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Krieg in der UkraineEU gegen schnelle Waffenruhe

Die Mitgliedstaaten fordern einen vollständigen Abzug russischer Truppen als Bedingung für Verhandlungen. Und denken über neue Sanktionen nach.

Annalena Baerbock und Boris Pistorius (Mitte) in Brüssel Foto: imago

Brüssel taz | Die Europäische Union lehnt einen Waffenstillstand in der Ukraine und eine anschließende Verhandlungslösung ab. Die 27 Staats- und Regierungschefs der EU wollen sich bei ihrem Gipfeltreffen am Donnerstag in Brüssel vielmehr hinter die „Friedensformel“ von Ukraines Präsident Wolodimir Selenski stellen. Dies geht aus dem Beschlussentwurf für den zweitägigen Gipfel hervor, der der taz vorliegt.

Eine schnelle Waffenruhe hatte China vorgeschlagen. Sie ist Teil des umstrittenen 12-Punkte-Plans, den Präsident Xi Jinping bei seinem Staatsbesuch in Moskau mit Kremlchef Wladimir Putin diskutiert hat. Der chinesische Plan könne als Grundlage für eine Friedenslösung dienen, sagte Putin. Zugleich beschuldigte er die Ukraine und den Westen, nicht an einem Ende des Kriegs interessiert zu sein.

Der Beschlussentwurf für den EU-Gipfel verliert kein Wort über die chinesisch-russischen Vorstöße. Stattdessen stellt er sich hinter die ukrainische „Friedensformel“, die den vollständigen Abzug der russischen Besatzer vorsieht. Russland müsse seine Aggression beenden und die Truppen „sofort, vollständig und ohne Bedingungen“ aus dem gesamten Gebiet der Ukraine abziehen, so die EU.

Einen eigenen Plan zur Beendigung des Kriegs legen die Europäer nicht vor. Ratspräsident Charles Michel setzt vielmehr auf eine Fortsetzung des Militärkonflikts bis zum Sieg. „Eine Niederlage der Ukraine ist keine Option“, betont Michel. In seinem Einladungsschreiben für den Gipfel spricht sich Michel zudem für mehr und schnellere Waffen- und Munitionslieferungen in die Ukraine aus.

Schneller aufrüsten

Die EU-Außenminister hatten am Montag beschlossen, binnen zwölf Monaten bis zu eine Million Artillerie-Geschosse an die Ukraine zu liefern. Dafür sollen 2 Milliarden Euro aus der sogenannten Friedensfazilität fließen. Der EU-Gipfel will diesen Beschluss bekräftigen und sogar noch weiter gehen. Der schwedische EU-Vorsitz hat eine Aufstockung um 3,5 Milliarden Euro vorgeschlagen.

Auch der EU-Kommission geht die Aufrüstung nicht schnell genug. Binnenmarktkommissar Thierry Breton klappert derzeit die Waffenfabriken in der EU ab, um die Produktion anzukurbeln. Der Franzose bereitet zudem ein Gesetz vor, das Zahlungen aus dem EU-Budget ermöglichen soll. Bisher war dies nicht möglich; die Friedensfazilität wurde neben dem Gemeinschaftshaushalt eingerichtet.

Die EU will sich auch verstärkt um die Verfolgung von russischen Kriegsverbrechen in der Ukraine kümmern. Der Haftbefehl gegen Putin, den der Internationale Strafgerichtshof vor einer Woche wegen der Verschleppung von Kindern erlassen hatte, reicht den europäischen Staats- und Regierungschefs offenbar nicht aus – im Gipfelentwurf wird er fast beiläufig „zur Kenntnis“ genommen.

Die Staats- und Regierungschefs wollen Neuland betreten – und ein Sondergericht für „das Verbrechen der Aggression“ einrichten. Dafür ist der Strafgerichtshof in Den Haag nicht zuständig. Über die juristischen und praktischen Details sind sich die 27 EU-Staaten jedoch noch nicht einig. Auch über den Haftbefehl für Putin gibt es Streit; Ungarn hat einen EU-Beschluss mit seinem Veto blockiert.

Für Diskussionen beim Gipfel dürften auch die Sanktionen gegen Russland sorgen. Sie weisen immer noch Lücken auf und haben nicht die erwünschte Wirkung erzielt: Weder wurde „Russland ruiniert“, wie dies Außenministerin Annalena Baerbock vor einem Jahr gefordert hat, noch wurde der Krieg schnell beendet. Deshalb wird nun der Ruf nach einem weiteren, elften Sanktionspaket laut.

Die USA haben zudem Wirtschaftssanktionen gegen China ins Spiel gebracht. Die EU will aber nur dann mitziehen, wenn handfeste Beweise für chinesische Waffenlieferungen an Russland vorliegen. Bisher ist lediglich von Sturmgewehren die Rede. Das reiche nicht, sagen EU-Diplomaten. Falls Peking jedoch militärtaugliche Drohnen nach Moskau liefern sollte, müsse Europa reagieren. Für Deutschland wäre dies der „Worst Case“. Denn China ist der wichtigste Handelspartner, noch vor den USA. EU-Sanktionen würden den Handel stören und die deutsche Wirtschaft treffen.

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57 Kommentare

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  • ...was favorisieren denn die nicht EU Länder, ausgenommen USA & China ?



    Menschlich gesehen gibt es nur, für einen sofortigen Waffenstillstand zu plädieren, Pution zur Verantwortung zu ziehen und im Sinne der Weltbevölkerung - friedliche Verhandlungen, zum Wohle der Mehrheit aller Menschen, zu beginnen.

  • Alle seriösen Reportagen von der Donbass-Front machen deutlich, dass die Rückeroberung dieser Gebiete von einem beträchtlichen Teil der dortigen einheimischen Bevölkerung nicht gewünscht wird, weil viele (trotz oder wegen der schrecklichen Lage in unter russisch-separatistischer Knute mit Zwangsrekrutierungen usw.) dennoch weiter zu den Russen halten und die ukrainische Herrschaft ablehnen und fürchten. Auf der Krim wäre das noch drastischer. Das ist auch ein gravierender Unterschied zur Südukraine (Cherson, Odessa, Melitopol usw.), wo die große Mehrheit sehr deutlich gegen die russische Besatzung ist.



    Diese Fakten werden von Ukraineunterstützern leider immer verharmlost, auch die Tatsache, dass die Ukraine viele der dortigen Entscheider als "Kollaborateure" behandeln müsste bzw. jetzt schon so behandelt und dem Geheimdienst übergibt.



    Dieses Dilemma, das ein Erreichen des Kriegsziels einer Wiederherstellung der Grenzen von 2014 ohne massive Kriegsverbrechen "unsererseits" praktisch unmöglich macht, wird leider immer ausgeklammert.



    www.france24.com/e...s-for-russian-rule (AFP, schon älter, geändert hat sich das wohl nicht)



    www.nzz.ch/feuille...e-front-ld.1730385 (Szczepan Twardoch)



    taz.de/Ukrainische...er-Front/!5920532/ (Peggy Lohse)



    Alles keine ukrainekritischen Reporter, sondern offene Unterstützer der Ukraine.

  • ++EU gegen schnelle Waffenruhe++



    Da steckt ja schon in der Überschrift die Opfer Täter Umkehrung, Opfer ist die Ukraine, Täter Russland und ja, es gibt "kein recht auf einen Brutalen Völkerrechtswidrigen Angriffskrieg" mit dem Ziel des Genozids eines Landes!

    Wenn die Ukraine aufhört zu kämpfen, dann wird das Land von Russland unterworfen, mit der folge, das Putin alles Ukrainisches auslöschen wird.

    Und genau das ist das Ziel Putins, nach wie vor, erst, wenn die Ukraine in der Lage sein wird, die Russischen Truppen weiter zurück zu drängen, erst dann wird auch Putin auf Verhandlungen pochen.

    Denn die Krim wird er nicht verlieren wollen und können, denn dann ist Putin Politisch am Ende, das könnte er den Russen nicht mehr als Erfolg verkaufen!

  • 30 Jahre nach dem Ende des kalten Krieges haben auf beiden Seiten wieder die Militärstrategen das sagen. Die Europäische Union könnte sich mal was Eigenes einfallen lassen, aber, ach ja, wer ist denn die EU?

  • Oh je, Frau Wagenknecht wird toben, wenn sie "EU gegen schnelle Waffenruhe" liest und sich bestätigt fühlen.

  • Ich verstehe, dass sich viele User hier über den Artikel ärgern, aber wenn man versucht die Emotionen herauszulassen, sollte man feststellen, dass der Artikel sehr sachlich ist und sich mit vor allen Dingen mit Fakten beschäftigt. Natürlich mag man anderer Meinung sein, aber Diffamierungen wie "demagogisch" sind nun wirklich unpassend.

    Ich kann sehr gut nachvollziehen, wenn hier z.B argumentiert wird, dass nur eine russische Niederlage zu einem dauerhaften Frieden führen könnte.



    In der Praxis ist das meiner Meinung nach zwar unrealistisch (es müsste schliesslich eine totale Niederlage sein). Ich finde es sehr schade, dass sich die Befürworter einer vor allen Dingen diplomatischen Lösung uns die Befürworter einer vor allen Dingen militärischen Lösung oft gegenseitig diffamierten a la "Kriegstreiber" oder "Putinversteher" - dabei ist doch anzunehmen, dass trotz dieser ganz unterschiedlichen Strategien zumindestens das Ziel identisch ist; dauerhafter Frieden in der Ukraine!

    • @Alexander Schulz:

      Grenzen von 2013 und Reparationen für den angerichteten Schaden und ein paar Verurteilungen in Den Haag ist keine totale Niederlage.

    • @Alexander Schulz:

      Es kann nur einen geben. Wladimir oder Wlodomir. Was für eine diplomatische Lösung soll es dafür geben? Einer von beiden muss weg! Am besten alle beide.

  • Ich glaube, dass es, so unsympathisch mit beide Regime sind, sehr unklug wäre, sich auch noch dem amerikanischen Wirtschaftskrieg gegen China anzuschließen. Mal abgesehen davon, dass China schon jetzt einer vollständigen Niederlage Russlands vermutlich nicht tatenlos zusähe, würde eine solche Frontenziehung nicht weniger bedeuten als einen neuen kalten Krieg.

    • @Agarack:

      Was verstehen Sie denn unter einer "vollständigen" Niederlage Russlands?

      Wenn sich die russische Armee vollständig aus der Ukraine zurückzieht, wird China wohl kaum etwas unternehmen, damit sie dableibt.

      Ukrainische Truppen in Moskau sind dagegen nicht realistisch.

    • @Agarack:

      Der neue kalte Krieg läuft längst, würde ich sagen. Er ist nur nicht so offensichtlich, weil sich die Parteien aus dem sehr einseitigen Machtvakuum nach Ende des "ersten" Kalten Krieges erst herauskristallisieren. (aus dem WK2 sind ZWEI Supermächte siegreich hervorgegangen, aus dem Kalten Krieg nur eine, die dann in erhebliche Erklärungsnöte für ihren Dominanzanspruch geraten ist) Deshalb mussten die neuen Fronten anders und behutsamer aufgebaut werden.

      Aber jetzt stehen sie. Ihre offenen, zwischen diplomatisch und militärisch wabernden Reibungspunkte liegen im Donbass, in der Straße von Formosa, im Baltikum, Syrien, aber auch im südchinesischen Meer oder am 38. Breitengrad in Korea. Ökonomisch findet man sie im predatorisch geführten Konkurrenzkampf um Märkte und überall da, wo beide Seiten sich Einfluss über wirtschaftliche Beziehungen "kaufen", von denen sie sehr klar machen, dass die gefälligst auch politische Loyalität einzuschließen haben.

      Wir Westeuropäer haben seit 2014 in Bezug auf Russland und in Bezug auf China frühestens seit Tian’anmen und spätestens seit letztem Februar ignoriert, dass dieser Konflikt schon lange nicht mehr nur "droht" - und deshalb darauf verzichtet ihn auszutragen. In Bezug auf Russland war das schon mal keine gute Idee...

      • @Normalo:

        Ich sehe das durchaus zwiespältig, die Zeiten, in denen auch die USA noch hervorragende Handelsbeziehungen mit China hatten, sind ja noch nicht so lange her. Ich bin persönlich auch der Ansicht, dass eine echte Versöhnung mit Russland durchaus möglich gewesen wäre, wenn man das Land in den 90ern sehr viel aktiver unterstützt hätte, als es wirtschaftlich am Boden lag. Man hat zudem ja mit dem eigenen Verhalten in zahlreichen Konflikten (Kosovo, Irak), stets unter Missachtung des Völkerrechts, ziemlich gnadenlos die eigene Vorherrschaft zu zementieren versucht. Ich glaube, dass man damals gewisse Weichen anders hätte stellen können. Aber was hilft's, im Grunde sind die Zeiten vorbei, in denen das eine realistische Option wäre.



        Ich kann jedenfalls nur hoffen, dass Ihre pessimistische (aber nicht unrealistische) Haltung sich nicht bestätigt und uns die Verhärtung der Fronten erspart bleibt.

        • @Agarack:

          "Pessimismus" beschreibt eine Tendenz in der Bildung von Erwartungen für die Zukunft. Ich schrieb von der Gegenwart.

  • Man sollte vielleicht klarstellen, dass die EU in diesem Krieg keine Waffe führt. Sie kann also auch nicht beschließen, dass es keinen WaffenSTILLSTAND geben wird, sondern allenfalls, dass sie es billigend - und hoffentlich auch helfend - der Ukraine überlässt, ihre territoriale Integrität wieder herzustellen.

    Wenn Wolodimir Selenkiy z. B. schon nach einem nennenswerten Teilabzug der Russen aus der Ostukraine bereit sein sollte, die Waffen schweigen zu lassen und zu verhandeln, dann wird ihn die EU nicht mit der Peitsche zurück an die Front treiben. Die Aussage ist einfach nur, dass man ihm nicht in den Rücken fallen wird, wenn er sich NICHT mit einem Teilabzug zufrieden gibt.

    • @Normalo:

      Naja, ganz so einfach ist es denke ich auch nicht. Wozu ein Selenskiy bereit ist, hängt ja mit Sicherheit auch maßgeblich davon ab, wofür alles Rückendeckung in Aussicht ist. Durch die Lieferungen entsteht ja auch politischer Druck, sich nicht mit "zu wenig" zufriedenzugeben.

      • @Agarack:

        Ihnen ist schon schon klar, was die Ukrainer motiviert, oder?

        Glauben Sie, die Ukrainer haben die russische Heerwalze aufhalten können, nur weil ihnen irgendwelche westlichen Machtinteressen im Nacken saßen?? Glauben Sie die Ukrainer KÖNNTEN die russische Armee niederringen, wenn sie nicht mehr als besagte Machtinteressen und eine autoritäre Befehlskette als Motivation hätten?

        Will sagen: Dieser Krieg ist vorbei, wenn eine Seite die Kampfmoral verliert. da können sich die internationalen Unterstützer von Brüssel über Washingtoin bis Peking auf die Hände stellen und mit den Beinen wackeln.

        Auf russischer Seite mag es dafür nicht mehr als ein Erodieren der Zwangsstrukturen innerhalb der Befehlskette brauchen. Den Ukrainern müsste man da schon weit tiefergehend den Kampfgeist brechen. Aber WENN das passiert, dann kann auch kein egoistischer Potentat im Hintergrund sie noch zum Sieg peitschen. Und DAS wissen auch die EU-Führungen nur zu gut.

        Davon abgesehen: Es mag ja der Logik der russischen Kriegspropaganda entsprechen, dass Selenskiy nur die Marionette expansionistischer Aktivitäten des Westens sei. Der gegenteilige westliche Narrativ, also dass die Ukraine ein freies, souveränes Land ist und ihr Schicksal selbst entscheiden können muss, ist aber für uns Wähler hier im Westen entscheidend für unsere Unterstützung des Kurses unserer Regierungen. Da wird nicht einer der beiden zentralen Staatenbünde des Westens so blöd sein, die Marionettentheorie zu bestätigen.

        Es ist ja auch beileibe nicht so, als würde Selenskyi ungefragt mit Material zugeschüttet. Im Gegenteil bekommt er in aller Regel weniger, als er gerne hätte. Der Druck auf Selenskyi aus europäischer Sicht ist also am Ehesten, möglichst mit dem hinzukommen, was seine Unterstützer locker machen können. Aber seine Leute länger als aus ukrainischer Sicht nötig gegen die Russen anrennen zu lassen, wäre sinnlos und kann von ihm auch niemand erzwingen.

        • @Normalo:

          Aber natürlich hat die EU-Entscheidung eine weitreichende Bedeutung für den Verlauf und Ausgang des Krieges … denn die EU kann hinter diese eindeutige Positionierung nicht mehr zurück. Ob man das mutig oder dumm (im Hinblick auf Kompromisslösungen) findet, liegt wiederum im Auge des Betrachters.



          Und ich halte es für äußerst unwahrscheinlich, dass Selenskyi und die Ukrainer zurückrudern können, wenn die weitere Entwicklung in diesem Krieg ungünstig für sie verläuft … da hat die EU jetzt doch wohl Tatsachen geschaffen, die die Ukraine nicht ignorieren kann. Jedoch stellt sich diese Frage überhaupt nicht, da es für die Russen momentan eher schlecht läuft … und ich optimistisch davon ausgehe, dass das auch so bleiben wird.



          Also im Grunde ist es eine europäische Festlegung auf die ukrainischen Kriegsziele, die Selenskyi den Rücken stärken soll, zugleich aber auch ein Signal für ihn, gegenüber Putin bloß nicht „in den Sack zu hauen“, wird es auch noch so schwierig.



          Viel entscheidender finde ich jedoch die Signalwirkung Richtung Washington: Biden hat ja bisher eher taktierend und ausweichend reagiert in der Festlegung der westlichen Kriegsziele, nicht ganz unähnlich unserem Kanzler. Jetzt hat hier Europa die Initiative ergriffen und Biden muss nun folgen. D.h., Sieg für die Ukraine im Sinne der Wiederherstellung ihrer staatlichen Souveränität in den Grenzen von vor 2014, aber definitiver Ausschluss einer weitergehenden direkten militärischen Intervention, etwa mit dem Ziel, Putin zu stürzen.



          Ich denke mal, die ostmitteleuropäischen Verbündeten haben sich in diese Richtung mehr erwartet, aber man kann sagen, die Anti-Putin-Allianz hat jetzt eine einheitliche, unmissverständliche Linie. Lediglich militärische Unterstützung zu gewähren - in welchem quantitativen und qualitativen Umfang auch immer - ist ja noch keine politische Aussage darüber, was man als Bündnis politisch selbst für die Zukunft anstreben will.

          • @Abdurchdiemitte:

            "Also im Grunde ist es eine europäische Festlegung auf die ukrainischen Kriegsziele, die Selenskyi den Rücken stärken soll, zugleich aber auch ein Signal für ihn, gegenüber Putin bloß nicht „in den Sack zu hauen“, wird es auch noch so schwierig."

            Dieses "Signal" würde Selenskiy aber offensichtlich ignorieren, wenn ein erheblicher Teil seines Militärs oder er selbst den Glauben verliert, dass die Ukraine den Krieg (mit materlieller Hilfe von außen aber personell aus eigener Kraft) gewinnen oder auch nur weiter führen kann. Im Zweifel KÖNNTE er gar nicht anders - die Leute an der Front sind keine Roboter. Insofern ist letzlich nur die rückenstärkende Funktion von Gewicht.

            Ich weiß nicht, wieso sich so verbreitet diese sture Überzeugung eingegraben hat, Selenskiy sei in irgendeiner Weise von Brüssel oder Washington aus zum Kriegführen verdammbar. Das ist er nicht. Er sieht zwar explizit auch die eigennützige Motivation seiner Unterstützer, Putin durch die Ukraine aufgehalten zu sehen, aber an keiner Stelle ist erkennbar, dass er daraus irgendeine Schuldigkeit ihnen gegenüber herleitet - außer der, sich zu bedanken. Er wird weiter dieses Eigeninteresse des Westens zur Nachschubbeschaffiung instrumentalisieren, aber sicher nicht seine Landsleute auf dem Altar etwaiger westeuropäischer "Quid pro quo"-Erwartungen opfern. Und das dürfte auch unsere Politik glasklar sein.

            "Viel entscheidender finde ich jedoch die Signalwirkung Richtung Washington:..."

            Nun, Washington hat sich ja wohl mittlerweile geäußert und diplomatisch durchblicken lassen, dass es Verhandlungen befürwortet, territoriale Zugeständnisse aber voll in das Ermessen Kiews legt. Das läuft - gerade im Licht des Kriegsverlaufs - auf dieselbe Linie wie die der EU hinaus, klingt nur weniger rigoros.

            • @Normalo:

              Ja, das Statement Blinkens habe ich auch schon zur Kenntnis genommen.



              „ … weniger rigoros“? Das interpretiere ich doch ein bisschen anders.

        • @Normalo:

          Da haben Sie mich etwas missverstanden, ich rede gar nicht unbedingt von außenpolitischem Druck, sondern hauptsächlich von innenpolitischem Erfolgsdruck. Dieser wächst mit der internationalen Unterstützung fast zwangsweise, denn durch diese steigen auch die Erwartungen an die eigenen Möglichkeiten. Gerade weil die Ukrainer*innen offenbar mehrheitlich mit großer Entschlossenheit kämpfen, ist das aus meiner Sicht eine durchaus reelle Gefahr. Das macht Selenskiy nicht zu irgendjemandes Marionette, aber es schafft Abhängigkeiten, die an dieser Stelle eben auch problematisch sein können, weil sie das Risiko bergen, die eigenen Möglichkeiten zu überschätzen - und es schwieriger machen, am Ende einen Kompromiss zu finden.

          Es gibt zudem offene Fragen, deren Beantwortung durchaus von der Art der Unterstützung abhängen dürfte. Der zukünftige Status der Krim ist aus meiner Sicht so eine Frage. Bei aller Entschlossenheit werden die Ukrainer kaum versuchen, diese zu erobern, wenn die NATO das nicht unterstützt.

          • @Agarack:

            Genau da sehe ich aber den Punkt, an dem eben das Selbstbestimmungsrecht der Ukrainer vorgeht. Sie sind keine Kinder, und es ist ihr Land, um das es geht, und primär ihre Opfer, die sie dafür bringen. Die Waffenlieferungen üben insoweit keinen Druck aus sondern eröffnen Optionen. Der Druck, diese zu nutzen, kommt in der Tat von innen, und da ist er auch genau richtig verortet: Wenn (nach Möglichkeit) Weiterkämpfen der Wille des ukrainischen Volkes ist, dann ist DAS maßgeblich - und nicht irgendeine wohlmeinend über den Nachschubshahn oktroyierbare Ansicht der EU.

  • [...] Beitrag entfernt. Bitte beachten Sie die Netiquette. Vielen Dank! Die Moderation

  • "Die Europäische Union lehnt einen Waffenstillstand in der Ukraine und eine anschließende Verhandlungslösung ab."

    Wie bitte?

    • @drafi:

      Das haben Sie schon richtig verstanden … es ist eine verbindliche Zusage, die Ukraine so lange zu unterstützen, bis diese ihre Kriegsziele erreicht. Was Selenskyi fordert, ist ja hinreichend bekannt.



      Ob wir das gut oder schlecht finden, steht auf einem ganz anderen Blatt.

  • Und wie es eben so ist. Den Freunden der Kapitulation der Ukraine fällt zu diesem Artikel jede Menge ein und die Empörung ist groß.

    Zu dem Artikel daneben

    "Angriffe auf Ukraine: Massive Luftangriffe"

    taz.de/Angriffe-auf-Ukraine/!5923866/

    fällt ihnen rein gar nichts ein. Weil, die russischen Angriffe sind das natürliche, das, was eben so ist, die Verteidigungsmaßnahmen der Ukraine und die Unterstürzung, die sie dabei durch den Westen erhält, die sind das unnatürliche, das gefährliche, das, was unbedingt beendet werden muss.

    Von der militärischen Unterstützung durch den Iran, zu dem den Friedensfreunden generell wenig einfällt, mag der Terrorstaat noch so viele Leute aufhängen, von der haben sie wahrscheinlich noch nie etwas gehört.

    In der Bibel nennt man solche Leute wohl Pharisäer, wenn ich mich nicht täusche.

  • Es wäre halt keine Waffenruhe es wäre eine Atempause für Russland bevor es wieder angreift. Dauerhaften Frieden gibt es nur durch eine russische Niederlage alles andere ist eine Illusion.

    • @Machiavelli:

      Meinen Sie mit „russischer Niederlage“ einen ukrainischen Sieg im Sinne der Wiederherstellung der völkerrechtlich verbindlichen Grenzen einschließen der Krim … oder das Niederringen des Putinismus (und damit des russischen Expansionismus), notfalls mit militärischer Gewalt?



      Letzteres wird mit dem EU-Beschluss ja ausgeschlossen, denke ich. Insofern werden Ihre Erwartungen enttäuscht.

      • @Abdurchdiemitte:

        Vertreibung aus der Ukraine. Eine niederlage ist es schon ab dem Moment wo Russland nicht die Bedingung diktieren kann.

  • Inwiefern soll die EU gegen eine Waffenruhe sein?

    Sobald sich Russlands Truppen sich auf sein eigenes Staatsgebiet zurückziehen, ruhen doch die Waffen.

  • Diese Stellungnahme inkludiert die Krim und macht jegliche Verhandkungen ohne Regime Change in Russland unmöglich. Zusammen mit dem Haftbefehl ist das ein All-in. Der Krieg könnte noch lange gehen.

    Es ist damit auch klar, dass der weitere Verlauf von den Stimmungen in den USA abhängt. Wenn sich dort im Verlauf der nächsten Wahlen der Wind dreht, ist die Frage, was Europa dann macht.

    • @J_CGN:

      Alles Kaffeesatz, solange Putin nicht einmal daran DENKT, auch nur einen Quadratmeter besetztes Gebiet ohne Kampf zurückzugeben.

      Russland könnte ruhig erstmal die Ostukraine räumen (und meinetwegen gut sichtbar an der Grenze aufgestellt bleiben). Ob dann wirklich von Kiew aus Alles auf "Weiterkämpfen" bleibt, nur weil die Krim noch besetzt ist? Nein, DANN könnte verhandelt werden - sicher auch über die Krim.

      Es ist auch völlig richtig von der EU, der Ukraine zu überlassen, sich konzilianter zu zeigen, als das Völkerrecht es erlaubt. Es ist ukrainisches Blut, das vergossen wird, und wenn die Ukraine beschließt, dass es damit gut sein soll, dann wird die EU sie nicht hindern. Umgekehrt stellt dieses Statement klar, dass die EU die Ukraine nicht im Stich lassen wird, wenn die ihr ganzes Territorium zurückhaben will.

  • 6G
    669190 (Profil gelöscht)

    Die Waffenindustrie soll weiter Gewinne einfahren, oder?!



    Was anderes ist ja schon kaum mehr denkbar, wenn die EU solche Signale setzt …



    Unklug bis dorthinaus.



    Und kurzsichtig dazu.

    • @669190 (Profil gelöscht):

      Was für ein Signal soll sie DENN setzen??

      Selenskiy, mach mal halblang, der Putin ist halt stärker, also "Kusch, an den Verhandlungstisch!"???

      Es ist nicht Sache der EU, Selensky vorzuschreiben, wann er seine nKrieg zu beenden hat, solange der Zustand, in dem sich die Ukraine befindet so ist, dass die EU Staaten es selbst nicht hinnehmen würden, wenn es sie beträfe.

  • Das liest sich wie der Plan für den Weg in den direkten Kriegseintritt der EU, samt Wirtschaftssanktionen gegen China.

    Das ist ökonomischer und militärischer Selbstmord!

  • Bin eigentlich nur fassungslos und traurig, wenn ich den Artikel lese. Erschreckend ist für mich nach wie vor, wie schnell die Kriegsbereitschaft gerade bei den Grünen gewachsen ist.



    Dass Herr Putin sich so verhält überrascht mich nicht, aber dass Deutschland und andere Europäische Länder als Reaktion auf die Aggression so schnell bereit sind sämtliche Skrupel über Bord zu werfen



    erschüttert mich.

    • 8G
      80410 (Profil gelöscht)
      @Bürger L.:

      Fun Fact zum Thema "Provokation":

      Nach Putins Rede zum Tag des Verteidigers des Vaterlandes rappte der russische Soldat Nikolaij Romanenko (in ein etwas lächerlichen Referenz auf das Lied Katjuscha und auf den Zweiten Weltkrieg) folgendes:

      "Ich habe keine Angst, Blut an meinen Händen zu haben. Es ist Krieg und wir haben ihn nicht begonnen. Wir werden diesen Krieg beenden, aber es ist nicht bekannt, wann genau. Die leuchtend rote Flagge wird über Berlin wehen, aber in der Zwischenzeit tränkt rotes Blut den Boden."

      Provokation oder Zufall? Geben Sie jetzt Ihren Tipp ab.

      Quelle: ab Minute 50 hier www.youtube.com/watch?v=sNbBrUh-g-Q

      • 6G
        675385 (Profil gelöscht)
        @80410 (Profil gelöscht):

        Da die rote Fahne Vergangenheit ist… wohl eher Zufall.

        • 8G
          80410 (Profil gelöscht)
          @675385 (Profil gelöscht):

          "Da die rote Fahne Vergangenheit ist" - Da haben Sie wohl den elementaren Antrieb hinter diesem Krieg nicht verstanden.

    • @Bürger L.:

      Skrupellos? Meinen Sie damit, entschieden gegen das Recht des Stärkeren, Imperialismus und Zerstörung einer regelbasierten Weltordnung einzutreten?

    • @Bürger L.:

      "Dass Herr Putin sich so verhält überrascht mich nicht, aber dass Deutschland und andere Europäische Länder als Reaktion auf die Aggression so schnell bereit sind sämtliche Skrupel über Bord zu werfen erschüttert mich."



      Dieses Gleichsetzen von Putin und EU erschüttert mich. Wurde irgendwo beschlossen, Russland zu überfallen?

    • @Bürger L.:

      Inwiefern ist es skrupellos, Hilfe bei der Verteidigung zu leisten?

      • @Höhlen!=:

        Das Schlimme an einem Krieg ist... der Krieg.



        Es ist skrupellos, einen Waffenstillstand abzulehnen.

        • @sollndas:

          "Es ist skrupellos, einen Waffenstillstand abzulehnen."



          So formuliert - mag sein.



          Man kann es allerdings auch skrupellos finden, den Folterungen, Morden und Kindsverschleppungen in den besetzten Gebieten zuzusehen und das dann noch als moralisch hochstehend verkaufen zu wollen.

      • @Höhlen!=:

        Hilfe bei der Verteidigung ist ok. Aber diese Positionierung ist weit jenseits dieser. Und vor allem dient sie mehr der eigenen Sebstvergewisserung. Man hätte auch einfach mal den Mund halten können.

      • @Höhlen!=:

        Warum skrupellos?

        Weil Waffen - egal von welcher Seite, aus welchem Grund eingesetzt - Menschen töten, schwer verletzen oder verstümmeln.

        Waffenruhe oder Waffenstillstand - egal aus welchem Grund auch immer vereinbart - unterbricht das Töten, Verletzen, Verstümmeln.

        Was bedeutet dann wohl die Ablehnung von Waffenruhe?

        • @Bürger L.:

          Die EU ist überhaupt nicht kriegsbereit sondern allenfalls hilfswillig. Denn aktuell ist kein EU-Soldat in ireggendeiner Gefahr, im Ukrainekrieg zu fallen.

          Es steht daher auch AUSSCHLIESSLICH der Ukraine zu, zu entscheiden, ob sie den Kampf VOR Wiederherstellung ihres rechtmäßigen territorialen Zustands einstellt oder nicht. Die EU hat ihr da keine Grenzen zu setzen.

          Also tut sie es nicht. Das hat nichts mit Kriegsbereitschaft zu tun-

        • @Bürger L.:

          "Waffenruhe oder Waffenstillstand - egal aus welchem Grund auch immer vereinbart - unterbricht das Töten, Verletzen, Verstümmeln."



          Nein. Das tut es eben nicht. Wenn Ihnen Butscha nicht reicht, fragen Sie mal in Tschetschenien nach.



          "Was bedeutet dann wohl die Ablehnung von Waffenruhe?"



          Die Anerkennung von Realitäten.

        • @Bürger L.:

          Meinen Sie, dass nach einem Diktatfrieden Russland nicht mehr systematisch foltert, deportiert, tötet, verletzt und verstümmelt? Wen wollen Sie mit ihrem fundamentalpazifistischen Ansatz eigentlich retten, die ukrainische Bevölkerung, die sich entschieden gegen einen Überfall wehrt, oder doch eher sich selbst vor einer Ausweitung des Krieges ?

          • @Rinaldo:

            Oder sich selbst vor dem Eingeständnis, dass man man sich irrt und manchmal eben doch Gewalt der einzige Weg ist, um Leid zu unterbinden.

  • 4G
    47351 (Profil gelöscht)

    China hat keinen Friedensplan vorgelegt. Noch nicht einmal ein Plänchen, sondern ein Sammelsurium von Kalendersprüchen.

    Und nach dem Besuch bei und der Unterstützung von Putin sind Chinas Verweise auf die UN-Charta eigentlich nur noch peinlich.

    • @47351 (Profil gelöscht):

      So richtig begeistern kann aber auch die "die „Friedensformel“ von Ukraines Präsident Wolodimir Selenski" nicht, gelle. Und immer, wenn ich das Wort "Friedensfazilität" kommt mir der Kaffee und George Orwell hoch.



      Wer keinen Frieden will, rüste zum Krieg.

  • Könnte es sein, dass sich abzeichnende kriegerische Eskalation auf Teile von Europa ausdehnen?



    Die Strategie der EU liest sich wie eine Generalmobilmachung.....



    Wie wird China reagieren, wenn es von Wirtschaftsanktionen der EU und den USA überzogen wird und welche Auswirkungen wird es auf unsere Wirtschaft und den gesellschaftlichen Zusammenhalt haben? Ich befürchte schlimmes......

    • @KielerSprotte:

      Also die Lieferschwierigkeiten wegen der Corona Ausfälle waren schon verheerend.



      Russland zu sanktionieren ist eine Sache.



      China dagegen eine ganz andere Hausnummer. Das überlebt die EU wirtschaftspolitisch nicht. Ich kann davon nur abraten es sein, denn man möchte das dann überall Rechtsnationalen Kräfte an die Macht kommen.

    • @KielerSprotte:

      "Könnte es sein, dass sich abzeichnende kriegerische Eskalation auf Teile von Europa ausdehnen?"



      Allerdings. Russland bereitet offenbar zumindest mental das Kriegsgebiet Moldau vor.

      "Die Strategie der EU liest sich wie eine Generalmobilmachung."



      Dann sollten Sie sie vielleicht noch einmal lesen?

    • @KielerSprotte:

      Generalmobilmachung müssten Sie erklären.

      Dass sich verschiedene EU-Länder akut bedroht fühlen, ist logisch.

      Sie haben halt Putin und co. zugehört.

      Am Beispiel Ukraine sieht man, dass seinen Worten auch Taten folgen.

  • Am 10. Dezember 2012 erhält die Europäische Union den Friedensnobelpreis.



    - Die Idee war mal gut