Evakuierungen im Ukrainekrieg: Neuer Anlauf für Mariupol

Dürfen Zivilisten die eingekesselte Stadt verlassen? Russland verkündet eine Feuerpause, die Ukraine schickt Busse zur Evakuierung.

Ein Mann geht mit seinem Hund durch Trümmer in einem zerstörten Wohngebiet

Zerstörtes Mariupol: Am Freitag sollen Zivilisten aus der Hafenstadt herausgebracht werden Foto: Alexei Alexandrov/ap/dpa

In der von russischen Truppen belagerten ukrainischen Hafenstadt Mariupol soll ein neuer Versuch starten, die verbleibenden Einwohner in Sicherheit zu bringen. Teams des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (IKRK) seien mit Hilfsgütern auf dem Weg in die Stadt, sagte ein Sprecher am Donnerstag.

Zivilisten sollten am Freitag herausgebracht werden. Das IKRK sei bereit, den Konvoi zu begleiten, vorausgesetzt Route, Beginn und Dauer würden im Vorfeld festgelegt. Es sei dringend nötig, dass Hilfslieferungen in die Stadt kämen und Menschen herausgebracht würden. „Die Leben von Zehntausenden in Mariu­pol hängen davon ab.“

Das russische Verteidigungsministerium hatte am Mittwoch eine Feuerpause für Mariupol ab Donnerstag 10 Uhr angekündigt. Die ukrainischen Behörden schickten daraufhin 45 Busse los, um Zivilisten aus der Stadt zu bringen.

Am Dienstag erst war mit Fotobeweisen gemeldet worden, dass die IKRK-Lagerhalle in Mariupol aus der Luft bombardiert worden war, obwohl auf dem Dach das Rote-Kreuz-Emblem prangte. Das IKRK bestätigte am Donnerstag die Bombardierung, sagte aber, mangels Mitarbeitern vor Ort könne man keine Opferzahlen oder das Ausmaß der Zerstörung ermitteln. „Keine IKRK-Mitarbeiter sind seit dem 15. März in der Lagerhalle gewesen und wir wissen nicht, wie sie seitdem benutzt wurde“, erklärt das IKRK.

Seit vier Wochen kein Wasser und Strom

Mariupol wird seit Beginn des Krieges von russischen Truppen beschossen. 90 Prozent der Gebäude sind zerstört, von ursprünglich 440.000 Einwohnern sind nach UN-Angaben noch 160.000 in der Stadt, nach ukrainischen Regierungsangaben gut 100.000. Die Menschen sind seit vier Wochen ohne Strom und Wasser und ohne Nachschub an Lebensmitteln oder Medikamenten.

Jede Fahrt hinein oder hinaus bedeutet, russische Militärcheckpoints zu passieren. An diesen kann man nie wissen, ob die Soldaten das Feuer eröffnen. „Die Menschen sitzen in der Falle ohne sicheren Ausweg, und ihnen gehen die Grundlagen des Überlebens zur Neige“, resümiert das IKRK die Situation.

Alle Bewohner müssten unverzüglich evakuiert werden, um ihr Leben zu retten, erklärte der Bürgermeister von Mariupol am vergangenen Sonntag. Immer wieder hat es einzelne Evakuierungen gegeben, aber nie einen sicheren Fluchtkorridor. Ein Vorstoß des französischen Präsidenten Emmanuel Macron vergangene Woche, gemeinsam mit der Türkei und Griechenland Truppen nach Mariupol zu schicken, um Zivilisten herauszuholen, ist bisher nicht über ein Gedankenspiel hinausgekommen.

Laut Stadtverwaltung sind über 5.000 Zivilisten in Mariupol getötet worden. Die genaue Zahl ist unbekannt, da viele Leichen nicht geborgen werden können. So lässt sich nicht verifizieren, dass 300 Menschen starben, als das Theater von Mariupol mit 1.300 Schutzsuchenden im Keller bombardiert wurde. Tagelang wurden Verschüttete aus den Trümmern geborgen.

Nach russischen Angaben ist Mariupol mittlerweile zum größten Teil gefallen. Prorussische Kanäle berichten, Kiew habe am Donnerstag zweimal Hubschrauber losgeschickt, um Kommandanten aus Mariupol zu evakuieren, aber die seien auf dem Weg dorthin abgeschossen worden. Nach ukrainische Quellen wurden Hubschrauber mit Verwundeten an Bord beim Weg aus Mariupol heraus abgeschossen.

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