Russlands erfolgloser Feldzug: Keine Exitstrategie in Sicht

Der Vormarsch Russlands scheitert am Widerstandswillen der Ukrainer. Verhandlungen über einen Waffenstillstand hätten dennoch keine Chance.

Ukrainische Soldaten untersuchen ein zerstörtes Militärfahrzeug

Ukrainische Soldaten untersuchen ein zerstörtes Militärfahrzeug in Irpin bei Kiew am 1. April 2022 Foto: Efrem Lukatsky/ap

Alles nach Plan, lautet das Mantra des Kreml auch noch am 37. Tag nach dem Beginn der „Spezialoperation“ in der Ukraine. Wen will man damit noch täuschen? Spätestens seit Beginn der Woche ist klar, dass sich Moskau von seinen ambitionierten Kriegszielen verabschiedet hat und gerade eine Niederlage nach der anderen einfährt. Davon kündet vor allem der Abzug aus dem Großraum Kiew. Die Einnahme der Hauptstadt ist für die russischen Truppen eine Nummer zu groß.

Aber auch andernorts, wie an der ostukrainischen Großstadt Charkiw, beißen sich die demoralisierten „Freiheitskämpfer“ die Zähne aus. Langsam scheint sich auch in Russland die Erkenntnis durchzusetzen, dass man die Fähigkeiten der ukrainischen Armee sowie den Widerstandswillen der Bevölkerung unterschätzt hat. Ergo muss eine neue Strategie her, und die lautet: Vorhandene Kontingente umgruppieren bzw. alle personellen Ressourcen zusammenkratzen, derer Moskau habhaft werden kann.

Auch für die Belarussen, die ihrem Verbündeten bisher nur ihr Territorium zur Verfügung stellen, steigen die Chancen auf einen Einsatz. Vielleicht müssen am Ende noch russische Wehrpflichtige dran glauben, obwohl Moskau das bisher kategorisch ausschließt. Aber was heißt das schon …

Mit vereinten Kräften sollen jetzt die Gebiete Donezk und Luhansk vom Joch des Faschismus befreit werden – wohlgemerkt in den Grenzen von 2014. Weniger als das würde lediglich den Status quo festigen, der den Rus­sen­ kaum als Erfolg zu verkaufen wäre. Ohnehin hatte Moskau es bislang nicht eilig, die als unabhängig anerkannten Volksrepubliken „heim ins Reich“ zu holen.

Doch auch die Operation Donbass wird kein Selbstläufer. Vielmehr sind zähe Kämpfe zu erwarten, die sich noch Tage, vielleicht Wochen hinziehen könnten. Flankiert werden sie von Russlands Politik der verbrannten Erde: In Schutt und Asche bomben, was geht. Und möglichst viele ukrainische Flüchtende nach Russland zwangsevakuieren und so als Geiseln nehmen. Das passiert nicht nur in der belagerten Hafenstadt Mariupol, sondern auch in russisch besetzten Orten wie Melitopol.

Menschen, die ihr nacktes Leben zu retten versuchen, werden auf die Krim gebracht. Angesichts dieser Gefechtslage fragt man sich, ob Verhandlungen aktuell eine Chance hätten. Die Antwort lautet: Nein. Dazu bedürfte es eines Kompromisses, und der ist nicht in Sicht. Noch nicht. Momentan arbeitet die Zeit für die Ukraine – Zeit, die sich Russland zu erkaufen versucht, die ihr aber wegrennt. Alles nach Plan also? Von wegen. Dieses Argument Russlands könnte bald auch an der diplomatischen Front ausgedient haben.

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Geboren 1964, ist seit 1995 Osteuropa-Redakteurin der taz und seit 2011 eine der beiden Chefs der Auslandsredaktion. Sie hat Slawistik und Politikwissenschaft in Hamburg, Paris und St. Petersburg sowie Medien und interkulturelle Kommunikation in Frankfurt/Oder und Sofia studiert. Sie schreibt hin und wieder für das Journal von amnesty international. Bislang meidet sie Facebook und Twitter und weiß auch warum.

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