Liberale in der Union: Wo bleibt der Widerspruch?
Unionskanzlerkandidat Merz wirft gerade viele Positionen der CDU über Bord. Wo bleiben die Liberalen der Partei?
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D ie CDU schleift gerade viele ihrer Prinzipien. Die Rechtsstaatspartei will Maßnahmen durchsetzen, die mit dem Grundgesetz nicht vereinbar und europarechtlich mindestens zweifelhaft sind. Die Europapartei will nationales Interesse auf Kosten der EU nach vorne stellen, als bräuchte es in diesen Zeiten nicht eher mehr Zusammenhalt in der EU. Und die Zusage, im Bundestag keine Anträge zu stellen, die zu einer sogenannten Zufallsmehrheit mit der AfD führen könnten, um die extrem rechte Partei nicht weiter zu normalisieren, gilt auch nicht mehr. In einem atemberaubenden Tempo räumt Friedrich Merz Positionen ab, die in der Bundes-CDU lange als gesetzt galten. Und die Liberalen in der CDU? Ducken sich weg. Das ist fatal.
Natürlich ist es nicht leicht, seinen Kanzlerkandidaten kurz vor der Bundestagswahl auszubremsen. Zumal den Christdemokraten die Bundestagswahl 2021 noch in den Knochen steckt, bei der sie auch wegen fehlender Geschlossenheit scheiterte. Es gibt wohl auch tiefer liegende Gründe. Die CDU hat den Niedergang ihrer Schwesterparteien in anderen europäischen Ländern vor Augen. Und riesige Angst davor, einen weiteren Grundsatzstreit zum Thema Migration nicht zu verkraften.
Zu heftig waren die Auseinandersetzungen in den vergangenen zehn Jahren. Hinzu kommt die Sorge, dass die AfD bei der Bundestagswahl 2029 durch die Decke schießt, wenn die Anzahl der Geflüchteten nicht deutlich verringert wird. Auch deshalb verhalten sich jetzt viele loyal gegenüber Merz.
Nur: Man rettet die CDU nicht, indem man zulässt, dass sie sich inhaltlich immer mehr der AfD annähert und die Abgrenzung auf Bundesebene schleift. Es stimmt zwar: Die Zusage, nicht mit der AfD zusammenzuarbeiten oder gar zu koalieren, steht, das kann man Merz bislang glauben. Aber die Normalisierung der extrem rechten Partei schreitet munter voran.
Die CDU ist die entscheidende politische Kraft bei der Frage, ob die AfD in die Nähe der Macht gelangt. Jeden Schritt dahin gilt es zu verhindern. Deshalb ist jetzt Widerspruch in der CDU gefragt. Auch um ihrer eigenen Zukunft willen.
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