich ein tiefes Gefühl der Sympathie und Bewunderung, das sich in ihrer Kostümierung zum Ausdruck bringt, austreiben?

Man sollte Kinder nicht für dümmer halten, als sie sind, sie sind sehr gut in der Lage, Klischee und Realität auseinanderzuhalten. Kinder sind in dem Alter noch ziemlich farbenblind in dem Sinn, dass sie in der Hautfarbe kein alle anderen Eigenschaften überdeckendes Merkmal sehen. Sie sehen Jim Knopf oder auch Fliegender Stern nicht in erster Linie als Vertreter einer anderen, fremden Ethnie, sondern als ihnen ähnliche, mutige und freundliche Kinder, denen sie nacheifern wollen und die genauso zufällig eine andere Hautfarbe haben wie andere blonde, braune oder schwarze Haare.

Lassen wir also unseren Kindern den Raum und verbieten wir ihnen nichts, nur weil wir Erwachsenen es seit Jahrhunderten falsch machen und heute noch unfähig sind. Sagen wir ihnen, dass Anderssein großartig ist und manchmal schwer, aber keinesfalls verboten – und zwar auch nicht als Kostüm.

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138 Kommentare

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  • Bitte lest doch alle mal diesen Beitrag hierzu: www.vice.com/de/ar...-sind-nicht-lustig

  • im kölner karneval gibt es einen "Jan von Werth" kult.es besteht kein zweifel daran dass dieser mann ,wie andere feldherren des 30 jährigen krieges ein grosser kriegsverbrecher war.seine soldateska und damit auch er selbst war für vergewaltigungen,folter ,raub,brandstiftung und viele morde verantwortlich .



    in köln sind mehrere strassen,eine karnevalsgesellschaft und ein schiff nach ihm benannt.



    das sollte nicht so bleiben.

    • @satgurupseudologos:

      doch, das kann ruhig so bleiben. Man macht die Opfer nicht wieder lebendig und im 30-jährigen Krieg war niemand besonders nett. Zudem geht es weniger um die Ehrung seines kriegerischen Erfolges als um die Geschichte von "Jan und Griet" - eine Urgeschichte des Kölner Karnevals mit dem schlauen Satz "wer et hätt jewoss, der et hätt jedonn".....

  • in Hamburg hat sich ein Kind jetzt als SS-Mann verkleidet (Grundschule). Zu Recht war die Empörung groß und zwar nicht, weil sie das Kind etwas "angeeignet" hat, sondern weil das Kind Identifikation mit etwas gezeigt hat, was zum Glück die ganz überwiegende Mehrheit der Menschen strikt ablehnt.

    • @Dr. McSchreck:

      Gerne würd ich wissen, wie alt dieses Kind denn ist.

      • @Thomas Schöffel:

        ich meine, es hätte 4. Schuljahr geheißen - also ca. 10 Jahre alt.

        • @Dr. McSchreck:

          10, hm. Vielleicht eine Provokation? Ich meine mit 10 dürfte er schon merken, daß sowas bei uns nicht erlaubt ist.

  • Ein bemerkenswerter, besonnener Artikel, wie ich ihn in der taz offen gesagt nicht erwartet hätte. Danke dafür!

  • Die Sache IST halt kompliziert: Auch Kinderkostüme können rassistisch oder zumindest lächerlichmachend sein (ohne individuelle Intention!). Aber die Autorin hat einen Punkt. Man sollte die kindliche Identifikation mit anderen Kulturen nicht abwürgen.



    Am Ende kommt es eben doch auf die Intention an, allerdings auf die zugerechnete, nicht auf die individuelle: Das Kind kann positive Intentionen haben, wie es will. Die bleiben unbedeutend, wenn als vermeintlich klare Intention einer Praxis das Lächerlichmachen bereits "eingebürgert" ist. Z.B. fällt Blackfacing durch seine rassistische Geschichte als Identifikationsmittel weg. Dagegen ist die Identifikation mit Hiphop etc. okay (bis jemand "Aneignung" sagt und damit durchkommt).

  • Richtig. Es macht einen sehr großen Unterschied ob Kinder sich auch zB als Farbige verkleidet sind oder ein gar betrunkener Weißer sich anmalt.



    Ich war als Kind auch oft Indianer, eigentlich waren das die Geschichten von Unterdrückung und Völkermord die ich als aller erstes gehört habe, verstanden habe, und mit 4,5 Jahren schon nicht verstehen konnte. Noch lange vor Sklaverei, Holocaust und dem ganzen anderen Dreck der auf dem Mist Europas gewachsen ist. Zeit für eine bessere Welt, mögen wir in Europa dazu beitragen! Und dazu sollen die Kinder ruhig Mal was anderes als Avenger, Eiskönigin etc sein. Kinder können eher noch den Menschen im Menschen erkennen. Selbst ich habe eine Brille mit Vorurteilen auf.

    • @sachmah:

      "Kinder können eher noch den Menschen im Menschen erkennen. "

      So ist es und das weiß man/frau, die mit Kindern zusammen arbeiten.

      Menschen, die glauben, den Rassismus überall erkennen zu können, denken womöglich viel zu oft in rassistischen Kategorien.

  • Die armen Kinder. Sie wollen einfach nur für einen Nachmittag ein Indianer, ein Supermann oder ein Astronaut sein und dann kommen die Erwachsenen und verkomplizieren alles völlig überflüssigerweise.

  • Unglaublich, dass im Jahr 2020 immer noch die Betroffenen-Perspektive ignoriert, in Frage gestellt oder schlimmer noch, als humorlos, rigoros oder moralisierend abqualifiziert wird.

    Stattdessen adelt man die Intention (interpretiert von Erwachsenen für Kindern…) als ausschlaggebend. Schwierig.



    Ich unterstelle da eher einigen erwachsenen Kindern Unfähigkeit zur Selbstkritik.

    "Kostüme sind eine Chance, den Kindern die Gesellschaft zu erklären." Also brauchen wir unbedingt diese Art von Kostümen, die ganze Gesellschaften auf ein paar exotisierende Merkmale reduzieren, um Kindern Diversität zu erklären? Nicht ganz logisch, oder?

    Beginnt da nicht eben doch einfach nur die Wiederholung kolonialer Ansichten und damit die für Betroffene oft schmerzhafte Erfahrung, dass sich über ihre Perspektive einfach so hinweggesetzt wird? Es gibt andere und sehr viel sinnvollere Möglichkeiten mit Kindern Diversität zu zelebrieren und diese aufzuzeigen. Dazu müssen wir Kinder nicht schon in frühesten Jahren der Disney-gemachten Verharmlosung rassistischer Bilder überlassen. Disney und andere Player aus der Unterhaltungsbranche verdienen Geld mit der Bedienung eindimensionaler und kolonialistischer Blickweisen auf Diversität. Warum soll man da mitziehen müssen? Um nicht spießig zu wirken? Also bitte…

    Die Kritik an dieser Art der Kostümierung wird aus allen möglichen (akademischen und nicht akademischen) Betroffenkreisen heraus formuliert. Das ist keine Maximalforderung (@ROLF B.), sondern eine Diskussion um Menschlichkeit, Respekt und Anerkennung. Da ziehe ich gern mit!

    • @Anno Nym:

      Um Ihnen entgegen zu kommen, ich denke da redet man schnell aneinander vorbei: wir reden nicht alle von "Cowboy und Indianer" - wobei bei uns die selbstbewussten Indianer min genauso oft gewonnen haben wenn überhaupt Krieg war - im Sinne von Siedlerspiele, wie mache ich die Eingeborenen kaputt.



      Mit Gruß eines ehemaligen Indianers*

      *Sitting bull (im Kindergarten, sein Ende kannte ich damals schon). Massaker wie wounded knee bis heute noch im Gedächtnis.

    • @Anno Nym:

      Man könnte ja mal das Kostüm als Anfang sehen, als positives Potenzial, das zudem in vielschichtige Kontexte eingebettet ist, z.B. multiethnische Kitas und die zunehmend von Kindern als Normalität erlebte Diversität und eben selbst eine differnzierte Auseinandersetzung mit native american culture über Lektüre. . Auch wenn vermutlich ein paar Linksidentitäre meinen, was mit dem Indianerkostüm beginnt endet beim NSU....Es ist außerdem ganz was anderes, wenn ein Kind in Castrop-Rauxel sich als Indianer verkleidet, oder ein weißer Junge in Wyoming, der 3 Kilometer vom Reservat lebt, dem die realen Indianer aber piepegal sind.

    • @Anno Nym:

      ""Kostüme sind eine Chance, den Kindern die Gesellschaft zu erklären." Also brauchen wir unbedingt diese Art von Kostümen, die ganze Gesellschaften auf ein paar exotisierende Merkmale reduzieren, um Kindern Diversität zu erklären? Nicht ganz logisch, oder?"

      Überhaupt nicht logisch - aber das liegt nicht am Artikel. Sie machen eine Strohmanndiskussion auf.

    • @Anno Nym:

      Critical-Whiteness-Ideologie ist Ethnopluralismus und nicht die Stimme der Marginalisierten, für die sie sich hält. Sie ist eine Politgruppe, keineswegs repräsentativ. Gerade die deutsche Karl-May-Indianerliebe ist ein Kunstprodukt, das in seiner spezifischen historischen Konstellation erklärbar ist. Die Eindimensionalität der Critical Whittness bedient den Autoritären Charakter, dem Vieldeutigkeit zu komplex ist.

      • @Bandari:

        so ist es und vor allem trennt die Critical Whiteness genau wie das rechte Gegenstück die Gesellschaft in viele kleine Gruppen, die als Gegner (wenn nicht Feinde) konstruiert werden.

  • "Dass Intention kein Kriterium ist bei der Beurteilung ob eine Handlung oder Aussage rassistisch ist, ist zwar im anti-rassistischen Diskurs ein alter Hut"

    An dem Punkt wo der Hut so 'alt' ist, dass er als nicht mehr diskutabel gilt, ist dann nur leider der Diskus auch kein Diskurs mehr, sondern ein Dogma.

    • @Amandas:

      Ja. Ungefaehr so, wie "die Erde ist rund" ein Dogma ist...

      • @Florian der Dritte:

        "Ja. Ungefaehr so, wie "die Erde ist rund" ein Dogma ist..."

        Moment. Das muss ich erstmal verstehen. Sie wollen hier andeuten, dass die Aussage, "Intention ist kein Kriterium bei der Beurteilung ob eine Handlung oder Aussage rassistisch ist", genauso wenig kritikwürdig ist wie die Aussage "die Erde ist rund"?



        Oder sind Sie ein Mitglied der Flat Earth Society?

        • @Amandas:

          Genau das will ich andeuten.



          Und der einzige Grund, der mir einfallen wuerde, warum man diese Erkentnis anzweifeln und der "guten Absicht" mehr Relevanz zusprechen wuerde als den negativen Konsequenzen, waere rassistisches Handeln zu entschuldigen oder gar zu rechtfertigen.



          So wie es dieser Artikel tut.



          (war schon sehr ueberrascht, ausgerechnet in der taz einen Kommentar zu lesen der blackfacing verteidigt...)

          • @Florian der Dritte:

            Wow. Sie hätten einen guten Großinquisitor abgegeben vor 400 Jahren....

      • @Florian der Dritte:

        Fahren Sie doch mal mit einem Fahrrad, dessen Reifen so rund sind wie unser Planet. Ich wünsche viel Spaß.

  • Ich möchte mich bei Frau Schmidt für diesen wohltuend sachlichen und differenzierten Artikel zum Thema bedanken!



    Außerdem zeugt ihr Artikel von einem schönen Einfühlungsvermögen in das kindliche Denken und Empfinden und ist so gar nicht verbissen und kategorisch, wie es so mancher Kommentar und andere Artikel zum Thema sind.

    Bei vielen Kritikern, die so pauschal die "weissen Personen" per Definition zu Rassisten erklären, fühle ich mich regelrecht in Sippenhaft genommen, wogegen ich mich an dieser Stelle mal verwahren möchte.



    Mir ist die unselige Geschichte der Jahrhunderte langen gewaltsamen Unterdrückung bis hin zum Genozid fast des ganzen Globus und der Mehrheit seiner Völker durch die weisse Minderheit der ´westlichen´ abendländischen Welt bekannt und ich habe dies auch stark reflektiert.

    Das wurde bis heute nicht gut gemacht und fand und findet seine Fortsetzung in der Ausbeutung von Rohstoffen und Landflächen auf Kosten und zum Schaden der indigenen Bevölkerung. Die Schuldigen dafür sind bei internationalen Großkonzernen, geldgebenden Großbanken und korrupten Politikern zu suchen. Das ist für mich die wahrhaft mörderischste Ausprägung von Rassismus und Unterdrückung und maximaler Respektlosigkeit von Menschen und Natur.

    Unsere Energien sollten wir einsetzen, diesem Horror Einhalt zu gebieten.



    Lasst die Kinder sich verkleiden, als Indianer oder sonst was. Sie sind nicht die Gegner im System und im besten Fall kann das ihren Horizont erweitern.



    Die wahren Unmenschen verkleiden sich nicht, die tragen teure Anzüge.

  • An alle weißen Kommentator*innen, die mit der Autorin mehr oder weniger übereinstimmen (und hier vor Allem auch immer wieder betonen, dass Kinder keine Rassist*innen sind weil sie sich verkleiden: Natürlich nicht, die Intention ist aber auch nicht das Problematische an den genannten Kostümen). Könnt ihr bitte bitte das Buch "Exit Racism" von Tupoka Ogette lesen und euch euren Kommentar danach noch mal anschauen? Das Buch ist nicht dick, und es ist sehr gut lesbar. Bitte bitte? Das würde schon gut was helfen :)

    • @CIDERWOMAN:

      Kinder verkleiden sich als das, was sie bewundern oder selber gerne sein möchten. So war es auch bei mir. Ich war "Indianerhäuptling", Clown, Dame, aber nicht um mich darüber zu mokieren, sondern weil ich die Charaktere wirklich bewunderte. Offenbar sind Sie dermassen erwachsen, dass Sie sich gar nicht mehr hineinfühlen können, wie es ist, ein Kind zu sein.

    • @CIDERWOMAN:

      Kannst Du die Aussage des Buches nicht kurz zusammenfassen?

      • @El-ahrairah:

        PS und OT: die Platte ist geil, also alle drei, nicht nur Owsla 😊

      • @El-ahrairah:

        Es ist ein Buch, das an Tupoka Ogettes Workshops zu rassismuskritischem Denken angelehnt ist, und es ist ganz wunderbar geschrieben, mit Videolinks (per barcode) und Mitmach-Aufgaben. Es setzt sich auf eine für weiße Menschen sehr liebe und behutsame Weise mit den Widerständen der weißen "liberalen", "netten" oder wie mensch es auch nennen soll Bevölkerung auseinander, sich mit dem strukrurellem Rassismus und der eigenen Privilegiertheit zu befassen. Hier die Beschreibung aus dem Internet:



        Obwohl Rassismus in allen Bereichen der deutschen Gesellschaft wirkt, ist es nicht leicht, über ihn zu sprechen. Keiner möchte rassistisch sein, und viele Menschen scheuen sich vor dem Begriff. Das Buch begleitet die Leser*innen bei ihrer mitunter ersten Auseinandersetzung mit Rassismus und tut dies ohne erhobenen Zeigefinger. Vielmehr werden die Leser*innen auf eine rassismuskritische Reise mitgenommen, in deren Verlauf sie nicht nur konkretes Wissen über die Geschichte des Rassismus und dessen Wirkungsweisen erhalten, sondern auch Unterstützung in der emotionalen Auseinandersetzung mit dem Thema.

        Übungen und Lesetipps eröffnen an vielen Stellen die Möglichkeit, sich eingehender mit einem bestimmten Themenbereich zu befassen. Über QR-Codes gelangt man zu weiterführenden Artikeln, Videos und Bildern. Ergänzend dazu finden sich in fast jedem Kapitel Auszüge aus sogenannten Rassismus-Logbüchern – anonymisierte Tagebücher, die ehemalige Student*innen von Tupoka Ogette in ihrer eigenen Auseinandersetzung mit Rassismus geführt haben und in denen sie über ihre Emotionen und Gedankenprozesse berichten. Auch Handlungsoptionen kommen nicht zu kurz. Ziel des Buches ist es, gemeinsam mit den Leser*innen eine rassismuskritische Perspektive zu erarbeiten, die diese im Alltag wirklich leben können.

        • @CIDERWOMAN:

          Super, danke!

  • Es gibt so viele Identifikationsfiguren, die Kindern zur Verfügung stehen: Angela, Greta, Meghan usw. Warum müssen es immer wieder die armen amerikanischen UreinwohnerInnen sein?

    • @C.O.Zwei:

      Na weil der Spaß am Verkleiden ja ist, dass man sich raussuchen kann, als was man sich verkleidet, und nicht, dass es einem vorgeschrieben wird, womöglich noch von einem totalitären Staat.

  • Endlich mal wieder eine weisse Person, die uns erklaert, was rassistisch ist und was nicht. Und wie so oft kommt dann dabei heraus "stellt euch doch nicht so an, ist ja nicht boese gemeint".



    Dass Intention kein Kriterium ist bei der Beurteilung ob eine Handlung oder Aussage rassistisch ist, ist zwar im anti-rassistischen Diskurs ein alter Hut, fuer die Autorin spielt das aber keine Rolle. Die Perspektive der Betroffenen, ihre Argumente werden konsequent ignoriert.



    Womit der Artikel dann ein gutes Beispiel ist, wie Rassismus in Deutschland auch funktioniert - indem die weisse Mehrheitsgesellschaft die Deutungshoheit ueber Rassismus fuer sich beansprucht und sich ihre Traditionen, ihr Verhalten und ihre guten Absichten doch bitte nicht von irgendwelchen POC vermiesen lassen will, die da vielleicht aus persoenlicher Erfahrung und Betroffenheit manches etwas anders sehen...

    • @Florian der Dritte:

      "Die Perspektive der Betroffenen, ihre Argumente werden konsequent ignoriert". Als ob die Betroffenen eine einheitliche Gruppe wären, die die gleiche Meinung und daher die gleichen Argumente hätten - merken Sie nicht, dass solche Pauschalisierungen auch schon wieder nah am Rassismus sind?

      Wie "der Schwarze" oder "der amerikanische Ureinwohner" die Sache sieht? Aber ich vermute, es zählen eben nicht alle davon....

    • @Florian der Dritte:

      Intention ist kein Kriterium bei der Beurteilung der Handlung und emotionale Betroffenheit ist kein Kriterium bei der Beurteilung der Handlung. Eine Handlung hat allein aufgrund von allgemein formulierten Regeln und Normen zu geschehen.

      • @El-ahrairah:

        Nein, emotionale Betroffenheit ist kein Kriterium, sie ist die direkte Folge davon, ganz konkret und real betroffen zu sein von Ausgrenzung, Benachteiligung, Erniedrigung, Beleidigung und Gewalt. Den taeglichen Erfahrungen, die POC in Deutschland mit Rassismus machen. Und diese ganz konkreten Auswirkungen sind in der Tat das Kriterium anhand dessen eine Handlung oder Aussage als rassistisch einzuordnen ist. Und um diese Auswirkungen beurteilen zu koennen, ist es unabdinglich sich mit der Perspektive der von Rassismus Betroffenen auseinanderzusetzen, diese zu verstehen und sich solidarisch darauf zu beziehen.



        Aber vielleicht ist das zuviel verlangt von jemandem, der sich komplexe Systeme wie Rassismus am liebsten durch einen Blick ins (von weissen Maennern verfassste?) Lexikon erklaert...

    • @Florian der Dritte:

      Die Autorin beansprucht doch gar keine Deutungshoheit.

      Sie liefert nur einen Diskursbeitrag.

      Sind Sie so wenig diskursfähig?

    • @Florian der Dritte:

      Für die Frage, was Rassismus ist reicht ein Blick ins Lexikon. Da steht eine allgemein gültige Definition, ganz unabhängig von Hautfarben, emotionalen Betroffenheiten oder Machtspielchen. Klasse, oder?

  • Ich finde die Argumentation durchaus nachvollziehbar und gut gemeint auch wenn ich den Teil "Ein Indianerkostüm ist ein Ausdruck der Sympathie mit den unterdrückten indigenen Völkern Amerikas bei gleichzeitiger Ablehnung des Handelns der weißen Europäer. " etwas überzogen finde, da ich mir nicht sicher bin, ob Kinder da wirklich soweit reflektieren.

    Dennoch glaube ich, dass die Autorin hier einen Punkt etwas übersieht: Als Kindergartenkind habe ich mich ein Jahr zum Fasching als "Chinese" verkleidet. Komplett mit Seidengewand, aufgemaltem spitzen Schnurr- und Ziegenbart und dem klischeehaften flach, kegelhaften "Chinesenhut".



    Nichts davon hat besonders viel mit dem durchschnittlichen Chinesen zu tun und viel mehr mit rassistischen Klischees aus der Kolonialzeit. Ich könnte mir vorstellen, das so etwas, wären in dem Kindergarten auch Kinder mit chinesischen Wurzeln gewesen, zumindest für Unverständnis bis hin zu stark negativen Emotionen bei Kind und Eltern geführt hätte. Und ich denke mit vielen "Indianer"-Kostümen steht es wahrscheinlich ähnlich. Vieles davon ist mitunter rassistische-klischeehaft und/oder einfach unzutreffend.

    Ich finde, hier kann man sich schon überlegen, wie man damit umgehen sollte. Das Kind selber möchte natürlich nichts Böses, deswegen kann es aber trotzdem negative Konsequenzen haben.

    Wobei ich denke, dass das bei spezifischen Charakteren wie Mulan, Pochahontas, Jim Knopf etc noch etwas weniger schlimm ist, da halt ein bestimmter Charakter und nichts generalisierend eine Volksgruppe dargestellt wird.

    • 6G
      65572 (Profil gelöscht)
      @Snip Snap:

      Ich kann durchaus nachvollziehen was in einem kleinen Kind mit chinesischen Wurzeln, angesichts einer Kindergartenkindchinesenverkleidung vorgeht, wenn ich an die optische Umweltverschmutzung der ganzen kulturell aneignenden Trachtlerinternationale, die Ende September bis Anfang Oktober meine Heimatstadt überschwemmen wird, denke.

      • @65572 (Profil gelöscht):

        Interessant. Ich kann es nämlich nicht. Wenn mich ein Amerikaner mit Lederhos'n und Nazisprüchen karikiert, dann ist mir das relativ egal, und das obwohl ich weder Bayer noch Nazi bin.

        Deswegen finde ich diese Kostüm-Diskussion nur hysterisch.

        • 6G
          65572 (Profil gelöscht)
          @Capitano:

          "Interessant. Ich kann es nämlich nicht. ... und das obwohl ich weder Bayer ... bin."

          Ehrlich gesagt kann ich Ihren Einwand nicht verstehen.



          Um im Bild zu bleiben, bei einem Kindergartenkind mit, ich sage mal yemenitischen Wurzeln, wird man ja auch nicht befürchten, eine Kindergartenkindchinesenverkleidung würde bei ihm/ihr irreversible Traumata auslösen.

          • @65572 (Profil gelöscht):

            Ok, aber ich meinte es anders:



            Lederhos'n und Nazisprüche stellen mich als Deutschen auf klischeehafte Weise dar (es geht ja die ganze Zeit um Klischees).

            Dennoch(!) habe ich kein Problem damit klischeehaft dargestellt zu werden, weil ich 1) weiß, dass es nicht der Wahrheit entspricht und 2) ich dem Oktoberfest-Amerikaner seinen Spaß lasse.

            Vermutlich habe ich selbst sogar irgendwann einen Klischee-Amerikaner dargestellt, einen Texaner mit Pistole und Slang, also ein typisches Klischee.

            Leben und leben lassen.

    • @Snip Snap:

      guter Kommentar!

  • Unglaublich, dass wir im Jahr 2020 darüber diskutieren, ob Kinder sich Karneval z.B. als Indiander verkleiden dürfen. Der spießige Rigorismus derjenigen, die ihre Rassismuskeule auch als Spaßbremse für Kinder benutzen, ist beängstigend.



    Manchmal frage ich mich, ob die "Rassismusmelder" wirklich wissen, was Rassismus ist.

  • Danke für den Text, ich war früher als Kind im Fasching viele Jahre IMMER Indianer und habe viel gelernt über Indigene in Nordamerika. Meine Hochachtung und mein Interesse für die "Indianer" haben mich zu diesen Infos geführt.

  • Puh, endlich mal ein Artikel zu diesem Thema der aus einem gesundem Menschenverstand heraus geschrieben wurde und nicht auf der Grundlage abgehobenener akademischer Maximalforderungen.



    Wobei ich es ja grundsätzlich begrüße, daß Menschen sich mit mit dem Thema akademisch beschäftigen.

  • In vielen Kommentaren lässt sich gut der Kern des Problems erkennen. Erwachsene nehmen den Indianer als andere Ethnie wahr ob gute oder schelchte Eigenschaften, nehme ich aufgrund eines Merkmals an, dass daraus noch viele andere mit einhergehen meist ohne irgendeine Grundlage an Fakten. Zudem lernen Kinder dann natürlich von Erwachsenen diese Haltungen, auch wenn sie die daann anders bewerten können. Niemand kann sich davon frei machen im späteren Verlauf ihres Lebens auch die Kinder nicht. Ab bis dahin: Chillt ma Willma, das sind Kinder, die leben Karenval zum Glück ganz anders als die Erwachsenen, das ergibt sihc doch schon aus den unterschiedlichen Bewusstseinszuständen...

    • @RealDiogenes:

      Da widerspreche ich.

      Nach meinem Eindruck machen es sich die "Erwachsenen" bei der "Political Correctness" zu einfach.



      Anstatt sich mit dem jeweiligen Thema zu beschäftigen, möchten sie es gerne komplett verdrängen.

      Es ist nicht so einfach zwischen Kostümierung und Rassismus oder kultureller Aneignung (u.s.w.) zu unterscheiden.



      Muss man aber.

      Aus meiner Sicht darf ich mich im passenden Kontext als orthodoxer Jude verkleiden, sollte dann aber nicht mit kopierten Geldscheinen oder Miniaturhäusern um mich werfen.



      Das Gleiche würde ich auf Indianer anwenden, solange ich mich sichtbar in dem Kanon der Westernfilme bewege, die ja weiterhin produziert und verbreitet werden.

      Die Grenze zur politischen Meinungsäußerung, die ja gerne als (herabsetzende) Diffamierung herüberkommt, macht im konkreten Fall eventuell richtig Arbeit.



      Ich bin aber der Ansicht, das man Akteure wie Kritiker aus dieser Arbeit nicht entlassen kann.

    • @RealDiogenes:

      Ich vermute, jede*r von uns würde bei physischer Gewalt unter Kindern eingreifen wollen. Wenn nun psychische Gewalt ausgeübt wird, bzw. nur die Gefahr besteht, dass sich jemand durch ein Kostüm psychischer Gewalt ausgesetzt fühlt, dann ist dass laut diesem Artikel wohl okay?! "Chillt mal" und "Lassen wir also unseren Kindern den Raum und verbieten wir ihnen nichts" passt da für mich gar nicht und Eltern sollten sich zunächst kritisch mit dem Thema Rassismus auseinandersetzen und ganz konkret abwägen. Welches Bedürfnis steckt hinter dem Kostümwunsch des Kindes und kann/will ich dieses Bedürfnis nicht vielleicht anderweitig befriedigen, um nicht Gefahr zu laufen jemanden psychischen Stress auszusetzen?

      • @Mrs. B:

        wenn ein Kind dem anderen die Zunge herausstreckt, muss man nicht unbedingt eingreifen, auch das ist für besonders empfindliche Oper "psychische Gewalt". Für manche Kinder sogar, wenn sie etwas nicht bekommen, was sie gern hätten oder wenn sie etwas nicht dürfen....Aber das gehört zum Leben dazu, mit solchen unangenehmen Situationen umgehen zu lernen.



        Eine Gesellschaft, in der jeder nur noch "flauschig" redet und anderen stets den Vortritt lässt, scheint mir genauso wenig erstrebenswert wie eine reine Ellbogengesellschaft.

        • @Dr. McSchreck:

          Ich bin absolut deiner Meinung, wenn du eine zu "flauschige" Gesellschaft kritisierst. Wir brauchen den Diskurs in einer funktionierenden demokratischen Gesellschaft! Auch das Kind, das jemandem die Zunge raus streckt oder sich im Supermarkt schreiend auf den Boden wirft sucht - auf seine Weise - den Diskurs. Hier folgt im besten Fall der Austausch und die Klärung. Ein Kind, welches sich unpassend kostümiert, bzw. die Eltern die ein solches Kostüm zulassen, suchen aber in keiner Weise einen Diskurs, sondern haben sich in den allermeisten Fällen keine Gedanken über die möglichen Folgen gemacht und genießen stattdessen das Privilig, alles und überall sein zu dürfen.

  • "Ein Indianerkostüm ist ein Ausdruck der Sympathie mit den unterdrückten indigenen Völkern Amerikas bei gleichzeitiger Ablehnung des Handelns der weißen Europäer."

    Ähm....Nein, einfach nein. Kinder wollen weder irgendwelche Sympathien oder Ablehnung für irgendwelche Völker zeigen, noch wollen sie irgendwen diskriminieren. Kinder wollen einfach nur Kinder sein. Spielen, sich verkleiden, Spaß haben, Fantasiefiguren mimen. Ohne irgendwelche Hintergedanken, ohne dumpfe Dogmen, ohne Bezug zur Realität.

    Es ist an den Erwachsenen, den Kindern Werte wie Respekt, Toleranz und den Unterschied zwischen Spiel und Realität zu vermitteln.

    Wenn sich Erwachsene beim Karneval als primitive Buschmenschen verkleiden und sich die Gesichter schwarzmalen, dann ist das Rassismus. Wenn Kinder Winnetou oder Aladin Kostüme tragen eben nicht.

    Angesichts der reellen Probleme mit Rassismus in der Gesellschaft ist eine Diskussion um Indianerkostüme in der KiTa vor allem eins:

    Kinderfasching

    • @Deep South:

      upps,

      ...Erwachsene können sich als primitive Buschmenschen verkleiden...?

      Die Ausdrucksweise (oder der Gedanke dahinter) könnte Spuren von Wertungen enthalten.

      • @fly:

        Natürlich. Nichts lag mir ferner. Kommt dir der Worstamm von Fasching nicht generell irgendwie verdächtig vor?

  • Ich finde die Argumentation sehr fragwürdig. Kinder verkleiden sich, weil sie etwas gut finden und nicht, weil sie sich über etwas lustig machen wollen.



    Soweit, so klar.



    Aus der Verharmlosung struktureller Diskriminierung bis hin zu Rassimus kommt man damit aber trotzdem nicht raus. Es zählen ja nicht nur die eigenen Absichten, sonst wäre ja alles wunderbar.



    Insgesamt illustriert dieser Diskurs aber doch wunderbar, wie wenig westliche Verbrechen aufgearbeitet sind und wie groß die Sehnsucht danach ist, einfach Schwamm drüber zu sagen und sich völlig frei von historischer Kenntnis zu verhalten. Eine Kenntnis, über die Kinder nicht verfügen, die aber sehr wohl mitbekommen, in was für einer Gesellschaft sie aufwachsen und was dort erlaubt und gern gesehen ist. Um es mal zuzuspitzen: Wer fröhlich Indianer spielt hat auch als Erwachsener keine Ahnung davon, unter welchen Bedingungen die Nachfahren dieser Menschen heute leben. Und ich unterstelle, dass es vielen auch einfach egal ist - ist ja schließlich nur ein Kostüm, sorgfältig aus der Geschichte herausgelöst.

    • @emanuel goldstein:

      Wollen sie ernsthaft von Kindern erwarten, das sie sich über "strukturelle Diskriminierung" Gedanken machen, bevor sie sich verkleiden?

      Ich habe den Eindruck, das die von Ihnen praktizierte unreflektierte Projektion politischer Inhalte auf Alles und Jeden genau das Problem darstellt, das die Autorin skizziert.

      Zitat: "Wer fröhlich Indianer spielt hat auch als Erwachsener keine Ahnung davon, unter welchen Bedingungen die Nachfahren dieser Menschen heute leben."

      Wäre Ihre überspitzte Unterstellung nicht so unglaublich realitätsfremd, würde beleidigt sein.



      Und ja, man kann - auf jeden Fall als Kind - im konkreten Kontext des Karneval Kostüme "abseits der Geschichte" anziehen.

  • Schade, dass man heute einen "mutigen" Aftikel schreiben muss, um solche Selbstverstaendlichkeiten zu erklaeren.

  • Nun, ist einfach klar, dass Kinder spielerisch an so Sachen ran gehen, sich verkleiden, in eine andere Rolle tauchen wollen, weil sie es einfach gerade cool, oder heute eher nice finden. Was Erwachsene dann da alles hineininterpretieren... Erwachsene sind aber dafür verantwortlich, was Kinder in diesen Rollen sehen. Bei Indianer dachte ich früher auch an Winnetou. Der ein oder andere Indianer wird Winnetou, Karl May, aber womöglich bescheuert finden, wenn auch Winnetou als edler, ehrenhafter Held dargestellt wurde. Und ja durchaus die Weißen die das Land Einnahmen, in diesen Filmen in der Regel eher als die Bösen verstanden wurden. Mir jedenfalls ging es so, als ich als Kind diese Filme sah. Es gibt klar Dinge, die gehören sich heute nicht mehr und zeugen von Rassismus: "Wer hat Angst vor'm schwarzen Mann...?" Völker all... Aber welches Kind hat das geschnallt? Ich zumindest bildete mir eine schwarze Gestalt ein, eher so wie ein Gespenst. Erst als Erwachsener grübelte ich nach, wie rassistisch dieses Kinderspiel ist, von der Grundschule... Also sicher ist es auch wichtig, über solche Sachen nachzudenken. Aber man sollte nicht in jedem Kind einen Rassisten sehen, weil es sich dunkel anmalt und einfach Spaß dabei hat. Und im Erwachsenenkarneval sollten völlig grenzwertige Darstellungen wie Hakennasen, Krake über dem Globus usw. weggelassen werden. Die Erwachsenen müssen es eben vorleben. Die Kinder ziehen schließlich auch nicht in den Krieg...

    • @Motz Christian:

      Mit dem "schwarzen Mann" war übrigens kein Dunkelhäutiger gemeint, sondern der "schwarze Tod", nämlich die Pest. Hat also mit Diskriminierung wenig zu tun, sondern tatsächlich eher mit Ihrer Gespenster-Fantasie.

    • @Motz Christian:

      Man sollte sich einfach darum kümmern, dass diejenigen sanktioniert werden, die wirklich geringschätzend, hasserfüllt oder gar gewalttätig gegenüber anderen Kulturen oder Hautfarben sind.

      Diesen Beitrag finde ich wertvoll, weil er die Sache mal differenziert angeht und klarstellt, dass nicht jede Verkleidung eine Verunglimpfung ist. Solche Pauschalvorwürfe hat man in den letzten Jahren oft gehört und hat gesehen, wie damit die ganze Diskussion um Rassismus an Ernsthaftigkeit verloren hat.

      Natürlich gibt es auch zur Fastnacht echten Rassismus, gegen den man vorgehen muss. Zum Beispiel die heftig antisemitischen Darbietungen, die zur Streichung des Karnevals im belgischen Aalst von der UNESCO-Welterbeliste geführt haben. In dem Fall kann ich die Empörung nachvollziehen. Bei Verkleidungen als Jim Knopf oder Winnetou aber eher nicht.

  • Endlich ein Artikel zu dem Thema, dessen Argumentation ich absolut logisch finde.



    Sehr gut.

  • 1.ooo Dank für diesen ausführlichen und meiner Meinung nach inhaltlich sehr richtigen Kommentar an Brigitte Schmidt.



    Ich selbst bin Tochter einer Migrantin, die mit 25 Jahren nach Deutschland kam und mit 84 hier gestorben ist. Als Kind war ich zu Fasching abwechseld Prinzessin, Indianerin und alle zwei Jahre in traditionellen türkischen Kostümen unterwegs. Mir ist die Vielfalt wichtig - nur eine deutliche Distanz zu allem, was mit vererbten Privilegien zu tun hat, habe ich im Lauf meines Lebens angeeignet.

  • Sie sollten nicht die Gedankenwelt eines Erwachsenen auf Kinder projizieren.



    Mir ist jedenfalls nicht erinnerlich, dass wir danach nicht wieder miteinander gespielt hätten oder anderen den Garaus machen wollten. Im Spiel andere Welten nachvollziehen. Gut gegen Böse. Und warum soll ich als Indianer der Böse sein, da wehr ich mich doch.



    Reflexion scheinen sie Kindern wohl nicht zuzutrauen.

    • @APO Pluto:

      Kommentar ist für @SMARAGD, unten 22.00 Uhr, bestimmt.

  • Gehen Sie mal von folgendem Fakt aus: unserer gesamten Gesellschaft liegen rassistische Zwischentöne zugrunde. Sie sehen diese nicht immer, sofern Sie zur weißen Bevölkerungsgruppe gehören (oder als solche durchgehen).

    Es geht um Privilegien und Deutungshoheit, um Machtgefälle und auch um Höhrenwollen.

    Wenn meine Kinder Kostüme von Indianern anziehen möchten, dann kann ich das gut verstehen, kann aber auch erklären, dass amerikanische Ureinwohner ("Indianer") bis heute, in dieser Sekunde, noch immer massiver Gewalt und struktureller Unterdrückung und Benachteiligung ausgesetzt sind. Nichts ist daran aufgearbeitet. Da muss es einem doch als blanker Hohn vorkommen, wenn ein weißer Mensch daher kommt und sich z.T. bedeutsame Symbole überzieht um damit lustig umherzuwackeln. Symbole, die zu großen Teilen für die Bevölkerungsgruppe selbst noch immer verboten sind zu tragen.

    Bekommen Sie da nicht einen fahlen Geschmack auf der Zunge?

    Ebenso mit "black face"-Make Up. Ein Klassenraum weiter sitzt das Kind mit dunkelbrauner Haut, das systemisch und seit seiner Geburt zu spüren kriegt, dass es nicht okay ist, diese Haut zu haben, diese Verwandschaft zu haben - und nebenan sitzt das weiße Kind und pinselt sich das Gesicht mit brauner Farbe an, findet das lustig und schminkt sich nach einem Tag wieder ab.

    Wie können Sie das in Ordnung finden, nur damit "Kinder Kinder sein können"? Ich halte viel von Mitgefühl, Einfühlungsvermögen. Es ist möglich Kindern zu erklären, wie sich Menschen fühlen, wenn ihre Geschichte, ihre Kämpfe und ihr Schicksal als Kostüm getragen werden. Aus ihrer Perspektive ist es Bewunderung, die zur Wahl des Kostümes führt. Für Betroffene ist es das nicht. Und da kommt die Sache mit der Deutungshoheit ins Spiel.

    Was kostet Sie und auch unsere Kinder es, sich ein anderes schönes Kostüm auszusuchen, was niemanden verletzt und noch weiter herabwürdigt?

    Nichts. Garnichts. Außer mal das eigene Ego herunterzuschlucken.

    • @Johanna Thalheim:

      Ich finde Sie haben durchaus Recht damit, wie sie argumentieren. Insbesondere die Vorstellung, dass marginalisierte Gruppen ihre Symboliken nicht offen tragen können (ohne Repressionen oder Anfeindungen spüren zu müssen) , bzw. allein aufgrund ihres Aussehens benachteiligt oder gefährdet werden und nun genau die Gruppe, die an der systematischen Unterdrückung beteteiligt ist sich diese Merkmale "zum Spaß" überstülpt, hallt nach. Deutlich wird es auch, wenn man sich vorstellt, dass Kinder mit dunklerer Haut, die Option sich zu "whitefacen", weil sie bspw. Prinzessin Elsa sein wollen, ( und dafür nicht ausgelacht oder angefeindet werden) per se nicht zur Verfügung steht. Man kann sich sicherlich auch als Jim Knopf verkleiden, ohne sich schwarz anzumalen. Gerade wenn man argumentiert, dass Kindern die Hautfarbe eigentlich egal sei- wozu also dann das Makeup.



      Und ich bin auch der Meinung: Was man nicht bespricht wird auch nicht aufgearbeitet. Nicht umsonst fällt es vielen Erwachsenen so schwer, ihre rassitischen Stereotype zu reflektieren, weil sie eben auf genau die selbe "spielerische" Art damit aufgewachsen sind und diese Verhaltensweisen und Annahmen nun sozusagen hardcoded sind. Machen wir es der nächsten Generation doch einfacher diskriminierungsärmer zu leben.

    • @Johanna Thalheim:

      Danke fuer diesen Kommentar!



      Die ausschliesslich weisse Perspektive im Artikel und in den meisten Kommentaren und das Fehlen jeglichen Verstaendnisses fuer das, was Rassismus ist und wie er sich auf Betroffene auswirkt ist erschreckend...

      • @Florian der Dritte:

        Können Sie Ihre Definition von Rassismus kurz und allgemein formulieren, damit alle im Bilde sind? Danke.

    • @Johanna Thalheim:

      'Ich gehe davon aus, dass Sie - auf Ihre "einfühlsame" Art natürlich - Ihren Kindern ebenfalls verbieten, sich als Pirat (das waren Mörder, Vergewaltiger etc.), Römer (dito),.Wikinger (Dito), Prinz/Prinzessin (Unterdrücker), Katze etc. (Opfer von Tierexperimenten), Hexe (Hexenverbrennungen) zu verkleiden?



      Und was wäre eigentlich (3 Beispiele würden mir genügen) bei Ihrer Art von "Einfühlsamkeit" erlaubt?

      • 9G
        97760 (Profil gelöscht)
        @Kaboom:

        Dinosaurier, Marsmensch, Mann im Mond, Neptun( ohne 3 Zack), Sandmännchen, ...

        • @97760 (Profil gelöscht):

          Alle fleischfressenden Dinosaurier waren "Massenmörder". Der Marsmensch ist in der jüngeren Geschichte ein Synonym für die Bedrohung der USA durch die bösen Kommunisten. Der Mann im Mond ist lt. Brüdern Grimm die Bestrafung dafür, Gottes Befehl nicht gehorcht zu haben. Neptun? Der neben seiner Frau eine Geliebte hatte, mit der er 5 Kinder zeugte? Und das Sandmännchen? Anderen Sand in die augen streuen um sie gefügig zu machen? Na hören Sie mal ....

        • @97760 (Profil gelöscht):

          Dinosaurier? Ausgestorben wegen prähistorischen Klimawandel. Angesichts des gegenwärtigen Artensterbens no-go.



          Marsmensch? Speziesismus in Reinstform



          Mann im Mond? Genderisierend.



          Neptun ? Fällt mir gerade nichts ein. Ok, Neptun geht. Mars und Venus schon wieder nicht, wegen Gender-Stereotypisierung

        • @97760 (Profil gelöscht):

          "Dass Intention kein Kriterium ist bei der Beurteilung ob eine Handlung oder Aussage rassistisch ist, ist zwar im anti-rassistischen Diskurs ein alter Hut"

          An dem Punkt wo der Hut so 'alt' ist, dass er als nicht mehr diskutabel gilt, ist dann nur leider der Diskus auch kein Diskurs mehr, sondern ein Dogma.

    • @Johanna Thalheim:

      So detailgetreu sind doch Fastnachtskostürme in der Regel gar nicht, dass es sich um "bedeutsame Symbole" handeln könnte. Man kann natürlich pauschal drauf los urteilen, dass Verkleidung grundsätzlich Verunglimpfung wäre. Oder man sieht sie als Mittel der Solidarisierung. Spielerisch in eine andere Haut zu schlüpfen, kann durchaus förderlich sein zur Entwicklung von Empathie. Gerade wenn es sich um die Haut eines Vertreters einer benachteiligten Gruppe handelt. Da sind andere Verkleidungen schon problematischer. Wenn man sich anschaut wie auf der Kinderfastnacht die pistolentragenden Cowboys mit den Indianern umspringen, dann würde ich eher das Cowboykostüm verbieten.

    • @Johanna Thalheim:

      Wie schwer ist es eigentlich für Sie, „mal das eigene Ego herunterzuschlucken“? Sehr schwer offenbar. Wieso sonst hätten Sie ausgerechnet in diesem Kontext dermaßen absolut argumentiert?

      „Gehen Sie mal von folgendem Fakt aus: unserer gesamten Gesellschaft liegen rassistische Zwischentöne zugrunde. Sie sehen diese nicht immer, sofern Sie zur weißen Bevölkerungsgruppe gehören (oder als solche durchgehen).“ Das sind Ihre Worte, werte*r J.T.. Fällt ihnen was auf beim Nochmal-Lesen? nein, nichts? Fällt Ihnen nicht auf, dass Sie - natürlich nur in aller bester Absicht - argumentieren wie ein beliebiger Rassist?

      Sie sprechen einer ganzen Menschengruppe aufgrund eines einzigen äußerlichen Merkmals (helle Haut) die Fähigkeit ab, a) mitzufühlen und b) vernünftige Schlüsse aus der eigenen Wahrnehmung zu ziehen. Wieso?

      Würde ich schreiben, dass „Rothäute“ unfähig sind, hellhäutige Pazifisten oder Veganer als gleichwertige Menschen zu behandeln, nur weil indigene Gesellschaften früher überwiegend vom Jagen, Sammeln und (ja, auch das) Kriegführen gelebt haben, würde ich mir vermutlich umgehend einen sogenannten Shitstorm zuziehen. Zu recht. Nur leider nicht von einer „Rothaut“ ausgelöst, sondern von einem „Bleichgesicht“, das glaubt, im Namen der unfähigen „Rothaut“ ins Feld ziehen zu müssen.

      Ja, unsere Gesellschaft hat grundlegende Probleme, die nicht unbedingt von jedem, der daran beteiligt ist, reflektiert werden. Eins davon ist die Unsitte, Menschen nicht für sich selbst sprechen zu lassen. Und zwar auch dann nicht, wenn sie deutlich älter sind als 5 oder 8 Jahre. Denn schließlich: Würde jedes Mitglied der menschlichen Spezies in die Lage versetzt, mit gleichen Chancen am Diskurs teilzunehmen, wäre der sogenannte Distinktionsgewinn (bei Bedarf bitte bingen) minimal. Und was würde dann aus den vermeintlich nicht ausreichend gewürdigten Egos all der weißen, schwarzen, braunen oder gelben Opfer patriarchisch-autoritär verbogener Vorgängergenerationen?

    • @Johanna Thalheim:

      wenn man das Leben nur als Kampf wahrnimmt und Menschen nach Gruppenzugehörigkeit einteilt, dann haben Sie vielleicht Recht. Ich dachte es ginge darum, dieses Gruppendenken zu überwinden.

  • Als ich als achtjähriger das Buch "Begabt mein Herz an der Biegung des Flusses" gelesen hatte, Geschenk vom Opa, war ich von dem Buch so schwer beeindruckt, dass ich voller Überzeugung als Indianer verkleidet zum Karneval ging. Das waren meine Helden, denen großes Unrecht angetan wurde und mit denen ich mich solidarisieren wollte.



    Lasst die Kinder in Ruhe ihren Spaß haben solange keine Bösartigkeit im Spiel ist. Die kommt dann eher von den Eltern die das Kostüm absegnen. Über die Hintergründe lernen sie noch genug im Leben. Artet es mal aus, kann man behutsam eingreifen und darüber reden. Lasst die Kinder Kinder sein.

  • Kein Kind verkleidet sich freiwillig als eine Person, für die sie nicht große Sympathien hegt.

  • Jo,



    "Nachahmung ist die höchste Form der Anerkennung"



    (Autor mir unbekannt)

    • 8G
      84935 (Profil gelöscht)
      @Wagenbär:

      Tante G meint: von Oscar Wilde

      • @84935 (Profil gelöscht):

        Oh, vielen Dank für die Aufklärung :)

  • 8G
    84935 (Profil gelöscht)

    Gut argumentiert, Danke!

  • Ah was. " Ein Kind, das sich als Batman verkleidet," würde gern vermögende Vollwaise.

  • Na endlich! Taz-Leser*innen mussten ziemlich lange warten auf so etwas wie Pluralismus in der Kostümfrage.

    Auch ich glaube, dass das Alter eine Rolle spielt bei der Frage, was Kostüme ausdrücken. Kleine Kinder sehen ihre Helden meiner Ansicht nach tatsächlich noch als Individuen und Vorbilder. Sie sind zur Ironie genau so wenig fähig wie zur Abstraktion. Wenn sie sich kostümieren, dann weil sie eine bestimmte Rolle spielen wollen. So, wie sie in Mutters Schminkkasten greifen, in ihre Pumps steigen und sich ihre Schals umwerfen, so, wie sie Vaters Werkzeugkoffer in einer Holz- oder Plastik-Version mit sich herumschleppen, so setzen sie sich eine Federkrone auf oder eine Lockenperücke.

    Ihre Art der Aneignung hat nichts mit Ausbeutung zu tun, sondern nur etwas mit Bewunderung. Das, allerdings, wird nie begreifen, wer für die Kinder gar kein Interesse aufbringt. Weil er entweder total auf den eigenen Bauchnabel fixiert ist, oder aber auf die paar echten Arschlöcher, die aus allem und allen einen Haufen Sch... äh: Abfall machen können (und auch wollen).

    Ja, es gibt viel Mist in der Erwachsenenwelt. Aber das ist kein Grund, schon den Kleinsten (und deren Eltern) zu unterstellen, dass sie sich allesamt missbrauchen lassen bzw. hassen. Kinder haben ein Recht darauf, unbeargwöhnt aufzuwachsen. Denn was soll werden aus einem jungen Menschen, wenn man ihm schon im zarten Alter von sechs oder acht Jahren misstraut bzw. das Schlimmste unterstellt? Im besten Fall wird er womöglich zur beleidigten Leberwurst, die es nicht erträgt, wenn die Welt sich nicht in erster Linie um ihre emotionalen Wehwehchen kümmert. Im schlimmsten Fall aber entwickelt er sich vielleicht zum durchgeknallten Sportschützen, der sich ums Verrecken nicht hineinversetzen will in Menschen, die nicht blond, schlank und blauäugig sind. Weil da nie ein schwarzer, brauner oder gelber Held gewesen ist in seinem Kinderkopf bzw. -herz. Oder nur einer, der ihm eine Tracht Prügel eingetragen hat.

    • @mowgli:

      Danke für diesen Kommentar!

  • „Denn Indianerkostüme – genau wie alle anderen Kostüme, die Bezug auf nichtweiße Menschen nehmen – bekämpfen Rassismus.“

    Jein. In manchen Situationen mögen sie helfen, Rassismus zu bekämpfen – in anderen verstärken sie ihn nur. Das gilt vor allem dann, wenn die weißen Erwachsenen, die die betreffenden Kinder begleiten, sich ihrer eigenen Vorurteile nicht bewusst sind. Viele People of Color beklagen sich, dass es ihnen schwer fällt, gerade auch progressive Weiße auf fragwürdige Bemerkungen und Verhaltensweisen hinzuweisen; dass wir keineswegs so offen sind, wie wir das gerne glauben würden.

    Gerade lese ich das Buch „White Fragility“ von Robin DiAngelo, das im Mai auch auf Deutsch erscheinen wird („Wir müssen über Rassismus sprechen“). Es schockiert mich, realisieren zu müssen, dass auch mir der Rassismus stärker in den Knochen steckt, als ich dachte. Deshalb kann ich an dieser Stelle nur dazu raten, in dieser Hinsicht sehr vorsichtig zu sein. Allen weißen Eltern, die Indianerspiele für nicht grundsätzlich problematisch halten, kann ich das Buch nur sehr empfehlen. Acht von fünf Sternen.

    Außerdem ist Ihre Argumentation lückenhaft: die Kinder, die Kleider ihrer anderen Heimat als Kostüm wählen, zeigen damit einen anderen Teil ihrer Identität. Wenn sich dann die beste Freundin dem anschließt, ist das etwas Anderes, als wenn Kinder sich als Indianer verkleiden (außer Sie haben Kinder mit echtem Indianer-Hintergrund in der Klasse). Und Kinder, die sich als Jim Knopf das Gesicht schwarz anmalen, haben durchaus so viel mit Rassismus zu tun, wie ihre Eltern sich desselben nicht bewusst sind.

    Es geht keinesfalls nur um die Frage, ob Kinder und ihre Eltern andere Kulturen ins Lächerliche ziehen WOLLEN. Klar wollen sie das nicht. Man kann aber auch Schaden anrichten, ohne das zu wollen. Alfred Nobel hätte das Dynamit bestimmt nicht erfunden, wenn er sich vorher bewusst gemacht hätte, was man aus seiner gut gemeinten Forschungsarbeit machen könnte.

    • @Smaragd:

      Welcher Schaden entsteht , wenn ein Kind als "Indianer" zum Karneval geht.



      Und Welcher Schaden entsteht wenn wir unseren Kindern bei bringen das "der Wichtigste" oder zumindest ein Wichtiger Faktor für die Identität eines Menschen etnische Merkmale Sind ?

      • @Dezimalrentner:

        Wenn ich Sie richtig verstehe, unterstellen Sie, dass wir Schaden anrichten, wenn wir unseren Kindern beibringen, dass ethnische Merkmale ein wichtiger Faktor für die Identität eines Menschen sind.

        Genau das ist einer der Punkte, die DiAngelo in dem empfohlenen Buch kritisiert: Wir Weißen sehen uns einfach nur als Menschen und als Individuen. Das Merkmal „Rasse“ schreiben wir nur den anderen zu. Die anderen sehen wir als Teil einer Gruppe, uns selbst als Individuen. Dabei sind die anderen genauso individuell verschieden wie wir. Wir sind selber aber auch ein Teil einer Gruppe, nämlich der Weißen, und die profitiert noch heute von Privilegien, die andere eben nicht haben.

        @Franco: Und das ist auch das Problem bei Ihrer Argumentation: Natürlich würden unterschiedliche indigene Nordamerikaner genau diese Frage unterschiedlich beantworten. Die einen fühlen sich vielleicht geehrt, andere stört es. Menschen sind verschieden. Es gibt auch Frauen, die eisern zu Donald Trump halten. Das heißt aber nicht, dass sein Verhalten und seine Sprüche nicht frauenfeindlich wären.

        Mich als Frau kotzt es inzwischen ziemlich an, dass ich, wenn ich mich über das Fehlverhalten von Männern beschwere, dauernd den Ratschlag bekomme, ich solle mir doch ein dickeres Fell zulegen. Manche Menschen sind sensibler, andere weniger. Solange es aber noch Menschen gibt, die verzweifelt genug sind, sich umbringen zu wollen, ist es Zeit, dass der Rest der Welt sensibler wird, und eben gerade nicht, dass sich die Sensiblen ein dickeres Fell zulegen!

        Das ist das Problem: Menschen, die zu privilegierten Gruppen gehören, seien es nun Männer, Weiße oder wer auch immer, tun sich schwer damit, den Mitgliedern weniger privilegierter Gruppen ihre Sensibilität zuzugestehen. Und die ist nun mal individuell verschieden.

        • @Smaragd:

          ihre Ansicht lehne ich ab. Man kann nicht den allersensibelsten und dessen mögliche Verletztheit zum Maßstab nehmen, weil sich sonst die anderen in einem extremen Maße einschränken müssten, obwohl es in den allermeisten Fällen gar nicht nötig wäre - weil der Gegenüber gar nicht so sensibel ist.

          Der Rat, nicht alles pesönlich zu nehmen und mal fünfe gerade sein zu lassen ist sehr gesund.

    • @Smaragd:

      Aber woher soll man denn nun wissen ob es Indigene Nordamerikaner beleidigend finden wenn sich in Europa Kinder so kleiden wie sie? Vielleicht würden sie sich sogar geehrt fühlen dass diese Heranwachsenden so inspiriert sind von ihrer Kultur dass sie sich gerade für ein solches Kostüm entscheiden.

      Wenn man Schaden anrichtet ohne es zu wollen kann man sich entschuldigen und den Schaden wieder gutmachen (oder zumindest versuchen). Ich halte es für absolut Katastrophal wenn man sich in seinem Verhalten darauf fixiert bloß keine Befindlichkeiten zu verletzen die man nicht kennt, die man nicht vorhersehen kann und die noch nicht mal konsistent sind (Ein Tag findet jemand etwas verletzend, am nächsten Tag nicht mehr.). Damit schränkt man sich zu sehr ein. Und ob das förderlich ist gegen Rassismus wage ich auch zu bezweifeln.

    • @Smaragd:

      Danke für die Literaturempfehlung!



      Bei allen Diskussionen um kulturelle Aneignung etc. sollte man jedoch einen anderen, für mich den zentralen, Punkt nicht vergessen, und das ist der sozioökonomische Status der beteiligten Gruppen. Wenn die diesbezügliche Ungleichheit zwischen den Gruppen aufgehoben bzw. erstmal verringert ist, dann spielen solche Fragen, als was man sich verkleiden kann, auch keine große Rolle mehr. Und es ist die Frage, was sich ändert, wenn sich weiße Deutsche nur noch als einäugige Germanen verkleiden, aber nicht mehr als "Indianer"?

  • Dieser Artikel ist besser alles alles andere, was ich hier zu diesem Thema gelesen habe!

  • Es ist eben wichtig zu differenzieren. Es liegt ein weites Feld dazwischen sich als weißer Deutscher Dreads machen zu lassen und stürmergleiche jüdische Karikaturen mit Geldsäcken im Fasching zu präsentieren. Wenn das Indianerkostüm aus einer Auseinandersetzung mit (einer bestimmten) nordamerikanischen Indigenenkultur hervorgeht, oder auf Einladung einer Klassenkameradin, kann ich das Argument des Artikels nachvollziehen. Winnetou ist andererseits eben das verklärte Klischee eines "vanishing Indian" und "edlen Wilden." und daher schon problematisch. Aber andererseits vielleicht der Anstoß zu einer ernsthaften Auseinandersetzung mit native Americans. Sag ich jetzt mal als jemand, der in der Grundschule fast immer Klischee-Indianer war.

    • @hessebub:

      Dass der "edle Wilde" zum Klischee geworden ist, liegt eigentlich nur daran, dass zeitweise einige mutige Schriftsteller gewagt haben, einen Gegenpol zum Klischee des beinahe tierhaften Menschenfressers zu schaffen. Auch wenn's unsachlich ist, kann man das Klischee vom "edlen Wilden" aus den genannten historischen Gründen nicht als rassistisch motiviert auffassen, im Gegenteil.

      • @Ein alter Kauz:

        Kommt drauf an, ob man damit gleichzeitig den bösen weißen Mann und seine verderbte Zivilisation abwertet.

  • Informierter und sachlicher Artikel, der den ganzen Unsinn der 'cultural appropriation' der Identitätspolitik aufscheinen läßt. Danke an die Autorin, bitte mehr davon in der TAZ!

    Die Idee, daß bestimmte Kulturelemente bestimmten Gruppen gehören, ist völlig geschichts- und realitätsfremd.

    Und überhaupt: Wo wäre die Menscheit, hätte sie nicht immer schon eifrigst voneinander 'kopiert'. Es ist gerade die Stärke der Menschen, (evolutionär) adaptiert zu sein zu kulturellem Lernen - nonhumane Primaten sind noch primär adaptiert zu individuellem Lernen.

  • Chapeau!



    Den Artikel unterschreibe ich sofort.



    Wirklich excellent auf den Punkt gebracht.

  • Endlich ein vernünftiger Artikel zu dem Thema.

  • Ich finde es fraglich, ob Spaßveranstaltungen den richtigen Rahmen bieten, um die äußeren Merkmale von unterjochten, versklavten, verdrängten, diskriminierten und marginalisierten Völkern zur Schau zu tragen. Wo wird der Schmerz, das Leid und der noch immer währende Rassismus thematisiert? Wie muss es den Natives und Nachfahren dieser Völker gehen, wenn sie stereotype Kostüme auf rauschvollen Festen der weißen Kolonisatoren sehen.

  • Das ist eine schöne heile Welt, in der Weiße leben, die einfach ihr Gesicht anmalen und ein Kostüm anziehen können. Und wenn Karneval dann rum ist, zieht man das Kostüm wieder aus. Was für eine Superkraft, die hätten viele von Rassismus Betroffene auch gerne.



    By the way: Auch Karl Mays Bild vom "Edlen Wilden" ist rassistisch.

    Ja, Anderssein ist großartig und es ist gut das Kindern beizubringen, es ist gut ihnen diverse Vorbilder zu geben. Aber wir müssen ihnen auch beibringen, dass der Horizont der weißen Erfahrungen Grenzen hat. Dass es Erlebnisse gibt, die sie niemals nachfühlen oder einsortieren können, weil sie als Weiße in einer weißen Gesellschaft niemals Zielscheibe von Rassisten sind. Diese Grenze nicht sehen zu können birgt die Gefahr, Rassismus nicht ernst zu nehmen und selber rassistisch zu werden.

    • @malone:

      Die meisten Kinder verkleiden sich ja nicht nur im Fasching/Karneval sondern machen das ganze Jahr über Rollenspiele.

      Und sie "spielen" dann nicht Indianer, Burgfräulein, Ritter, Polizist, Ärztin, Tiger oder was auch immer sondern sie werden zu dieser Person oder Tier.

      Erwachsene dürfen hier einfach nicht ihre eigenen Maßstäbe ansetzen. Genauso wie bei emotionalen, physischen und verbalen Reaktionen von Kindern.

      Und meiner Meinung nach sollten sich alle Menschen, die sich von Taten oder Aussagen anderer beleidigt oder angegriffen fühlen auch selbst hinterfragen, ob es sich wirklich um einen unangemessenen Angriff handelte oder einfach nur eine andere Meinung oder gar berechtigte Kritik ist. Das betrifft jegliche Art von Angriff/Diskriminierung - sei es rassistisch, religiös, nach Geschlecht oder einfach nur eine zwischenmenschliche Meinungsverschiedenheit. Wobei es sicherlich menschlich ist, dass jemand, der häufig einer bestimmten Art von Diskriminierung ausgesetzt ist, zwischenmenschliche Begegnungen durch diese Brille sieht und dann etwas als z.B. als rassistisch einstuft, was gar nicht so gemeint ist.

    • @malone:

      "weil sie als Weiße in einer weißen Gesellschaft niemals Zielscheibe von Rassisten sind"

      Och - Rassisten sind da flexibel, schließlich sind ja auch Juden Weiße. Ein Pole in England nach der Brexit-Abstimmung kann das durchaus nachfühlen.

      • @R R:

        "schließlich sind ja auch Juden Weiße"

        Das ist so nicht richtig, als Beta Israel ist man in der Regel nicht "weiß" und trotzdem Jude.

    • @malone:

      ".. Dass es Erlebnisse gibt, die sie niemals nachfühlen oder einsortieren können, weil sie als Weiße in einer weißen Gesellschaft niemals Zielscheibe von Rassisten sind. .."

      Widerspruch, die meisten Menschen sind durchaus in der Lage sich in andere Menschen einzufühlen, das nennt sich Empathie. Es besteht eine große Gefahr der Spaltung wenn man dies nicht erkennt und fördert.

      Statt Kindern einzureden sie könnten ja nicht verstehen wie sich anfühlt einer anderen Ethnizität anzugehören, sollte man genau Verständnis in diese Richtung fördern indem man sie zusammenbringt und Erfahrungen austauschen lässt.

      • @Franco:

        zumal sich Kinder auch nicht aussuchen, dick zu sein oder rote Haare und sehr blasse Haut zu haben und dafür ggf. auch geärgert werden - Empathie hat man oder hat sie nicht - und kann sich daher in Menschen einfühlen, die dafür, dass sie an irgendeinem Punkt anders sind, ausgegrenzt oder benachteiligt werden. Kinder haben oft ein gutes Gerechtigkeitsempfinden und können sich über solche Ungerechtigkeit sehr empören oder traurig werden - egal welche Hautfarbe sie haben.

    • @malone:

      ich bin immer wieder bass erstaunt unter was für einem krass verzerrten Weltbild manche Leute leiden. Das Rassismus abzulehnen ist brauchen sie einem 4 jährigen Kind nicht zu erklären, es spielt im Kindergarten ganz selbstverständlich mit Kindern aller Hautfarben und hat, wenn nicht die Eltern daran arbeiten, keine Vorurteile. Die bekommt es erst später mit. Aber versuchen Sie einmal diesem 4- jährigen etwas vom "Horizont weißer Erfahrung" zu erzählen wenn es im Kaufhaus unbedingt ein Indianerkostüm haben will. Da möchte ich Sie gern mal mit ihren Erklärungskünsten sehen. Kleiner Tipp, wenn Sie es nicht schaffen dem Kind begreiflich zu machen, sollten Sie noch einmal überprüfen wieviel Substanz ihr Argument hat.

    • @malone:

      Pitpit Pat hat schon das meiste geschrieben, vielleicht noch eine Ergänzung. Grundsätzlich hat jeder Mensch erst mal nur den Horizont seiner eigenen Erfahrungen. Es gibt Museen, die versuchen, vergangene Welten vorzustellen (wie mühsam das Leben z.B. noch war, wie schmerzhaft eine Zahn-OP).

      Selbst ein Schwarzer in den USA kann heute nicht mehr "erfahren", wie ein Sklave gelebt hat, zum Glück.

      Wie sehr man sich einfühlen kann, hängt dann vom Individuum ab.

      PS: toller Artikel

    • @malone:

      Der "Horizont der weißen Erfahrung [hat] Grenzen."

      Der Horizont ist abhängig von der Beobachterposition. Mit anderen Worten: Bewegt sich der Beobachter, bewegt sich auch der Horizont.

      Obendrein haben wir Menschen Phantasie und Einfühlungsvermögen, die uns andere Horizonte aus den Schilderungen anderer Beobachter erfahren lassen können.

      Die Bedingungen und Quellen der eigenen Erkenntnis nicht bestimmen zu können, birgt deshalb meines Erachtens die Gefahr, Rassismus nicht ernst zu nehmen und selber rassistisch zu werden.

      Wie Sie sehen, sind wir uns in einer Sache auf jeden Fall einig: Wir halten es beide für ein großes Problem ;)

    • @malone:

      Kinder machen noch keine "weißen" Erfahrungen, es sei denn, sie werden von Bezugspersonen auf das "Weiß-sein" getrimmt.



      Spätestens in der Grundschule ist auch für die "Weißen" eine Minderheitserfahrung rassistischer Art möglich oder je nach Wohngegend sogar wahrscheinlich.



      Und "Grenzen" erkennen Kinder nicht durch Tabus und strikte Verbote, sondern durch Lernen und Erfahrungen.



      Was wollen Sie uns eigentlich sagen?



      Dass die "weißen" Kinder am Besten nicht durch etnische Eskapaden auffallen sollten und im Umgang mit "Nicht-Weißen" IMMER gaanz vorsichtig sein müssen? Na, wenn das mal nicht rassistisch ist.



      Darf ein "weißes" Kind ein Trikot von Boateng tragen, obwohl der "halbweiß" ist, oder ist das rassistisch?



      Darf ein "weißes" Kind mit seinen "nichtweißen" Freunden deren Kinderlieder singen oder ist das eine rassistische kulturelle Aneignung?



      Darf ein "nicht-weißes" Kind mit seinen "weißen" Freunden deren Kinderlieder singen oder muss es sofort darauf aufmerksam gemacht werden, dass es ein Onkel-Tom-Syndrom zeigt?

      Disclaimer: Von mir benutzte, in anderen Kontexten rassistische Begriffe wie "nicht-weiß", "halbweiß", "weiß" oder "Onkel-Tom-Syndrom" sind als sarkastische Antwort auf einen in sich rassistischen, weil extrem übertriebenen Antirassismus verwendet. Rassistisch deshalb, weil der Hintergedanke dieses Antirassismus ist, dass "die" sich nicht selbst artikulieren oder gar wehren können und "man" es deshalb für "sie" ansprechen und umsetzen muss.

      • @Saccharomyces cerevisiae:

        gute Fragen, die den Wahnwitz der Identitätspolitik vor Augen führen. Gerade Kinder denken in der Regel überhaupt nicht in solchen Kategorien, sie spielen mit dem, den sie mögen (was sich auch manchmal tageweise unterscheiden kann) und bestimmt nicht nach Hautfarbe sortiert. Die Identitätspolitik führt eine Trennung herbei, statt dieses Gemeinsamkeit zu fördern.

    • @malone:

      Sie sollten nicht die Gedankenwelt eines Erwachsenen auf Kinder projizieren.



      Mir ist jedenfalls nicht erinnerlich, dass wir danach nicht wieder miteinander gespielt hätten oder anderen den Garaus machen wollten. Im Spiel andere Welten nachvollziehen. Gut gegen Böse. Und warum soll ich als Indianer der Böse sein, da wehr ich mich doch.



      Reflexion scheinen sie Kindern wohl nicht zuzutrauen.

      • @APO Pluto:

        Zitat: "Reflexion scheinen sie Kindern wohl nicht zuzutrauen."

        Reflektieren ist eine Fähigkeit, die Kinder erst im Laufe ihrer kognitiven Entwicklung erlernen. Ein Fünfjähriger ist eher noch impuls- und bedürfnisgetrieben.

    • @malone:

      Gut gesprochen.

      Die Kinder könnten ja auch als "Zehn Kleine Negerlein" gehen und damit dem antirassistischen und antikolonialistischen Kampf der Schwarzen ein Gesicht geben.

  • Schöner Artikel, vielen Dank.

    Der Hauptpunkt ist offenbar die Sympathie des Kostümierten gegenüber der mit dem Kostüm bestimmten Gruppe.



    Kann also ganz einfach auch für Erwachsene gelten.

    • @Marius:

      Übertragen auf den Karneval im belgischen Aalst, wäre das dann die Sympathie der Narren für die Juden:

      taz.de/Antisemitis...5661310&s=belgien/

      Weil das ja ganz einfach auch für Erwachsene gelten kann.

      • @Jim Hawkins:

        Quod licet Iovi, non licet bovi ;).



        Wenn zwei dasselbe tun, ist es nicht unbedingt das gleiche.

        Ein wichtiger Punkt, wenn auch nicht der einzige, Handeln einzuordnen und beurteilen, ist die Motivation des Handelnden. Wenn ein erwachsener Mensch sich bewusst dafür entscheidet, aus Gründen der Anerkennung und Bewunderung sich ein "Indianer"-Kostüm anzuziehen, dann ist das wohl etwas anderes, als wenn antisemitische Klischees unhinterfragt reproduziert werden, nur weil man das immer schon so gemacht habe.



        Man kann natürlich auch eine Regel aufstellen und sagen, bis 14 sind "ethnische" Kostüme in Ordnung, danach nicht mehr. Aber ist das tragbar? Um Rassismus zu erkennen und bloßzustellen, reicht es nicht, jemanden einer bestimmten Handlung zu zeihen. Diese Handlung muss konkret weltanschaulich untermauert sein. Das ist natürlich bei Einzelpersonen schwer nachzuweisen und bei rassistischen Einstellungen gibt es auch nicht nur die Werte 1 und 0, sondern viele Zwischenstufen und Abwandlungen von offenen rassistischen Einstellungen bis hin zu habituellen Resten ohne Niederschlag im Denken und Fühlen. Daher darf der Rassismusvorwurf nicht leichtfertig gemacht werden. Dies ändert aber nichts an der Tatsache, dass man in der Gesellschaft als Ganzes ein Rassismusproblem feststellen kann.

        • @Marius:

          OK, die Breitseite war etwas zu heftig, sorry.

          Und natürlich ist die Sache mit den Kostümen der Kleinen (und manchmal auch der Großen) nicht das größte rassistische Problem in diesem Land.

          Dennoch: Man kann mit Kindern sprechen, mit ihnen diskutieren, ihnen Dinge erklären, warum denn nicht?

          Vor zwanzig Jahren sagte man noch unreflektiert "Mohrenköpfe" und "Negerküsse", heute beharren nur noch eher stumpfere Zeitgenossen auf den Gebrauch dieser Worte.

      • @Jim Hawkins:

        dort geht es wohl eher nicht um die Kostüme, sondern die Wagen, die auch wenig Sympathie wiederspiegeln.

  • Dem Artikel liegt die Annahme zugrunde, Rassismus sei nur dann ein Problem, wenn er gewollt ist. Das kommt zwar aufgeklärt und vernünftig daher, steht aber der Aufarbeitung und Bekämpfung von Rassismus entgegen. Erster Schritt als weißer Mensch sollte doch das Aufgeben der Deutungshoheit darüber sein, was als rassistisch gilt und was nicht, und die Bereitschaft, auch für Verletzungen Verantwortung zu übernehmen, die nicht beabsichtigt waren. Schade dass die taz so einfach hinter diese Erkenntnis zurück fällt. Ob der Artikel durch gekommen wäre, wenn die Redaktion mehrheitlich aus BIPoC bestünde?

    • @Lurkus:

      Es geht nicht um Deutungshoheit sondern um klare und allgemeingültige Definitionen. Alles andere kann (und wird) als rechtfertigungsfreies Machtspielzeug mißbraucht werden.

    • 8G
      80576 (Profil gelöscht)
      @Lurkus:

      Wenn mir als Weissem grundsätzlich die Befähigung abgesprochen wird, beurteilen zu können, was rassistisch ist, wie kann ich dann noch mein Handeln nicht-rassistisch ausrichten? Das wird dann prinzipiell unmöglich. Also mache ich mich permanent (potentiell) schuldig, ohne irgend eine Chance, daran etwas zu ändern. Welche Haltung soll man da einnehmen? Vorsorglich immer im Büßerhemd herumlaufen, weil man ja unmöglich wissen kann, wann man mal wieder Rassist ist?

    • @Lurkus:

      jedem Menschen ist Verstand und Urteilskraft gegeben um sie zu benutzen und nicht abzugeben. Das gilt auch für Weiße. Rassismus und alle Arten von Chauvinismen finden sich übrigens auch unter Nichtweißen. Dass Urteilskraft von Mensch zu Mensch unterschiedlich ausgeprägt ist, ist ein universales Problem. Und sicher hat niemand Deutungshoheit exklusiv, da würden wohl alle widersprechen.

    • @Lurkus:

      Dann frag doch mal bitte ein kleines Kind welches sich als Indianer verkleidet hat warum es das Kostüm ausgesucht hat.

      Oder frag doch mal ob es sich anmaßt die Deutungshoheit darüber zu besitzen was rassistisch ist.

      Ich finde richtig was der Artikel zum Ausdruck bringen will, wenn dann tatsächlich von den Erziehenden auch zu Reflektion angeregt wird. Ich kann mir gut vorstellen dass das dann Rassismus eher entgegenwirkt.

      Und was auch immer BIPoC sind, ich hoffe diese sind nicht gegen mehrheitlich gegen Meinungsfreiheit. Denn das hier ist immer noch ein Kommentar und man kann sich gerne über dessen Inhalt streiten. Ich finde die Kommentare von Dominic Johnson auch immer zum K*****, aber ich würde sie nicht verbieten wollen.

    • @Lurkus:

      Die POC sind da teilweise viel entspannter als die sich zu deren Vormundschaft berufen fühlenden weißen mittelschichts-SJWs.

    • @Lurkus:

      Nein, dem Artikel liegt die Annahme zugrunde, dass Sympathie und Einfühlen wollen kein Rassismus sind. Wie viele Indianer oder Schwarze fühlen sich denn durch solche Kinderkostüme verletzt? Und wieso soll genau dieser kleine Teil die Deutungshoheit haben und nicht die vielen anderen, die sich nicht verletzt fühlen?

  • "Ein Indianerkostüm ist ein Ausdruck der Sympathie mit den unterdrückten indigenen Völkern Amerikas bei gleichzeitiger Ablehnung des Handelns der weißen Europäer."

    Das ist genau das, was mir durch den Kopf ging, als ich mit sieben mein erstes Indianerkostüm bekam.

    • @Jim Hawkins:

      Natürlich nicht in dem Wortlaut, aber genau das hat man doch aus den Erzählungen gelernt, dass die bösen Weißen die Indianer unterdrückt und ermordet haben. Und das fanden die meisten echt scheisse.

    • @Jim Hawkins:

      Im Artikel wird das Buch "Fliegender Stern" als bestimmender Kontext genannt. Das hatten SIe seinerzeit vermutlich nicht gelesen.



      Finden Sie es denn nicht plausibel, dass Kinder, die sich nach solcher Lektüre für ein Indianerkostüm entscheiden, tatsächlich die von der Autorin genannten Motivationen haben?

    • @Jim Hawkins:

      Und ich dachte, du hättest, um mit @Malone zu sprechen, bereits im Kindergarten reflektiert, „dass der Horizont der weißen Erfahrungen Grenzen hat. Dass es Erlebnisse gibt, die sie niemals nachfühlen oder einsortieren können, weil sie als Weiße in einer weißen Gesellschaft niemals Zielscheibe von Rassisten sind.“

      • @Berter:

        Das fing erst an, als ich acht wurde.

        • @Jim Hawkins:

          Genau das ist der Punkt. Man muss doch kleinen Kindern in allen möglichen Bereichen zugestehen, die Welt etwas einfacher wahrzunehmen. In einem ersten Schritt sollte die Empathie geweckt werden. Später fällt es dann auf fruchtbareren Boden, wenn die Komplexität dazukommt und sie lernen, dass ein Pubertierender/Erwachsener vielleicht kein Indianerkostüm mehr tragen sollte...

        • @Jim Hawkins:

          Wir wurden einfach nicht früh und oft genug ermahnt, unsere Privilegien zu checken, damals im finsteren zwanzigsten Jahrhundert.



          Ich bin ja sowas von dankbar, mit neun aus der weißen Gesellschaft wenigstens für eine Weile rausgenommen worden zu sein, ja ja.

  • Danke für diesen Artikel.

    Ich konnte es nie in Worte fassen, warum ich Kinderkostümierungen nie falsch finde.

  • Ein sehr treffender Artikel. Gut, dass Sie das Thema mal aufgreifen und auch diese Sichtweise mal darstellen. Ich stimme Ihnen zu 100% zu.