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Verhüllungsverbot am LenkradKeine Ausnahme für Muslimin

Eine muslimische Frau wollte mit Verweis auf die Religionsfreiheit die Erlaubnis, mit Niqab Auto zu fahren. Damit ist sie nun vor Gericht gescheitert.

Das Verhüllungsverbot soll die nicht sprachliche Kommunikation im Straßenverkehr sicherstellen Foto: imago

Münster afp | Eine muslimische Autofahrerin hat keinen Anspruch auf eine Befreiung vom Verhüllungsverbot am Lenkrad mittels Ausnahmegenehmigung. Das Verhüllungsverbot sichere unter anderem die Erkennbarkeit von Fahrern bei automatisierten Verkehrskontrollen, entschied das Oberverwaltungsgericht (OVG) Nordrhein-Westfalen in Münster am Freitag laut einer Mitteilung.

Der Berufungsklage der Frau wurde aber teilweise stattgegeben, weil die zuständige Straßenverkehrsbehörde die Ablehnung der Ausnahmegenehmigung bislang nicht fehlerfrei begründet hatte. Sie soll deshalb erneut über den Antrag entscheiden.

Die Muslimin aus Neuss bei Düsseldorf wollte mit ihrer Klage anerkannt bekommen, dass sie per Ausnahmeregelung mit einer Gesichtsverschleierung Auto fahren darf. Dabei zielte sie darauf, mit einem sogenannten Niqab zu fahren, der nur die Augen erkennen lässt. Das Verhüllungsverbot hält die Klägerin wegen Verstoßes gegen ihre Religionsfreiheit für verfassungswidrig. In erster Instanz scheiterte sie mit ihrer Klage vor dem Verwaltungsgericht Düsseldorf.

Laut Straßenverkehrsordnung darf beim Autofahren das Gesicht nicht so verdeckt sein, dass es nicht mehr erkennbar ist. Ausnahmegenehmigungen sind aber möglich. Sie können etwa „individuelle Belange“ berücksichtigen, wie das OVG erklärte. Eine solche Ausnahmegenehmigung beantragte die Autofahrerin. Die Bezirksregierung Düsseldorf lehnte den Antrag aber ab.

Abwägung der Güter

Wie das OVG erklärte, soll mit dem Verhüllungsverbot gesichert werden, dass ein Mensch am Steuer erkennbar ist und somit seine Identität bei automatisierten Verkehrskontrollen festgestellt werden kann. „Außerdem schützt es die Rundumsicht des Kraftfahrzeugführers“, erklärte das Gericht weiter.

Damit dient das Verbot im Vergleich zur Religionsfreiheit dem Schutz hochrangiger Güter wie Leben oder Gesundheit. Die Religionsfreiheit könne demgegenüber keinen allgemeinen Vorrang beanspruchen.

Die Begründung der Bezirksregierung für die Ablehnung verfehlte laut Gerichtsurteil aber diesen Verbotszweck. Die Behörde begründete ihre Ablehnung damit, dass das Verhüllungsverbot die nicht sprachliche Kommunikation im Straßenverkehr sicherstellen soll, was mit einem Niqab nicht gewährleistet sei. Die Annahme der Behörde, dass ein Niqab die Rundumsicht beeinträchtige, treffe „in dieser Allgemeinheit“ nicht zu. Davon habe sich der Senat in der mündlichen Verhandlung überzeugen können.

Daneben wies das Gericht darauf hin, dass die Behörde bislang nicht berücksichtigt habe, inwiefern das Führen eines Fahrtenbuchs die Identitätsfeststellung des Fahrenden alternativ sichern könnte. Die Behörde soll deshalb nochmals über den Antrag entscheiden. Die Revision wurde nicht zugelassen. Dagegen kann Beschwerde zum Bundesverwaltungsgericht eingelegt werden.

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37 Kommentare

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  • Das ist meiner Meinung nach völlig in Ordnung. Das Auto - solange sie alleine darin ist - ist ja ein abgegrenzter Raum, in dem sie eigentlich nicht verschleirt sein muss. Sinnhaftigkeit religöser Riten mal nicht diskutiert.

    Spannend wäre, ob nicht auch übergroße Sonnenbrillen, bei denen man die Augen und nicht unerhebliche Teile des Gesichts nicht sehen kann, dann nicht auch fragwürdig sein sollten.

    • @Jalella:

      Aus allgemein hoffentlich einleuchtenden Gründen sollte das Gesicht eines Autofahrers, der am öffentlichen Verkehr teilnimmt, immer sicht- beziehungsweise erkennbar sein. Die Identität jedes Menschen, der am öffentlichen Leben teilnimmt oder sich im öffentlichen Raum bewegt, hat, sichtbar und feststellbar zu bleiben. Und nichts macht das Gesicht so unkenntlich wie eine komplette Verschleierung, dessen, auch keine übergroße Sonnenbrille.

  • Sorry aber da fehlt sogar mir als sehr toleranter Menschen das Verständnis.



    Da muss sie sich entscheiden ob sie ein Auto selber fahren will oder ihr Gesicht verhüllt. Beides geht einfach nicht. Punkt.

  • Wenn jemand begründet, auf Grund seiner Religion verhüllt ein Auto führen zu können, braucht er auch keine Fahrerlaubnis. Er kann sich doch auch gleich auf die Religionsfreiheit berufen. Mein Gott lenkt!

    Scheiß Opium!

    • @Ach Mensch:

      Ach was! ©️ loriot 💯💯💯

      Mit Allah? Mach Bosse!



      Wie auf dem 🚲 - merke wir sind in MS!



      Gilded auch im PKW - “Keine 2 am Lenker/Steuer!“ Woll - 🙀🧕🥳😂 -

  • taz: *Eine muslimische Frau wollte mit Verweis auf die Religionsfreiheit die Erlaubnis, mit Niqab Auto zu fahren. Damit ist sie nun vor Gericht gescheitert.*

    Wahrscheinlich ist sie damit gescheitert, weil der Richter den Wortlaut von 'Sure 24' kennt und darin ein Verhüllungsverbot für muslimische Frauen nicht erkennen kann: "Und sag den gläubigen Frauen, sie sollen ihre Augen niederschlagen, und ihre Keuschheit bewahren, den Schmuck, den sie tragen, nicht offen zeigen, soweit er nicht normalerweise sichtbar ist, und ihre Tücher über ihren Busen ziehen."

    In Sure 24 steht etwas davon, dass man als gläubige muslimische Frau seinen Busen bedecken und mit dem Schmuck nicht so "protzen" soll. Daraus allerdings eine komplette Verschleierung (z.B. Niqab) abzuleiten, oder auch "nur" die Pflicht ein Kopftuch tragen zu müssen, kann man wohl als Meisterwerk der Interpretationskunst ansehen. Letztendlich liefern solche Klagen den AfD-Politikern nur wieder die "Munition", damit die AfD gegen Muslime hetzen kann. Schade, dass das weder Muslime erkennen, noch die 'Linken' (ich bin ja auch einer), die wohl das von Männern gewaltsam durchgesetzte 'Kopftuchgesetz' im Iran auch gerne mal vergessen.

    • @Ricky-13:

      Grundsätzlich darf Jeder glauben, was er will und dafür soviel Religionsfreiheit verlangen wie jeder Andere auch - also auch in den selben Grenzen. Was dieser oder jener Klerus davon dogmatisch hält, ist sekundär.

    • @Ricky-13:

      Genau hier wäre eine tiefe Begründung leicht schnell mal eben möglich gewesen. Das Gericht hätte der Frau auferlegen können, ihre Art der Verhüllung als besonders islamisch zu beweisen. Oder ist es nicht vielmehr ein kultureller Spleen, den kleine Gruppen innerhalb des Islam pflegen, während die meisten anderen Frauen sich mit weit weniger Verhüllung begnügen.

      • @Christoph Strebel:

        "Oder ist es nicht vielmehr ein kultureller Spleen, den kleine Gruppen innerhalb des Islam pflegen"

        --> und damit haben Sie dann selbst den Anwendungsbereich der Religionsfreiheit bewiesen. Die Religionsfreiheit schützt nämlich nicht nur den jeweiligen religiösen Mainstream, sondern gerade die religiösen Minderheiten.

        Deshalb ist auch der Niqab von der Religionsfreiheit geschützt, eben weil er der "religiöse Spleen einer Minderheit ist". Nur wird auch die Religionsfreiheit nicht vollständig schrankenlos gewährleistet, sondern sie endet dort (wie jedes individuelle Recht) wo es mit den Rechten anderer kollidiert.

        Genau diese Abwägung unterschiedlicher (Grund-)Rechte verlangt das OVG hier richtigerweise von der Behörde.

      • @Christoph Strebel:

        So sehe ich das auch, denn mit der islamischen Religion hat es ja nichts zu tun, wenn man sich die 'Sure 24' mal durchliest. In unserem freien Land können die muslimischen Frauen ja herumlaufen wie sie wollen, nur sollten sie das nicht als Vorschrift ihres Glaubens den Leuten weismachen.

        (Fehler in meinem obigen Kommentar): *... und darin ein Verhüllungsverbot ...* - Es muss natürlich 'Verhüllungsgebot' heißen.

  • Gutes Urteil.

  • Gut so, jeder hat sich an geltendes Recht zu halten, auch Muslime.

  • Leider dokumentiert dieses Urteil einmal mehr die (Integrations) Unwilligkeit der deutschen Gerichtsbarkeit, sich mit dem Islam sachlich-faktisch Auseinanderzusetzen.

    Es wäre richtig, in der Beweisaufnahme eine Sachverständige, einen Sachverständigen zum Thema zu hören.

    Dabei käme heraus: Der Islam, der Koran schreibt keine Kleiderordnung präzise vor, noch das er Musliminnen auftrüge Schleier, Kopftuch, Hijab zu tragen.



    Somit ist die Religionsfreiheit in der Sache nicht berührt.

    Berührt ist eine bestimmte Auslegung des Korans /Islams, den sich Männer ausgedacht haben, so der Koran "vorschreibt" seine körperlichen Reize zu bedecken.



    Solche Vorschriften gibt es auch in Auslegungen anderer Religionen. Sind aber nicht bestimmend für die allgemeingültige Auslegung der Religionen.



    Schreibt mir meine Auslegung von Christentum - was immer- vor nackig durchs Leben zu laufen, gebietet die Religions- Glaubensfreiheit mir das nicht zu verbieten. Aber Strassenbahn kann ich dann halt in der Öffentlichkeit nicht fahren. Bäckereifachverkäufer geht so auch nicht.

    • @Elise Hampel:

      Mit der Religionsfreiheit wäre es nicht weit her, wenn der Staat es übernähme, religiösen Menschen zu erklären, was sie bei "richtiger" theologischer Einschätzung zu glauben haben und was nicht.

    • @Elise Hampel:

      Richtig. Und eine bestimmte Auslegung der Märchen, die von Männern zur heutigen Bibel zusammengetragen wurde, rechtfertigt für unseren Staat die verfassungswidrige Ungleichstellung von Frauen in der katholischen Kirche. Und unser Staat subventioniert diese Kirche noch. Gleiches Recht für alle? Alle Tiere sind gleich, manche sind gleicher.

      • @Jalella:

        Da haben Sie einen sehr wichtigen Punkt. Allerdings sollte die Schlussfolgerung dieser Ungleichbehandlung nicht sein, dass man allen Religionen die gleichen staatlichen Rechte gibt, wie dem Christentum, sondern das auch das Christentum/Kirche komplett aus dem Staatsgeschehen, von Zuwendungen sowie politische Partizipationsmöglichkeiten, komplett entwurzelt werden.

        Das ist mit einer Partei, die schon im Namen mit konservativem Christentum Politik macht in einem solch heterogenen und pluralistischen Land, wie D, natürlich schwierig, obwohl die Mehrheit der Deutschen die Christlichkeit von Merz oder Söder nicht teilt

  • Religionsfreiheit nicht verstanden.

    Ich bring ma nen extremes Beispiel: Religion sagt man soll Menschen töten und essen.



    Ja danke, obvious dass die Religionsfreiheit nicht meint, dass alles woran geglaubt wird deswegen andere Gesetze einfach überschreibt. Religionsfreiheit meint man darf seine Religion leben wie man Bock hat solange sich die Handlungen allesamt innerhalb der restlichen Gesetze bewegt.

  • Die Religionsfreiheit steht vielleicht im Grundgesetz , das Recht auf Autofahren aber nicht. Dementsprechend, wer sich nicht an die Regeln halten will, kann nicht Auto fahren…

  • Aber bei der Beschneidung steht die Religionsfreiheit über der Würde des Menschen und dem Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit. Warum das noch nicht vom Bundesverfassungsgericht einkassiert wurde, verstehe ich nicht.

    • @Bird:

      Die Ungleichbehandlung von Frauen durch die kath. Kirche wird nicht nur nicht verboten, sondern sogar steuerlich subventioniert.

    • @Bird:

      Ist ein heikler Punkt. Dem Post-Shoah Deutschland fällt steht es nicht wirklich zu der jüdischen Community eines ihrer zentralen Rituale zu verbieten.

    • @Bird:

      Ich auch nicht.

  • "nicht sprachliche Kommunikation", ja kann ich gut nachvollziehen.



    Kann man bei der Gelegenheit auch stark getönte oder gar verspiegelte Sonnenbrillen verbieten?



    Sowie, den Kopf komplett hinten in einer überdimensionierten Gangsta-Rapper-Kapuze zu verstecken?

    • @Chr66:

      Schlimmer noch, dunkel getönte Scheiben. Als Radfahrer muss man immer sicher gehen können, ob die Fahrer nicht gerade mit ihrem Mobiltelefon spielen oder sonstwie abgelenkt sind. Überlebenswichtig.

  • Es ist wichtig und richtig solche Dinge wie das Verhüllungsverbot im Strassenverkehr umfassend zu behandeln.

    Auf dem Motorrad herrscht Helmpflicht.



    In der kälteren Jahreszeit trage ich darunter eine dünne Mütze + Halstuch.



    Wurde noch nie beanstandet - in 30 Jahren nicht.

    Würde es helfen, wenn die gute Frau einfach Moped fährt anstatt Auto? ;)

  • Eigentlich ist es völlig egal ob es ihr erlaubt wird oder nicht, sie fähret auch nach eigenen Angaben ohne Genehmigung vollverschleiert.

    www.wr.de/incoming...t-vor-gericht.html



    Miriam Mohammad fährt derweil mit dem eigenen Auto heim – vollverschleiert. „Ohne Sondergenehmigung“, sagt sie, „aber bald mit.“

  • Da sollte die Straßenverkehrsordnung generell mal nachgeschärft werden, weil das vor allem auch die Sicht beeinträchtigt. Neben solchen Gesichtsmasken auch die Sicht behindernde Kopftücher, Frisuren und ins Gesicht gezogene Hoodiekapuzen und Sonnenbrillen in der Dunkelheit verbieten. Es geht hier um die Sicherheit der anderen Verkehrsteilnehmer, da kann es keine Kompromisse geben und wenn man meint aus religiösen oder modischen Gründen seine Sicht einzuschränken bleibt immer noch der ÖPNV oder das Taxi.

  • Warum sollten Menschen die an höhere Wesen oder Geister glauben anders behandelt werden?

  • "Eine muslimische Frau wollte mit Verweis auf die Religionsfreiheit die Erlaubnis, mit Niqab Auto zu fahren. Damit ist sie nun vor Gericht gescheitert."

    Ja was denn sonst? Schlimm genug, dass die erste Instanz nicht inde Lage war, diese Binse fehlerfrei zu begründen und das ganze nun noch einmal verhandelt werden muss.

  • Der Niqab ist - auch in der muslimischen Welt anerkannt - kein Teil der Religion, sondern Teil der kulturellen Identität. Letztere wird nicht vom Grundgesetz geschützt. (Punkt)

    • @Michael Dietrich:

      Die Frau hat es aber Kohärenz religiös begründet.

      Sie wird auch ein paar Werke muslimischer Würdenträger vorgelegt haben, die den Niqab gut finden.

      Das genügt dem Richter.

      Koranexegese betreibt er nicht.

      • @rero:

        Dann hätte die Gegenpartei ein paar von den zahlreichen islamischen Gutachten aus den höchsten Institutionen vorlegen sollen, die es für haram halten, dass Frauen überhaupt Auto fahren.

  • Gleiches Recht,gleiche Pflicht für alle

    • @Syltfreund:

      Dann müssen alle individuellen Belange aus der Verkehrsordnung gestrichen werden.



      Wäre schön gewesen zu erfahren, welche Belange da bisher schon zu einer Ausnahmeregelung geführt haben.

      • @Herma Huhn:

        Zum Beispiel Kylian Mbappé mit seiner Nasenbeinbruchschonungsmaske...

      • @Herma Huhn:

        Wäre schön interessant gewesen. Ggf. bei Verbrennungen/Entstellungen oder medizinisch notwendige Masken?

      • @Herma Huhn:

        Geschätzte - noch schöner - jedenfalls für mich als exAltgesellen: die Damen und Herren Oberrichter in heiligen Hallen des OVG MS - beim gerichtsfeststellend: “Die Annahme der Behörde, dass ein Niqab die Rundumsicht beeinträchtige, treffe „in dieser Allgemeinheit“ nicht zu.



        (&Däh!;) Davon habe sich der Senat in der mündlichen Verhandlung überzeugen können.“ 🧕🧕🧕🧕🧕 -

        Ach was! - 🙀🥳🌚🤣😇 -



        Dat wüßt ich ever. Da mähtste nix! Woll



        Na aber Si’cher dat!



        Normal

        Scheunen Sündach ook