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#MeToo nach Gelbhaar-AffäreGlaubt den Frauen – immer noch

Carolina Schwarz
Kommentar von Carolina Schwarz

Die Affäre Gelbhaar ist eine, in der es nur Verlierer_innen gibt. Sie sollte jetzt nicht auch noch an feministischen Selbstverständlichkeiten wie „Believe the Women“ rütteln.

In einer patriarchalen Welt sollte man weiblichen Stimmen Achtung schenken Foto: Bryan Dozier/imago

S tellen Sie sich einmal vor, jeder Fehler und jedes Vergehen eines Mannes würde an der männlichen Vorherrschaft rütteln. Bei so viel Gerüttel wäre das Patriarchat schon längst in sich zusammengebrochen. Doch dafür gibt es leider noch keine Anzeichen. Denn selbst wenn es um Verfehlungen wie Missbrauch oder geschlechtsspezifische Gewalt geht, behandeln wir die Taten der Männer noch viel zu oft als traurige Einzelfälle anstatt als Fortschreibung eines Systems.

Ganz anders sieht es aus, wenn (vor allem feministische) Frauen Fehler machen. Dann wird aus einem Einzelfall ganz schnell ein systemisches Versagen konstruiert. Und hart erkämpfte feministische Grundsätze werden ohne Nachdenken über Bord geworfen. Diese Ungleichbehandlung zeigt sich gerade wieder einmal im Umgang mit der Affäre Gelbhaar.

Im Dezember, kurz vor der Wahl der Berliner Landesliste zur Bundestagswahl, hatte eine junge Grünen-Politikerin Vorwürfe der sexuellen Belästigung gegen den Bundestagsabgeordneten Stefan Gelbhaar erhoben. Sie sprach nicht für sich selbst, sondern im Namen anderer. Danach folgte eins aufs andere: Über ein Dutzend Vorwürfe gingen bei der Ombudsstelle der Grünen ein, der RBB machte mit seinen Recherchen die Vorwürfe öffentlich. Gelbhaar wies diese von sich, zog aber seine Kandidatur für die Landesliste zurück. An seiner Kandidatur für das Direktmandat im Wahlkreis Berlin-Pankow wollte er festhalten, verlor sie jedoch in einer Abstimmung gegen eine nach den Vorwürfen neu aufgestellte Gegenkandidatin.

Mittlerweile ist klar: Ein Teil, und zwar der schwerste, der Vorwürfe gegen Gelbhaar ist erfunden. Eine eidesstattliche Erklärung, die dem RBB vorlag, ist wohl gefälscht. Die Redaktion hat journalistisch unsauber gearbeitet, weder hat sie die mutmaßlich Betroffene getroffen noch ordentlich gecheckt, ob sie überhaupt existiert. Recherchen legen nahe, dass die Politikerin, die alles ins Rollen brachte, hinter der Fälschung steckt. Mittlerweile ist sie von ihren Ämtern zurück- und aus der Partei ausgetreten. Sie hinterlässt einen enormen Schaden, den eine ganze Bewegung nun beseitigen muss.

Ein gefundenes Fressen

Denn für die Mehrheit scheint jetzt klar: Gelbhaar ist das Opfer einer Intrige, die Frauen haben gelogen. Warum? Dafür gibt es vielzählige Theorien. Doch fest stehe, der Mann habe eine Entschuldigung verdient, gehöre rehabilitiert und feministische Grundsätze seien überholt. „Believe the Women“, das zeige dieser Fall, funktioniert nicht. #MeToo sei zu einer Waffe der Frauen geworden.

Die Affäre ist ein gefundenes Fressen für alle, die ohnehin nichts auf Frauenrechte geben. Doch Kritik an feministischen Grundsätzen und dem Ansatz der Ombudsstelle der Grünen, dass die „Perspektive der Betroffenen handlungsleitend“ sei, kommt auch von anderer Seite.

Unabhängig davon, zu welchen Ergebnissen die Aufarbeitungen kommen, sollte am Ende nicht MeToo der große Verlierer sein

Dabei ist in diesem Fall bisher wenig klar. Viele Fragen sind offen. Nur eine sorgfältige und transparente Aufarbeitung kann wirkliche Klarheit darüber bringen, ob der Ruf Gelbhaars rehabilitiert gehört oder an den bestehenden Vorwürfen etwas dran ist. Es muss untersucht werden, welche Fehler passiert sind und welche Änderungen im Umgang mit Belästigungsvorwürfen nötig sind, um solche Fehler in Zukunft zu vermeiden.

Schlecht ist nicht das ganze System

Der Sender hat eine Aufarbeitung versprochen und auch die Grünen haben eine Kommission eingerichtet, um den Fall aufzuarbeiten. Und das haben alle Beteiligten verdient. Denn bislang gibt es in diesem Fall nur Verlierer_innen. Auf der einen Seite Stefan Gelbhaar selbst, dessen Karriere im Bundestag vorerst beendet ist und der nun um seinen Ruf kämpfen muss. Auf der anderen sind da noch sieben Frauen, die laut der Partei an ihren Vorwürfen gegen Gelbhaar festhalten – aber denen jetzt nun nur noch Misstrauen entgegenschlägt.

Doch unabhängig davon, zu welchen Ergebnissen die Aufarbeitungen kommen, sollte am Ende nicht MeToo der große Verlierer sein. Denn nur weil eine einzelne Person ein Hilfesystem missbraucht, heißt es nicht, dass gleich das ganze System schlecht ist. Das Narrativ, Frauen würden systematisch Vorwürfe erfinden, um Männer zu stürzen, ist zwar virulent – hat aber wenig mit der Realität zu tun. Falschbeschuldigungen kommen nur in den seltensten Fällen vor.

Die Realität dagegen ist, dass Männer weltweit noch immer ihre Macht schamlos missbrauchen. Versucht eine Frau sich dagegen zu wehren, schlägt ihr oft Misstrauen, bösartige Unterstellungen und Hass entgegen. Dem will der Slogan „Believe the Women“ etwas entgegensetzen. Er will sagen: Wir könnten das als Gesellschaft auch anders lösen und den Frauen erst einmal glauben. Nicht mehr und nicht weniger.

„Believe the Women“ rechtfertigt also keine journalistische Schlampigkeit, setzt keine Unschuldsvermutung außer Kraft, ersetzt keine juristische Aufarbeitung. Aber „Believe the Women“ versucht in einer Welt voller männlicher Vorherrschaft, ein kleines bisschen Gerechtigkeit zu bringen. An diesem hehren Ziel sollte auch die Affäre Gelbhaar nichts ändern.

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Carolina Schwarz
Ressortleiterin taz zwei
Ressortleiterin bei taz zwei - dem Ressort für Gesellschaft und Medien. Schreibt hauptsächlich über intersektionalen Feminismus, (digitale) Gewalt gegen Frauen und Popphänomene. Studium der Literatur- und Kulturwisseschaften in Dresden und Berlin. Seit 2017 bei der taz.
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39 Kommentare

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  • Hallo Frau Schwarz, nur ganz kurz:



    ich glaube den Opfern. Und Gewalt darf nicht sein !



    Aber:



    Ist es nicht auch ein systemisches Denken, wenn per se männliches Handel im System passiert, wenn aber eine Frau sowas macht, es ein "Einzelfall" ist und selbst eine Jugendorganisation einer Partei dafür alle Grundsätze unserer Rechtsprechung negiert (Stichwort Unschuldsvermutung), weil: die Vorwürfe stammen ja von einer Frau (die nicht einmal Opfer ist, sonder frei erfindet ) ?

  • Wie bei vielem ist das Wort "und" ein praktisches Instrument.



    Es kann so herauskommen _und es kann auch so herauskommen.



    Niemand hat automatisch Recht, wobei jedem Vorwurf auch tatsächlich offen gelauscht wird, kein rasches Abtun, und kein Vorverurteilen in der Öffentlichkeit.



    So und so wären das nämlich jeweils Fehler.

  • Wers wirklich ernst meint mit der Gerechtigkeit, der nimmt Opfer immer ernst. Ob jetzt die sexueller Belästigung oder die von hinterhältigen Intrigen. Und so richtig es war, die Vorwürfe gegen Herrn Gelbhaar ernst zu nehmen, so richtig wäre es jetzt, anzuerkennen, dass er hier Opfer ist. Wenn man in solchen Fällen die Intrige mit "Fehler machen" und Fehler passieren" aufhübscht, dann macht man genau das nicht. Und alles andere darumherum, was die BILD so schreibt und was alles falsch am System ist sind bezogen auf die bewertung dieses Falles schlicht Ausreden.

  • "Mittlerweile ist klar: Ein Teil, und zwar der schwerste, der Vorwürfe gegen Gelbhaar ist erfunden."

    Nein. Nicht "ein Teil" ist erfunden. Sondern der Teil, der aus einem Beschwerdeverfahren der Ombudsstelle der Partei, eine strafrechtlich relevante Tat machen sollte.

    Damit ist klar, dass der eigentliche Vorwurf nicht "zum Teil" sondern komplett erfunden wurde.

    Das quasi arbeitsrechtliche, das Verfahren auf der Basis von Parteistatut und Compliance, sowie die dort vorgebrachten Beschwerden sind mit grosser Wahrscheinlichkeit nicht "erfunden".



    Sie bewegen sich offenbar nur nicht auf strafrechtlich relevantem Niveau.



    Offenbar war man also einerseits mit dem Verlauf des Ombudsverfahrens nicht zufrieden - vielleicht zu Recht. Wir wissen nicht, ob Herr Gelbhaar eigentlich ein Vorhalt dazu gemacht worden ist,



    andererseits findet eine fehlgeleitete Militanz und Opfermentalität, das man die Strafgerichte ganz nach patriarchaler Tradition auf dem Dorfplatz, öffentlich und mit einer Mischung aus Lüge, Halbwahrheit und Ressentiment vollstreckt.

    • @Elise Hampel:

      www.lto.de/recht/n...stattung-untersagt

      Zitat: "... Und auch weitere vom RBB vorgelegte eidesstattlichen Versicherungen anderer Frauen könnten den Vorwurf des systematischen Vorgehens "mit Blick auf die völlig inhaltsleeren Darlegungen" nicht tragen. In den Versicherungen war von "unangenehmen Erfahrungen" mit Gelbhaar die Rede, die aber nicht weiter konkretisiert wurden. ..."

      Der RBB tat nicht grade gut daran, die Frauen über den Sinn und Zweck dieser Erklärungen im Unklaren zu lassen. Welcher Natur auch immer die "unangenehme Erfahrungen" waren: Träfen die Berichte zu, würde ein solcher Mensch gemieden. Wäre es der Chef, würde frau oder mann sich, so wie Frau Kreße, am Ende des Tages dann doch einen anderen suchen.

  • Das bei weitem nicht "ein einzelner Fall". Kachelmann musste seine Unschuld gegen alle öffentliche Hinrichtungen vor Gericht erstreiten, Kevin Spacey hat trotz mehrerer Freisprüche in mehreren Ländern vor mehreren Gerichten seine Karriere nicht zurückbekommen und dies waren Männer die genug Geld hatten, das alles durchzustehen. Wieviele "Fälle Gelbhaar" sind passiert, ohne dass es jemanden interessierte und ohne dass die Person sich wehren kann?

    Zudem ist ein ganz großes Problem hier schlicht das Vorgehen der Grünen, inklusive der haarsträubenden (und beängstigenden) Aussage "Unschuldsvermutung gilt bei uns nicht" der Spitze der Grünen Jugend. Immerhin eine Partei, die Regierungsverantwortung möchte. Und die mal die Wahrung der Bürgerrechte ganz oben auf Ihrer Agenda hatte. Solange dies unwidersprochen im Raum steht, ist diese Partei für mich unwählbar.

    Das Richtige zu tun reicht nicht. Man muss es auch richtig tun.

    Die Unschuldsvermutung muss gelten. In aller Form, für jede Person, in jedem Fall. Grundrechte gelten auch für die Leute, die wir nicht mögen oder auf der anderen "Seite" stehen. Ansonsten sind es keine Grundrechte. Und dann können wir den ganzen Kram auch lassen.

    • @Jürgen Meyer:

      Eine Partei ist kein rechtsfreier Raum. Falls es Probleme gegeben haben sollte, was ich nicht für unwahrscheinlich halte, weil Abgeordnete nun einmal auch Personalverantwortung haben und dieser wohl nicht besser oder schlechter gerecht werden, als Freiberufler gemeinhin, dann müßte man die adressieren und nicht im Glauben an die "sichere Seite" nach der größtmöglichen Keule greifen.

      Nach der Lektüre der Begründung für die Einstweilige Anordnung des LG Hamburg erscheinen mir die Gedanken nicht mehr so abwegig. Und die Frage, wann man den Anwalt konsultieren sollte, auch nicht:

      www.lto.de/recht/h...ung-rbb-strafrecht

  • Ob sexualisierte Gewalt, oder Autodiebstahl; ohne klare Beweise darf man einen möglichen Täter nicht hängen.



    Das die Sache Gelbhaar nichts mit Frauenbewegung zu tun hatte, sondern einfach ein Kontrahent aus dem Spiel gekickt werden sollte, ist wohl mittlerweile jedem bewusst.



    Daher kann man nur hoffen das Herr Gelbhaar für den entstandenen Schaden die Verantwortlichen bis aufs Hemd verklagt. Damit wäre dieses Thema dann auch durch.

  • Als Frau, die genügend hinterhältige und bösartige Frauen kennt, bin und bleibe ich der Meinung, dass man es sich zu leicht man, mit Verweis auf #metoo grundsätzlich alles zu glauben, was eine Frau einem Mann in der Hinsicht vorwirft. Ja, es besteht immer noch eine strukturelle Benachteiligung und ein Machtgefälle zwischen den Geschlechtern, und ein Recht auf Gehör sollte jede Frau haben. Was aber eben nicht bedeutet, dass man ihr auch pauschal alles glauben und den beschuldigten Mann vorverurteilen sollte. Umgekehrt gilt natürlich das Gleiche. Aber es wäre naiv, gerade in Zeiten von #metoo darauf zu vertrauen, dass keine Frau aus böser Absicht solche Vorwürfe erfinden würde. Und es gilt immer noch die Unschuldsvermutung.

  • "Das Narrativ, Frauen würden systematisch Vorwürfe erfinden, um Männer zu stürzen, ist zwar virulent – hat aber wenig mit der Realität zu tun. Falschbeschuldigungen kommen nur in den seltensten Fällen vor."

    Es gibt halt schlicht nicht eine seriöse Studie die das belegt. Es ist einfach ein Narrativ, dass immer wieder wiederholt wird. (die schlechten Zahlen schwanken zwischen 3 und 80 Prozent)

    Wir haben jetzt probiert, glaubt den Opfern egal ob etwas war oder nicht und dass der Mann entschuldigt bzw. Es runtergespielt wird aufgrund seines Geschlechtes. Vllt finden wir ja was dazwischen, weil Opfer denen schlimme dinge passiert sind und Opfer von falschbeschuldigungen leiden beide. Teils über Jahre.

    Deswegen ist es eigentlich auch egal, was bei so einer Studie raus kommt. Aber man sollte vllt weniger aufs Geschlecht achten als auf die Fakten.

    Ist aber auch schwierig, da in vielen Situationen nur zwei involviert sind.

    • @Hitchhiker:

      Zitat: "Das Narrativ, Frauen würden systematisch Vorwürfe erfinden, um Männer zu stürzen, ist zwar virulent – hat aber wenig mit der Realität zu tun. Falschbeschuldigungen kommen nur in den seltensten Fällen vor."

      Der anscheinend nur im Zuge der anstehenden BT-Wahl hochgekochte Fall ist ja statistisch auch nicht geeignet, diese Einschätzung zu widerlegen.

      Es ist einfach eine Frage der Sichtweise. Ein Arzt, der für das Öffentliche Gesundheitswesen arbeitet, freut sich zu Recht, wenn die Überlebenswahrscheinlichkeit einer Krankheit von 60% auf 99,9% gestiegen sei. Aber hinter diesem Zehntelprozent stehen noch Menschen, deren Ärzte vergeblich um den Erfolg gekämpft haben.

      "In den seltensten Fällen ..." Und weshalb wurde dann gerade jetzt und gerade hier so ein Faß mit letztlich unverwertbarem Inhalt aufgemacht? Eine Ombudsstelle, die das angeblich nicht hinterfragt, trüge wenig zur Lösung langwieriger Probleme bei.

  • Was sagt mir dieser Artikel jetzt? Unterm Strich: "macht nichts, das Gelbhaars Karriere vernichtet wurde, der Mann psychisch fertig gemacht wurde und seinen Job verloren hat." Pech gehabt, er ist halt ein Mann. Diese Haltung macht in der Tat die gesamte Bewegung kaputt. Wenn ihr jetzt nicht ganz laut für diesen Typen eintretet, werdet ihr nie wieder glaubwürdig sein.

  • Wir sollten definitiv weiterhin Betroffenen grundsätzlich glauben. Jedoch gehört eine Überprüfung der Anschuldigungen, vor allem der Personen, die hier die Anschuldigungen erheben, genauso zu einem verantwortungsvollen Umgang.

  • "Believe all Women" ist ein Dogma mit dem ich so halbwegs leben kann, solange ein Fall nicht öffentlich ist oder er vom Angeklagten an die Öffentlichkeit gezerrt wurde. Ebenfalls damit leben könnte ich, wenn die vermeintlich Betroffene bereits ein Gerichtsverfahren angestrengt hat und auf Missstände im Justizsystem aufmerksam machen will.

    Bei allen Fällen in denen vermeintlich Betroffene zuerst an die Öffentlichkeit gehen und eine Zusammenarbeit mit der Justiz aktiv vermeiden sollte der gesunde Menschenverstand einsetzen. Believe all Women kann nicht absolut gelten, dass ist taktisch sehr unklug, weil man dann immer wieder mit Lügnerinnen in einem Boot sitz und die eigene Glaubwürdigkeit untergräbt.

    Was die endlos wiederholte Behauptung angeht: Falschbeschuldigungen sind super selten, "Nur 2% der Fälle",... dass ist nicht nachvollziehbar, da weder über Verurteilungsquoten, noch über Falschbeschuldigungen statistische Daten zur Verfügung stehen. Ähnlich wie bei der Dunkelziffer gehen die Zahlen aus einzelnen, wissenschaftlichen Studien hier weit auseinander.

  • Wie machen Männer Frauen fertig? Sie bezeichnen sie als fett, dumm und rachsüchtig. Wie machen Frauen Männer fertig? Sie bezeichnen sie als Triebtäter, Schläger und Hinterwäldler. Es war doch schon immer so, fast jeder Schriftsatz im Familienrecht lässt sich darauf herunterbrechen. Trotzdem muss man jeden Vorwurf ernst nehmen und ihm bis ins Detail nachgehen, bevor man zum Alltag zurückkehren kann, anders geht es nicht.

  • Entspannen wir uns. Wer jetzt Zweifel daran hat, ob man potentiell Betroffene erst einmal ernst nehmen sollte, hat das vorher auch nicht getan.



    Wir haben doch so schon nicht genug Zeit, uns über fehlende Empathie aufzuregen. Noch ein Themenfeld, bei dem die Fronten bereits klar sind, hilft nicht weiter.

  • Es ist wichtig, dass man es ernst nimmt um endlich einen Wandel zu ermöglichen und Betroffenen zu helfen, aber es ist auch wichtig, die Unschuldsvermutung zu bewahren, wo es keine weiteren Hinweise auf eine Tat gibt. Falsche Beschuldigungen können in verschiedenen Situationen ausgenutzt werden, sei es die öffentliche Meinung, Sorgerecht oder auch Geld.



    Gerade bei Personen der Öffentlichkeit sollte man erst eine gewisse Neutralität aufbringen. Der Zeitpunkt zum Wahlkampf ließ mich an dem Fall auch eher Zweifeln.

    Gerechtigkeit werden wir nur finden, wenn wir beides beachten. Das eine schließt das andere nicht aus.

  • "Falschbeschuldigungen kommen nur in den seltensten Fällen vor"

    Woher weiss die Autorin das? Welche Zahlen nimmt sie als Quelle? Oder ist da der Wunsch Mutter des Gedankens?



    Der der Patriarchatsunterstützung sicherlich unverdächtige Forist Lowandorder meinte am 19.1. hier inner taz:

    “… eine hambuger Strafrichterin berichtete beim Richterratschlag ua im Zusammenhang mit gesellschaftlicher Relevanz/Auswirkungen von #metoo - es sei erschreckend in welcher Höhe (an die 70 % ihrer Fälle im Zuge) sich während der mündlichen Verhandlungen sich die Anwürfe als unhaltbar herausstellten - einschließlich der Bandbreite der dahinterstehenden Motive.



    Und das alles trotz “Vorfilter“ von Polizei StA & RAs.



    &



    Beim Kongress der KritJur in Ffm - stimmte die RAin Burgsmüller - feministisches Urgestein “#me too ist für mich moderner Pranger!“ zu. Und fuhr fort “Ich kann es meinen Geschlechtsgenossinnen nicht ersparen: Aber derzeit besteht meine Arbeit in gut 50 % der Fälle darin - Anzeigen Klagen etc auszureden! Weil die vorgebrachten Anschuldigen vorne & hinten nicht stimmen!“

    Quelle: taz.de/Wende-in-de...059786&s=gelbhaar/

    • @Emmo:

      Vom Bund veröffentlichte Studie zur Belästigung an Arbeitsplatz, die auf einer Telefonbefragung und Interviews von Betroffenen beruht.



      Am stärksten waren Mitarbeitende in Berufsgruppen betroffen, die einen Kund_innenkontakt voraussetzen – in Dienstleistungsberufen (zu 13 Prozent).



      Auch bei akademischen Berufen und bei Führungskräften war eine höhere Betroffenheit festzustellen (jeweils zehn Prozent).



      Da bei Grünen viele Akademiker Parteimitglied sind, verwundert, dass das Thema MeToo nicht offensiv im Wahlkampf angegangen wird.



      Am stärksten sind die Bereiche Gesundheits und Sozialwesen (29 Prozent) betroffen.



      Erstaunlich, dass Verdi und Ärzteverbände und Grüne bei dem Thema nicht massiv mobil machen.



      Besteht ein großes Schweigekartell, Tabu?

      Erstaunlich auch wie schlecht erforscht die Thematik ist und dass auch vom Bund sehr wolkig formuliert wird, was Prävention und Hilfe für Betroffene angeht. Nur drei Monate sind Zeit, um Vorwürfe bei einer Beschwerdestelle zu machen! Ein Unding!

      www.antidiskrimini...blicationFile&v=11

  • In der es nur Verlierer gibt? Na einen Gewinner gibt es auf jeden Fall: Habecks Wahlkampfmanager hat nun den sicheren Listenplatz von Gelbhaar.



    Der Artikel zeigt das dem Skandal zugrunde liegende Denkmuster:

    "Nur eine sorgfältige und transparente Aufarbeitung kann wirkliche Klarheit darüber bringen, ob der Ruf Gelbhaars rehabilitiert gehört oder an den bestehenden Vorwürfen etwas dran ist."

    Oder anders formuliert: Schuldig bis die Unschuld bewiesen ist.

    • @elektrozwerg:

      "... etwas dran ist ..."

      Da wäre die Frage, was. Offenbar nicht das, was kolportiert wurde. Aber für nichts und wieder nichts lehnt sich auch niemand soweit aus dem Fenster. Also wenn die Grünen dem im Gegensatz zu den Aufgaben der Ombudsstelle nicht doch noch auf den Grund gehen, ist ihnen nicht zu helfen.

  • Selbstverständlichkeiten!



    &



    ”Das Narrativ, Frauen würden systematisch Vorwürfe erfinden, um Männer zu stürzen, ist zwar virulent – hat aber wenig mit der Realität zu tun. Falschbeschuldigungen kommen nur in den seltensten Fällen vor.“ Ach was!

    Sorry. But that‘s a lie.



    Dazu verweise ich auf die Zitate & Angaben in meinen Kommentaren zu diesem Thema: einer hamburger (Jugend)Strafrichterin …an die 70 % frei erfunden …Und die Bemerkung von feministischem Urgestein RAin Cläudia Burgsmüller- Wiesbaden auf dem KritJurKongess Ffm “Ich kann es meinen Geschlechtsgenossinnen nicht ersparen!



    Aber besteht die Hälfte meiner Arbeit darin, Anzeigen etc auszureden! Weil die Anschuldigungen vorn & hinten nicht stimmen!“



    Und RA & exJumi “Plotte“ Ruppert v. Plottnitz zustimmemd “Für mich ist #too moderner Pranger!“

  • "Believe the women" ist in diesem Fall (bitte keine Verallgemeinerung) auch deshalb schwierig, da sich auch einige Frauen mit feministischem Hintergrund bei den Grünen für Gelbhaar einsetzen.

    Wem soll Mensch dann glauben?

    • @Uwe81:

      Je radikaler, desto höher die Glaubwürdigkeit.



      Die Radikalität von manchen Feministen und generell bei FLINTA* kommt doch nur dadurch zustande, weil diese Menschen nicht ernst genommen werden.

      Catcalling, Stare Rape, Objektifizierung.... klar, wenn das nicht ernst genommen wird, gehen die radikaler vor, bis zu einem Punkt, wo andere Leute denken: Boah, they muss es wirklich ernst meinen! Wir hätten besser zuhören sollen!

      • @Troll Eulenspiegel:

        "Die Radikalität von manchen AfD-Mitgliedern und generell bei Rechtsextremen kommt doch nur dadurch zustande, weil diese Menschen nicht ernst genommen werden."

        Ihre Argumentation greift etwas zu kurz.

      • @Troll Eulenspiegel:

        "Die Radikalität von manchen Feministen und generell bei FLINTA* kommt doch nur dadurch zustande, weil diese Menschen nicht ernst genommen werden."

        Und umgekehrt hilft radikales Denken nicht gerade dabei, ernst genommen zu werden. Siehe die Rezeption von AfD Wählern hier in der taz Kommune.

        Letzteren schreibt man übrigens die Radikalität zurecht selbst zu. Ich sehe nicht, wieso das bei den von Ihnen genannten Gruppen hier anders sein sollte.

  • Das Problem hier ist:



    "Believe the Woman" ist eine feministische Perspektive. Der Rechtsstaat indessen kennt die Unschuldsvermutung bei gleichzeitiger kritischer Aufklärung der Geschehnisse vor Gericht.



    Und nein, die Affäre Gelbhaar kennt nicht "Nur Verlierer". Sie kennt ein klares Opfer: Gelbhaar. Warum? Weil man vergessen hat: "Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser". Prüfe, bevor Du urteilst.

    • @Kartöfellchen:

      "Believe the Woman" ist eine feministische Perspektive"

      Keineswegs. Jedes ordentliche rechtsstaatliche Verfahren in einem Fall von sexueller Belästigung oder sexueller Gewalt verläuft nach dem Prinzip die Glaubwürdigkeit der Betroffenen zu Beginn eines Erkenntnisverfahren nicht in Frage zu stellen.

      Das ist die Voraussetzung dafür das ein Ermittlungsverfahren auch zu einer Anklage führt und nicht eingestellt wird, wenn Aussage gegen Aussage steht. Die Unschuldsvermutung gegenüber dem Angeklagten wird dabei nicht angetastet. Im Gegenteil, denn die objektive Ermittlungen seitens Polizei und Staatsanwaltschaft können auch zur Entlastung des Angeklagten führen.



      Es findet in diesem Sinne also keine Vorverurteilung statt. Die Wahrheitsfindung obliegt dann dem Gericht und hier gilt "in dubio pro reo".

      Von daher ist in "Believe the Woman" und der "Unschuldsvermutung" nicht von vornherein ein Widerspruch angelegt.

      • @Sam Spade:

        "Es findet in diesem Sinne also keine Vorverurteilung statt."

        Doch, sehr wohl. Ganz abgesehen davon, dass bei anonymisierten Vorwürfe deren Glaubwürdigkeit oft nur schwer überprüfbar ist, ist das Konzept MeToo nämlich auf Öffentlichkeit angelegt, und zwar durch systematische Einbeziehung der Medien. Letztere haben aber (teilweise) ein recht exzessives Verständnis von "Verdachtsberichterstattung" , wie auch die jüngste Entscheidung des Presserates in Sachen Johann König deutlich macht www.spiegel.de/kul...-8ec3-0b4e3ca50b2c Dass die Presse eben nicht unvoreingenommen berichtet, sondern sich zum Teil kampagnenartig auf die Seite der Anklage stellt, hat man ja noch ungut im Falle ZEIT/Dieter Wedel und ganz besonders unangenehm bei Schwarzer/Kachelmann in Erinnerung. Im Falle Kachelmann ist eine deutliche richterliche Korrektur erfolgt, bei Wedel und König bis heute nicht. In beiden Fällen bleibt der medial verursachte Rufschaden.

        Insofern ist die Frage, ob MeToo nicht mit fundamentalen rechtsstaatlichen Prinzipien kollidiert, völlig legitim.

      • @Sam Spade:

        Eben nicht. "Jemandem glauben" im Sinne von "Du hast recht" ist etwas anderes als "Vorwürfe ernst nehmen" im Sinne von "Wir prüfen das". Ersteres ist eine Vorverurteilung, in der der Beschuldigte seine Unschuld beweisen soll, letzteres ein offenes Verfahren, in dem - in beide Richtungen - die Evidenz zählt.

        • @bestrosi75:

          Der Aussage einer Betroffenen zu Glauben bedeutet in diesem Sinne, dass ein Sachverhalt für hypothetisch wahr oder wahrscheinlich gehalten wird.

          Die Aussage wird nicht in Zweifel gezogen, stellt aber auch noch keine Gewissheit dar.

          Gewissheit wird dann im Rahmen einer objektiven, also unvoreingenommen und in beiden Richtungen offenen, Ermittlung versucht zu erlangen.

          • @Sam Spade:

            Wenn du die Aussage aber nicht in Zweifel ziehst, dann kannst du nicht objektiv und unvoreingenommen in beide Richtungen Ermittlungen führen. Denn um Beweise für den Angeklagten zu finden, muss man die Aussagen in Zweifel ziehen. Denn für eine unvoreingenommene offene Ermittlung muss man in Betracht ziehen das der/die Betroffene lügt.

            Und im Fall von Gelbhaar ist ja genau das passiert. Man hat die Vorwürfe nicht in Zweifel gezogen und nur der persönlichen Ermittlungen von Gelbhaar ist es zu verdanken, dass der Skandal aufgeflogen ist. Die Grünen haben es nicht bezweifelt und Gelbhaar abgeraten zu kandidieren (ohne eben offene Ermittlung, weil man nicht Zweifeln wollte, weil das Gebot war, man glaubt den Betroffenen).



            Der RBB hat es nicht in Zweifel gezogen, sonst wäre ihm aufgefallen, dass Anne K. gar nicht existiert.

            Man muss Zweifel an des Aussagen der Betroffenen haben, sonst ist eine objektive unvoreingenommene Ermittlung nicht möglich. Deshalb dürfen persönlich oder familiär Betroffene auch wegen Befangenheit nicht an Ermittlungen teilnehmen.

            • @Walterismus:

              Zitat: "Wenn du die Aussage aber nicht in Zweifel ziehst, dann kannst du nicht objektiv und unvoreingenommen in beide Richtungen Ermittlungen führen."

              Wieso nicht? Im Rahmen objektiver und unvoreingenommener Ermittlungen sucht man nach Beweisen und Plausibilitäten. Zweifel ergeben sich, wenn die nicht passen.

      • @Sam Spade:

        Der Unterschied zwischen einem Gerichtsverfahren und dem öffentlichen Social-Media-Mob oder einem parteiischen Ombudsverfahren ist aber, dass die Regeln (Gesetze) transparent sind und nicht im laufenden Verfahren geändert werden dürfen. Außerdem kann ein Antrag auf Befangenheit der*s Richters*in gestellt werden. Das Ombudsverfahren gegen Gelbhaar scheint weder transparent noch konsequent (Übergabe an Kommission) zu laufen.

        Meiner Meinung nach brauchen wir ein Gesetz, dass Beschwerdeverfahren grundsätzlich verbietet und unter Strafe stellt, deren Regelwerk nicht veröffentlich wurde, kein Recht auf Stellungnahme vorsieht und deren Regelwerk in einem laufenden Verfahren geändert wird. Dann haben alle die Wahl, ob sie in Unternehmen/Organisationen/Einrichten mit entsprechenden Regelwerk arbeiten/sich engagieren wollen oder nicht.

      • @Sam Spade:

        Das stimmt wiederum so nicht ganz. Im Kern hört sich die Ermittlungsbehörde an, was das mutmaßliche Opfer zu sagen hat. Und wenn es einen hinreichenden Verdacht auf eine Straftat gibt, dann wird ermittelt und ggf. ein Verfahren eröffnet. Dort wird dann die Glaubwürdigkeit der Zeugen inklusive der mutmaßlichen Opfer geprüft.



        "Betroffenen glauben" hieße praktisch, dass der Angeklagte schuldig ist, weil angeklagt. Siehe Gelbhaar.

        • @Kartöfellchen:

          Es ging in meinem Kommentar um reine Indizienfälle ohne Beweiskette, also Aussage steht gegen Aussage.

          Eben keine Zeugen oder sonstige gerichtlich verwertbare Beweise.

          Das ist schon ein gravierender Unterschied in der Verfahrensweise.

      • @Sam Spade:

        Grüne Jugend und der Fall Gelbhaar: Unschuldsvermutung? „Wir sind kein Gericht“

        „Die Unschuldsvermutung gilt immer vor Gericht“, erklärt Nietzard. „Aber wir sind eine Organisation, und wir sind kein Gericht.“



        www.sueddeutsche.d...87370?reduced=true

        • @Martin Sauer:

          Die können ja gerne so merkwürdiges Zeug glauben. Aber dann wäre das ein Indiz für evidente Wissenslücken über die Rechtsgrundlagen ihrer Arbeit. Wer die mißachtet und Ehrverletzungsdelikten nicht den nötigen Riegel vorschiebt, steht womöglich selbst mal vor dem Kadi.

    • @Kartöfellchen:

      Wenn egal wer, egal welchen Alters, egal wo zu mir kommt und sagt, dass er gehauen wurde, stelle ich ihm nicht zuerst die Frage, ob er sich auch wirklich sicher ist. "Wenn das nicht stimmt" ist im Klärungsprozess mit drin. Erstmal ist wichtig, dass er sich sicher fühlt, falls es der Wahrheit entspricht.

      Die Frage der Auswirkungen auf den Beschuldigten stellen sich danach. Natürlich muss eine vollständige Rehabilitation und Wiedergutmachung möglich sein. Aber nicht auf Kosten von anderer von Gewalt Betroffenen.