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Selbstzerstörung der FDPDie Luft wird jetzt auch für Lindner dünn

Cem-Odos Gueler
Kommentar von Cem-Odos Gueler

Das Ende der Ampelkoalition und der Rücktritt des FDP-Generalsekretärs sind nicht nur strategische Desaster der Partei. Sie sind auch eine kommunikative Schmach.

Christian Lindner (FDP) äußert sich am 20.11.2024 zur Ampel-Ausstiegsstrategie Foto: Christoph Soeder/dpa

D as Ende der Bundesregierung hatte sich die FDP internen Plänen zufolge ganz anders vorgestellt. Die Liberalen wollten die Koalition in Trümmern sehen („D-Day“), um im Wahlkampf, der in der Partei als „offene Feldschlacht“ bezeichnet wurde, wie ein Phoenix aus der Asche zu steigen. Doch statt des sehnlichst herbeigewünschten Aufstiegs befinden sich die Liberalen im freien Fall, wie FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai am Freitag mit seinem Rücktritt demonstrierte.

Es ist der wahr gewordene Albtraum von falscher politischer Strategieplanung. Die Parteizentrale hatte das Ende der Bundesregierung durchdekliniert und wollte „aus einer Position der Stärke und Entschlossenheit“ die Koalition aufkündigen. Alles stand schon fest: Das Narrativ, ein Zeitpunkt, sogar eine Rede für den Parteichef lag vor. „Der Richtungsstreit in der Bundesregierung ist selbst zum größten Standortrisiko für unser Land geworden. Deshalb muss diese Bundesregierung jetzt enden“, sollte Christian Lindner zum geplanten Ende des Regierung zwischen dem 4. und 10. November sagen.

Der Schuss ging bekanntermaßen nach hinten los, als Olaf Scholz Lindner mit dessen Entlassung zuvorkam. Lindner stand deshalb am Abend des 6. November mit leicht geröteten Augen und einem hastig formulierten Manuskript im Reichstagsgebäude und sagte: „Sein genau vorbereitetes Statement von heute Abend belegt, dass es Olaf Scholz längst nicht mehr um eine für alle tragfähige Einigung ging, sondern um einen kalkulierten Bruch dieser Koalition.“

Die Liberalen leugnen weiterhin, die Bundesregierung aktiv hintertrieben zu haben. In seiner Rücktrittserklärung beteuerte Djir-Sarai, von den Plänen seiner Partei zum Ampel-Aus nichts gewusst zu haben. Dabei sollen sie von seiner rechten Hand, dem FDP-Bundesgeschäftsführer Carsten Reymann, verfasst worden sein, der kurz nach dem Generalsekretär ebenfalls seinen Rücktritt bekannt gab.

Die Ablaufpyramide aus der Parteizentrale ist längst zum Meme geworden

Neben dem strategischen Desaster ist das Ende der Bundesregierung auch eine kommunikative Schmach für die Liberalen. Die Veröffentlichung der „Ablaufpyramide“, mit der in der Parteizentrale der „D-Day“ skizziert wurde, ist längst zum Meme geworden. Zuvor hatte der Generalsekretär immer bestritten, dass dieses martialische Wording gesetzt wurde.

Daneben zeigt sich ein grundsätzlicher Widerspruch, den nun Christian Lindner klären sollte. Er hat die FDP innerhalb der Bundesregierung erst als Gegengewicht zu SPD und Grünen positioniert, um dann dem Glauben zu verfallen, die inhaltlichen Probleme der FDP lassen sich allein strategisch lösen: durch einen Ausstieg aus der Ampel.

Es sind die Worte der Chefin der Liberalen Jugendorganisation, Franziska Brandmann, die auch die Luft für den Parteichef dünn werden lassen: Sowohl die Öffentlichkeit als auch die eigene Partei müsse den Eindruck gewinnen, „über Wochen hinweg getäuscht worden zu sein“. Und: „Das gilt auch für mich, auch ich wurde getäuscht.“

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Cem-Odos Gueler
Parlamentsbüro
Berichtet seit 2023 als Korrespondent im Parlamentsbüro der taz unter anderem über die FDP und die Union. Studium der Sozialwissenschaften und Volkswirtschaftslehre in Köln, Moskau und London.
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18 Kommentare

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  • Die SPD hat nachweislich das Ende der Ampel in gleicher Weise insgeheim vorbereitet. Der neue Finanzminister wusste von seiner Ernennung schon lange bescheid. Dies ist Aktenkundig.

    Letztendlich bleibt der Tatbestand, dass die FDP uns drei Jahr vor dem Schlimmsten bewahrt hat und uns final dann von dem Elend erlöst hat.



    Man kann sich sicher sein, dass ein großer Teil der Bevölkerung dieser Partei es zu Danken weiss und ihr damit über die 5% hilft.

  • Es braucht nicht viel Intelligenz, um zu verstehen, dass dieses FDP-Vorgehen weiteren Schaden an unserer Demokratie hinterlässt. Gerade in Zeiten, in denen Demokratiefeinde die Lüge und die Kompromisslosigkeit als selbstverständliches Konzept betreiben.



    Auch wenn man es schon vermuten konnte, macht es mich trotzdem fassungslos, wie diese an Intelligenz nicht armen FDP-Politiker diesen Schaden billigend in Kauf nehmen.

  • Das kommt dabei heraus wenn man eine Partei mit der Reife eines Kindes mit permanentem Trotzanfall führt.

  • Ladies and Gentlemen, einen kräftigen Applaus an die FDP!

  • Also eigentlich war das doch spätestens ab dem Sommer für Alle offensichtlich, dass die F.D.P. nur noch destruktiv unterwegs war.

  • Wenn der Anstand in der Politik nachweislich unter ihren Akteuren leidet oder untergeht, dann ist es höchste Eisenbahn für die Demokraten im Lande Konsequenzen zu ziehen.

  • Die Gurkentruppe lässt sich von Mathias Döpfner im Aufzug des Springer-Hauses nach ganz unten fahren.



    Augen auf beim Ankreuzen, liebe Jung- und Erstwähler und auch gelegentlich taz lesen ;-)

  • Christian L., der mit scharfer Stimmlage Andere gekonnt sezieren vermag, nun dastehend mit abgesäbelten Hosenbeinen, fragend wie das denn geschehen konnte und das ganz blass! Sowas endet eben so.

  • Gerade als ich dachte, aus der Politik kommen nur noch schlechte Nachrichten, beschert uns die FDP gute Nachrichten. Wenn jetzt noch Lindner...

  • „Die Veröffentlichung der ,Ablaufpyramide‘, mit der in der Parteizentrale der ‚D-Day‘ skizziert wurde, ist längst zum Meme geworden.“



    Die Ersteller*innen der Präsentation dieser „Ablaufpyramide“ haben sich bei der Arbeit vermutlich vor Lachen auf die Schenkel geklopft.



    Sie stellten sich vor,



    Das sei der Humor



    Eines Herrn Reserve-Major.



    de.wikipedia.org/w...il-_und_Wehrdienst



    „Er führt den Dienstgrad Major der Reserve.“

  • In Summe: Mindestens zwei verlorene Jahre konstruktiver Politik.



    Dem "regierungsinternen" Oppositionsführer Lindner sei Dank

    • @Thüringer:

      Ja, leider

  • Die FDP und ihre Vorsitzenden haben bekanntlich eine Neigung zu Selbstüberschätzung, Scheitern und Theatralik im Abgang. Man mag sich u.a. an Jürgen Möllemann und Guido Westerwelle. Lindner, der heldenhafte Retter der FDP, wird die Liberalen wieder dorthin führen, wo er sie einst abholte: in die außerparlamentarische Bedeutungslosigkeit.

  • Während der Ampel hatte die FDP 4%.



    Jetzt hat die FDP 4%.



    Linke Medien könnten die FDP noch nie leiden.



    Linke Wähler wählen auch keine FDP.



    So?

  • Christian Lindner wusste nichts von dem Ausstiegspapier? Nun, der FDP-Whistlerblower, der die Presse mit Informationen versorgt, weiß es vielleicht.



    Und die FDP-Spitzenpolitiker, die sich in kleiner Runde über das Ausstiegspapier beugten. Packt nur einer aus, ist nicht nur Lindners Partei-Karriere zu Ende. Shakespeare hätte seine Freude an den Kabalen der FDP.

  • Wer soll Lindner das glauben, wenn er heute behauptet, das Papier nicht gekannt zu haben ? Wie bei SPD und Grünen: Immer nur Bauernopfer für eine falsche Politik.

  • Das passiert, wenn man den Bezug zur Realität verliert.



    Soviel Nachtreten muss jetzt mal sein.

    • @aujau:

      Die Hochzeit war aber schön!