Minderjährige bei der Bundeswehr: Zivilisatorisch rückständig
Minderjährige in der Bundeswehr dürfen den Bundestag nicht wählen, aber Töten lernen – das ist absurd. Sie sind nichts anderes als Kindersoldat:innen.
W enn es um die Rekrutierung Minderjähriger für die Bundeswehr geht, lässt der Koalitionsvertrag von SPD, Grünen und FDP eigentlich keinen Interpretationsspielraum. „Ausbildung und Dienst an der Waffe bleiben volljährigen Soldatinnen und Soldaten vorbehalten“, heißt es darin unmissverständlich. Doch wie so vieles, was die selbsternannte „Fortschrittskoalition“ vereinbart hat, ist auch das nicht das Papier wert, auf dem es steht.
Die Realität sieht anders aus, wie jetzt die Antwort des Verteidigungsministeriums auf eine Kleine Anfrage der Linken-Gruppe im Bundestag dokumentiert. Die Ampel macht einfach dort weiter, wo die schwarz-rote Vorgängerregierung aufgehört hat. Alleine im vergangenen Jahr rekrutierte die Bundeswehr 1.996 Minderjährige – ein Rekordwert. Und selbstverständlich werden sie an der Waffe ausgebildet.
Nach der auch von Deutschland ratifizierten UN-Kinderrechtskonvention gilt jeder Mensch, der das achtzehnte Lebensjahr noch nicht vollendet hat, als Kind. Nach dieser Definition sind also jene 17-Jährigen, die sich in der Bundesrepublik mit Einverständnis der Eltern zur Bundeswehr verpflichten dürfen, nichts anderes als Kindersoldat:innen.
Dass dank eines fragwürdigen Zusatzprotokolls die deutsche Praxis international zulässig ist, macht es nicht besser. Es hat etwas Obszönes, dass jemand zwar den Bundestag nicht mitwählen darf, aber bei der Bundeswehr das Töten von Menschen lernen kann.
Bigotte Familienministerin
Ob mittels Tiktok-Werbekampagnen oder durch mehr als 3.400 Schulbesuche im vergangenen Jahr: Offensiv wirbt die Bundeswehr um jugendlichen Nachwuchs. Da ist es bigott, wenn die grüne Jugend- und Familienministerin Lisa Paus Jahr für Jahr am „Red Hand Day“, dem Internationalen Tag gegen den Einsatz von Kindersoldat:innen, öffentlichkeitswirksam ihre rot bemalte Hand auf ein Blatt Papier presst. Stattdessen sollte sie sich lieber für die Umsetzung des rot-grün-gelben Koalitionsvertrags einsetzen.
Es wäre ein zivilisatorischer Fortschritt, wenn sich Deutschland endlich dem Vorbild von mehr als 150 Ländern auf dieser Welt anschließen und auf Soldat:innen unter 18 Jahren verzichten würde.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Anschlag in Magdeburg
Auto rast in eine Menschenmenge auf dem Weihnachtsmarkt
Wahlprogramm von CDU und CSU
Der Zeitgeist als Wählerklient
Anschlag auf Magdeburger Weihnachtsmarkt
Vieles deutet auf radikal-islamfeindlichen Hintergrund hin
Kretschmer als MP von Linkes Gnaden
Neuwahlen hätten der Demokratie weniger geschadet
Streit um Russland in der AfD
Chrupalla hat Ärger wegen Anti-Nato-Aussagen