Mehrwertsteuer auf Tierprodukte: Fleisch soll teurer werden
Die Zukunftskommission Landwirtschaft rät, die Mehrwertsteuer auf tierische Lebensmittel zu erhöhen. Das soll eine bessere Viehhaltung finanzieren.
Die zusätzlichen Einnahmen sollen den Experten zufolge Bauern erhalten, wenn sie in tierfreundlichere Ställe investieren. Auch die laufenden Mehrkosten etwa für Personal sollen subventioniert werden. Ziel ist eine Tierhaltung, die von der Gesellschaft akzeptiert wird. Die aktuellen Haltungsbedingungen werden kritisiert – etwa weil den meisten Schweinen die Ringelschwänze abgeschnitten werden, damit die Tiere sie sich in der Monotonie und Enge ihrer Ställe nicht gegenseitig abbeißen.
Ein Großteil des Viehs kommt nie an die frische Luft. Zudem ist vor allem die Tierhaltung dafür verantwortlich, dass die Landwirtschaft laut Umweltbundesamt 14 Prozent der deutschen Treibhausgase verursacht. Der Ausstoß könnte sinken, wenn Fleisch und Milchprodukte teurer wären und deshalb weniger gekauft würden. Doch bisher werden diese Nahrungsmittel sogar verbilligt, weil für sie nur 7 Prozent statt der regulären 19 Prozent Mehrwertsteuer fällig werden.
Vergleichsweise einfach
Die Erhöhung des Mehrwertsteuersatzes sei einfacher als eine neue Verbrauchssteuer einzuführen, schreiben die Experten: „Die Umsetzung wäre vergleichsweise einfach, weil kein neues Politikinstrument geschaffen, sondern lediglich ein Steuersatz einer bestehenden Steuer angepasst werden muss.“
Dem hat sich nun auch der ebenfalls in der Kommission vertretene Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW) angeschlossen. Der Bioverband hatte eine Mehrwertsteuererhöhung abgelehnt, weil sie die schon jetzt hohen Preise von Fleisch aus besserer Haltung mit Siegeln wie „Bio“ oder „Für mehr Tierschutz“ absolut gesehen stärker verteuert als die billigeren Produkte.
Deshalb hatte die Biobranche eine feste Tierwohlabgabe – zum Beispiel 40 Cent pro Kilogramm Fleisch – bevorzugt. Doch so eine Abgabe wäre schwer mit dem EU-Recht zu vereinbaren gewesen. Deshalb stimmte der BÖLW einem Kompromiss zu: Um den Preisabstand zur konventionellen Ware trotz höherer Mehrwertsteuer zu begrenzen, muss es der Kommission zufolge einen Ausgleich geben. Ökohalter könnten beispielsweise eine höhere Tierwohlprämie erhalten.
Für Haushalte mit geringen Einkommen sieht der Vorschlag eine Kompensation vor, „weil sie durch ihre relativ hohen Ausgabenanteile für Nahrungsmittel überproportional belastet sind“. In Frage komme zum Beispiel, die Grundsicherung und die Einkommensteuer anzupassen. Der Bund könne auch die Mehrwertsteuer „auf bestimmte Produkte“ senken. Ebenfalls denkbar wäre, die Steuer auf tierische Lebensmittel nur „schrittweise“ anzuheben, also nicht sofort auf die vollen 19 Prozent. „Dies entspräche auch der Tatsache, dass der Finanzierungsbedarf für Tierwohlprämien in den ersten Jahren deutlich unterhalb von 1 Milliarde €/Jahr liegen und erst langsam ansteigen wird“, so die Kommission.
Bauernverband stimmt zu – und bremst
Auch der Generalsekretär des Bauernverbands, Bernhard Krüsken, war an der Empfehlung beteiligt. Aber Verbandspräsident Joachim Rukwied erklärte kurz nach Bekanntwerden des Papiers: „Eine Mehrwertsteuererhöhung auf den Regelsatz oder einen Tierwohlcent lehnen wir ab. Das Geld für den Tierwohlumbau muss aus dem Bundeshaushalt kommen.“
Wird die Ampelkoalition die Vorschläge der Kommission in dieser Legislaturperiode umsetzen? Der ehemalige CDU-Bundesagrarminister Jochen Borchert hat an ihnen als Vorsitzender des inzwischen aufgelösten Kompetenznetzwerks Nutztierhaltung ebenfalls mitgewirkt. Er antwortete der taz am Mittwoch: „Ich bin sehr skeptisch, weil die FDP bei ihren roten Linien ‚Keine neuen Steuern, keine Steuererhöhungen‘ geblieben ist, und ich habe große Zweifel, ob sie jetzt bei der Finanzierung der Transformation der Nutztierhaltung einer Erhöhung der Mehrwertsteuer zustimmt“.
Ernährungsminister Cem Özdemir (Grüne) begrüßte die Vorschläge der Kommission zwar. Aber die FDP könnte ihn stoppen – es sei denn, der Kanzler weist sie in die Schranken.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind
Verein „Hand in Hand für unser Land“
Wenig Menschen und Traktoren bei Rechtspopulisten-Demo
Scholz und Pistorius
Journalismus oder Pferdewette?
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen