Russische Massaker in der Ukraine: Charakterzüge eines Völkermords
Die Gräueltaten von Butscha sind eine neue Dimension im Ukrainekrieg. Solche nationalistischen Exzesse sind keine Ausrutscher. Sie haben System.
![Ukrainische Soldaten steht vor einer Leiche Ukrainische Soldaten steht vor einer Leiche](https://taz.de/picture/5486548/14/29883575-1.jpeg)
M an hat sich an vieles gewöhnt in gut fünf Wochen Krieg in der Ukraine: die hemmungslosen russischen Angriffe auf Städte, die brennenden Wohnhäuser, die verzweifelte millionenfache Flucht, die U-Bahn-Luftschutzbunker von Kiew und Charkiw, die Trümmerfelder von Mariupol.
Und doch markiert der Fund unzähliger Hinrichtungsopfer im verwüsteten Butscha, die Russlands Armee bei ihrem Rückzug von der Front bei Kiew zurücklässt, eine neue Dimension des Grauens. Russlands Armee hat nicht nur versucht, die Ukraine zu erobern – vergeblich, wie mit jedem Tag deutlicher wird –, sondern vernichtet auch die Menschen in der Ukraine, deren sie habhaft wird.
Es gibt ein Wort für dieses Vorgehen: Völkermord. Im bosnischen Srebrenica separierten die serbischen Belagerer im Juli 1995 die muslimischen Männer von ihren Frauen und Kindern und töteten sie alle, nach Plan. Srebrenica nennt die Regierung der Ukraine jetzt als Parallele zu Butscha.
Der Völkermord an Ruandas Tutsi 1994 mit bis zu einer Million Toten, ebenfalls nach Plan und nach Kommando ausgeführt, verlief in noch weitaus ungeheuerlicheren Dimensionen. Planmäßiges Vorgehen auf Befehl, um eine vorab definierte Gruppe von Menschen auszulöschen – das ist es, was einen Völkermord charakterisiert.
Nicht jeder Massenmord ist ein Völkermord, und man wird darüber diskutieren können und müssen, ob das Vorgehen der russischen Armee in der Ukraine wirklich dieser Charakterisierung entspricht oder doch „nur“ ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit darstellt. Aber der Vorwurf steht im Raum.
Völkermordtäter sind keine Verhandlungspartner
Die Ukraine sieht sich jetzt bestätigt in ihrer Wahrnehmung, dass sie gegen Russland um ihr Überleben kämpft. Die Täter in Butscha sind Soldaten eines Landes, dessen Präsident der Ukraine das Recht auf eine eigenständige Existenz abspricht und wo Politiker von der „Endlösung der ukrainischen Frage“ und der „Entfernung des Krebsgeschwürs bis hin zur polnischen Grenze“ reden. Solche nationalistischen Exzesse sind keine Ausrutscher. Sie haben System.
Die Diskussion darüber ist nicht abstrakt, sondern von unmittelbarer politischer Relevanz. Einer Regierung Völkermord vorzuwerfen heißt: Diese Regierung hat ihre Legitimität verwirkt. Völkermordtätern schüttelt man nicht die Hand. Sie sind keine Verhandlungspartner.
Bestenfalls gehören sie vor Gericht – und für ihre direkten Opfer und deren Nachfahren ist es legitim, sie weltweit zu jagen, wie man in Kigali und Jerusalem weiß und praktiziert. Wenn Putin ein Völkermordtäter ist, haben die russischen Soldaten in Butscha nicht nur Ukrainer getötet. Sie haben auch ihrer eigenen Regierung das Grab geschaufelt.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Start der Münchner Sicherheitskonferenz
Kulturkampf gegen Europa
ZDF-Sendung „Klartext“
Weidel gegen Weidel
Anschlag in München
Was soll man da noch sagen?
Münchner Sicherheitskonferenz
Selenskyj zu Treffen mit Putin bereit
Trump und die Ukraine
Europa hat die Ukraine verraten
Anschlag in München
Deutschland muss es machen wie die Gewerkschaften