Raketeneinschlag in Polen: Es ist auch unser Krieg
Der Vorfall in Polen hat gezeigt: der Krieg in der Ukraine kann sich jederzeit ausweiten. Seine Auswirkungen sind längst global.
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E inhundert Raketen aus Russland landeten am Dienstag in der Ukraine und richteten verheerende Schäden an. Das ist ukrainische Normalität. Zwei Raketen, mutmaßlich eine russische und eine ukrainische, landeten während dieser Angriffswelle bei einem Getreidesilo in Polen und töteten zwei Landarbeiter. Das versetzt Europa in Angst und Schrecken.
Es ist gut, dass nach anfänglicher nächtlicher Erregung über einen mutmaßlichen russischen Angriff auf Polen und damit Nato-Gebiet schnell Ruhe eingekehrt ist. Es war, da sind sich mittlerweile alle einig, kein gezielter Beschuss. Es war – vermutlich – eine Verkettung unglücklicher Umstände. Die gibt es im Krieg öfter als gemeinhin angenommen. Die falschen Ziele werden getroffen, die falschen Mittel eingesetzt, die falschen Einheiten an die falsche Stelle geschickt. Meistens merkt das niemand, der nicht direkt beteiligt ist. Vorfälle wie dieser in Polen, wo eine ukrainische Abwerhrrakete ihr russisches Ziel nicht richtig trifft und am Schluss beide im falschen Land Schaden anrichten, geschehen in der Ukraine selbst vermutlich jeden Tag. Da fällt es eben nicht groß auf. Aber nur ein paar Kilometer weiter, wo es nicht mehr die Ukraine ist, merkt es die ganze Welt.
Die ukrainisch-polnische Grenze markiert die Grenze zwischen einem Normalzustand, den man hinnimmt, und einem Ausnahmezustand, der für Aufregung sorgt – und zeigt, dass dieser Normalzustand eigentlich gar nicht normal ist. Der Krieg in der Ukraine kann sich nicht nur jederzeit ausweiten, seine Auswirkungen sind längst global. Es ist auch unser Krieg, ob wir wollen oder nicht.
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Der Vorfall von Przewodow wäre nicht geschehen, wenn Russland die Ukraine nicht beschießen würde. Die daraus zu ziehenden Schlüsse sind einfach. Nie wieder dürfen Raketen aus dem Ukrainekrieg in Polen landen – und nie wieder dürfen russische Raketen die Ukraine verwüsten.
„Den Himmel schließen“ forderten viele Ukrainer im Februar zu Kriesgbeginn, als der russische Bombenhagel ihre Städte zu zerstören begann. Sie blieben ungehört: die Nato wollte sich nicht durch eine Flugverbotszone in den Krieg hineinziehen lassen. Aber sie kann auch so hineingezogen werden. Das mindeste, was die Nato-Staaten jetzt tun können, ist die eigene militärische Abwehrbereitschaft an den Ostgrenzen massiv auszubauen. Der nächste Schritt wäre, die Luft- und Raketenabwehr der Ukraine so zu stärken und zu verbessern, dass sie keine Fehler mehr macht und dass sie keine russischen Raketen mehr durchlässt. Die Ukraine gewinnt momentan den Krieg gegen Russland am Boden. Sie darf ihn nicht in der Luft verlieren.
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