Tote in Gaza: Wie viele Menschen wurden getötet?
Die humanitäre UN-Abteilung zählt knapp 35.000 Tote. Jetzt heißt es, dass nur 25.000 identifiziert sind. Es fehlen Angaben zu 11.200 Frauen und Kindern.
Die Zahl der Menschen, die in Gaza getötet wurden, beläuft sich im neuesten Ocha-Update vom vergangenen Freitag auf 34.904 Menschen. Als Quelle dieser Zahlen von „berichteten Todesfällen“ gibt der Bericht das Gesundheitsministerium in Gaza an. In diesem Update schreibt die Ocha aber nicht mehr nur von 34.904 „berichteten“ Todesfällen, sondern schlüsselt das erstmals auf: es gebe 24.686 „identifizierte“ Getötete, davon 4.959 Frauen, 7.797 Kinder, 10.006 Männer und 1.924 Alte. Als Quelle ist das Ministerium für Gesundheit in Gaza angegeben, der Stichtag ist der 30. April.
Vor einigen Tagen hatte ein Telegram-Kanal des „Palästinensischen Gesundheitsministerium in Gaza“ vier Tabellen veröffentlicht, die für diese Angaben die Grundlagen liefern. Sie zeigen im Detail unter anderem die Namen, Ausweisnummern und Alter aller identifizierten Getöteten bis zum 30. April. Frauen und Kinder und ältere Menschen sind jeweils in eigenen Listen dokumentiert, die vierte zeigt die gesamten Todesfälle. Nach Angaben der Dokumente wurden demnach insgesamt 24.682 Tote in Gaza identifiziert, davon 4.960 Frauen, 7.796 Kinder und 1.924 ältere Menschen.
Damit wird deutlich, dass die palästinensischen Behörden und die UN von über 10.000 nicht identifizierten Toten ausgehen – und darunter besonders viele Frauen und Kinder. Noch in ihrem Update vom 6. Mai hatte Ocha die Zahl der getöteten Frauen und Kinder unter den über 34.000 „berichteten“ Toten mit jeweils „über 9.500“ und „über 14.500“ angegeben. Dabei bezog sie sich auf die Medienbehörde des hamaskontrollierten Gebietes. Somit waren von den „berichteten“ Todesfällen rund 70 Prozent Frauen und Kinder.
Tausende weitere Tote sollen unter Trümmern liegen
In der geringeren Zahl der „identifizierten“ Getöteten liegt nun der Anteil der Frauen und Kinder bei 53 Prozent. Die Differenz zwischen den beiden Angaben beträgt somit bei den Frauen etwa 4.500, die der Kinder 6.700, zusammen also etwa 11.200. Das übersteigt die Differenz von etwa 10.000 Menschen zwischen den über 34.000 Toten insgesamt und den über 24.000 tatsächlich identifizierten Toten.
Unterschiede zwischen „berichteten“ und „identifizierten“ Todesfällen sind in Kriegsgebieten nicht ungewöhnlich. Im Falle Gaza wird das meist mit dem zeitintensiven Gegenprüfen mit dem Zivilregister der Palästinensischen Autonomiebehörde begründet. Nach Angaben von Ocha sowie der Autonomiebehörde sollen zusätzlich Tausende weitere Tote unter den Trümmern der bei Luftschlägen zerstörten Häuser liegen.
Immer wieder haben Medien über statistische Anomalien in den Todeszahlen aus Gaza berichtet. Die Nichtregierungsorganisation Action on Armed Violence (AoAV) erklärte im März: Die Qualität der Daten habe mit dem Fortlauf des Krieges nachgelassen. Das liege unter anderem an der stetigen Zerstörung des Gesundheitssystems in Gaza, so AoAV: Die meisten Krankenhäuser sind nicht mehr funktional. Die Todeszahlen bauen aber unter anderem auf den Angaben von Krankenhäusern und Ärzten auf.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Debatte um SPD-Kanzlerkandidatur
Schwielowsee an der Copacabana
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus
Papst äußert sich zu Gaza
Scharfe Worte aus Rom
BSW und „Freie Sachsen“
Görlitzer Querfront gemeinsam für Putin
Wirtschaftsminister bei Klimakonferenz
Habeck, naiv in Baku
Hype um Boris Pistorius
Fragwürdige Beliebtheit