Umstrittene Kuppel des Humboldt Forums: Palast der Fußnoten
Die kontroverse Kuppel des Humboldt Forums in Berlin lässt sich jetzt aus der Nähe betrachten. Von dort zeigt sich deutlich, was falsch an ihr ist.
Auf der Straße Unter den Linden in Berlin ist es wieder voll, die Touristen scheinen zurück. Am Samstag bogen nicht wenige ab zum Humboldt Forum. Denn erstens ist es neu eröffnet, zweitens der Eintritt noch frei, und drittens konnte man zum ersten Mal auf die Dachterrasse mit einem guten Blick auf den Lustgarten, den protzig-hässlichen Berliner Dom und die Hochhäuser der Leipziger Straße. Unten an den Aufzügen stand man Schlange, aber wer oben war, bewies Lokalkenntnis und machte den Stadtbilderklärer.
Aus der Terrasse erhebt sich die Kuppel mit einem goldenen Kreuz und einer Inschrift, die jetzt gut lesbar und furchtbar ist. Sie ist die Krönung der Falschheit auf einem Gebäude, dessen Fassade eben nur das ist, Fassade, historisches Zitat, die nicht mit den inneren Funktionen übereinstimmt.
Der Förderverein Berliner Schloss trat für die Wiedererrichtung der Kuppel ein – obwohl sie eine spätklassizistische Zutat zu dem ursprünglich barocken Schloss war – private Sponsoren zahlten. Auch für die goldenen Buchstaben auf blauem Grund mit der Botschaft: „Es ist in keinem andern Heil, ist auch kein anderer Name den Menschen gegeben, denn in dem Namen Jesu, zur Ehre Gottes des Vaters. Dass im Namen Jesu sich beugen sollen aller derer Knie, die im Himmel und auf Erden und unter der Erde sind.“
Für alle die Kritiker des Humboldt Forums, die den dahin gezogenen ethnologischen Sammlungen vorwerfen, sich mit den dubiosen Erwerbspraktiken ihrer Bestände zu Kolonialzeiten viel zu wenig auseinandergesetzt zu haben, ist dieser christliche Propagandaspruch Wasser auf ihre Mühlen.
Lieber Preußen als die DDR
Da hilft es auch nur kosmetisch, dass eine Tafel angebracht werden soll, auf der sich, wie Hans-Dieter Hegner, Technikvorstand des Humboldt Forums bei einem Pressetermin sagte, „alle Institutionen im Humboldt Forum ausdrücklich von dem Allgemeingültigkeits- und Herrschaftsanspruch des Christentums“ distanzieren.
Überhaupt ist das Humboldt Forum ein Palast der Fußnoten, die auf die Vorgeschichte am Ort verweisen, den umstrittenen Abriss des Palastes der Republik und den Entscheid für die Rekonstruktion des Stadtschlosses, die zusammen betrachtet ergeben, sich lieber an Preußen zu erinnern als an die DDR. Kleine „Flashbacks“, Bilder, Piktogramme, Texte und Videos halten dagegen.
Vor dem neu eröffneten Café Baret auf dem Dach erinnert ein Video an das Eiscafé aus dem Palast der Republik, der für seine Gaststätten berühmt war. Ein Flashback führt zurück zur Zwischennutzung des Palastes, als zwischen 2003 und 2005 Kulturprojekte im entkernten Gehäuse auftraten, darunter die Einstürzenden Neubauten und Sasha Waltz, um das Potenzial einer Nutzung aus den Kunstszenen der Stadt zu skizzieren.
Das Humboldt Forum wird noch lange schwer an den vielen Fehlentscheidungen seiner Entstehung – politischen, ideologischen und architektonischen – zu tragen haben.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Bis Freitag war er einer von uns
Elon Musk und die AfD
Die Welt zerstören und dann ab auf den Mars
Anschlag in Magdeburg
Der Täter hat sein Ziel erreicht: Angst verbreiten
Bankkarten für Geflüchtete
Bezahlkarte – rassistisch oder smart?
Tarifeinigung bei Volkswagen
IG Metall erlebt ihr blaues „Weihnachtswunder“ bei VW
Bundestagswahl 2025
Parteien sichern sich fairen Wahlkampf zu