Krieg in der Ukraine: EU gegen schnelle Waffenruhe

Die Mitgliedstaaten fordern einen vollständigen Abzug russischer Truppen als Bedingung für Verhandlungen. Und denken über neue Sanktionen nach.

Eine Gruppe von StaatsvertreterInnen

Annalena Baerbock und Boris Pistorius (Mitte) in Brüssel Foto: imago

BRÜSSEL taz | Die Europäische Union lehnt einen Waffenstillstand in der Ukraine und eine anschließende Verhandlungslösung ab. Die 27 Staats- und Regierungschefs der EU wollen sich bei ihrem Gipfeltreffen am Donnerstag in Brüssel vielmehr hinter die „Friedensformel“ von Ukraines Präsident Wolodimir Selenski stellen. Dies geht aus dem Beschlussentwurf für den zweitägigen Gipfel hervor, der der taz vorliegt.

Eine schnelle Waffenruhe hatte China vorgeschlagen. Sie ist Teil des umstrittenen 12-Punkte-Plans, den Präsident Xi Jinping bei seinem Staatsbesuch in Moskau mit Kremlchef Wladimir Putin diskutiert hat. Der chinesische Plan könne als Grundlage für eine Friedenslösung dienen, sagte Putin. Zugleich beschuldigte er die Ukraine und den Westen, nicht an einem Ende des Kriegs interessiert zu sein.

Der Beschlussentwurf für den EU-Gipfel verliert kein Wort über die chinesisch-russischen Vorstöße. Stattdessen stellt er sich hinter die ukrainische „Friedensformel“, die den vollständigen Abzug der russischen Besatzer vorsieht. Russland müsse seine Aggression beenden und die Truppen „sofort, vollständig und ohne Bedingungen“ aus dem gesamten Gebiet der Ukraine abziehen, so die EU.

Einen eigenen Plan zur Beendigung des Kriegs legen die Europäer nicht vor. Ratspräsident Charles Michel setzt vielmehr auf eine Fortsetzung des Militärkonflikts bis zum Sieg. „Eine Niederlage der Ukraine ist keine Option“, betont Michel. In seinem Einladungsschreiben für den Gipfel spricht sich Michel zudem für mehr und schnellere Waffen- und Munitionslieferungen in die Ukraine aus.

Schneller aufrüsten

Die EU-Außenminister hatten am Montag beschlossen, binnen zwölf Monaten bis zu eine Million Artillerie-Geschosse an die Ukraine zu liefern. Dafür sollen 2 Milliarden Euro aus der sogenannten Friedensfazilität fließen. Der EU-Gipfel will diesen Beschluss bekräftigen und sogar noch weiter gehen. Der schwedische EU-Vorsitz hat eine Aufstockung um 3,5 Milliarden Euro vorgeschlagen.

Auch der EU-Kommission geht die Aufrüstung nicht schnell genug. Binnenmarktkommissar Thierry Breton klappert derzeit die Waffenfabriken in der EU ab, um die Produktion anzukurbeln. Der Franzose bereitet zudem ein Gesetz vor, das Zahlungen aus dem EU-Budget ermöglichen soll. Bisher war dies nicht möglich; die Friedensfazilität wurde neben dem Gemeinschaftshaushalt eingerichtet.

Die EU will sich auch verstärkt um die Verfolgung von russischen Kriegsverbrechen in der Ukraine kümmern. Der Haftbefehl gegen Putin, den der Internationale Strafgerichtshof vor einer Woche wegen der Verschleppung von Kindern erlassen hatte, reicht den europäischen Staats- und Regierungschefs offenbar nicht aus – im Gipfelentwurf wird er fast beiläufig „zur Kenntnis“ genommen.

Die Staats- und Regierungschefs wollen Neuland betreten – und ein Sondergericht für „das Verbrechen der Aggression“ einrichten. Dafür ist der Strafgerichtshof in Den Haag nicht zuständig. Über die juristischen und praktischen Details sind sich die 27 EU-Staaten jedoch noch nicht einig. Auch über den Haftbefehl für Putin gibt es Streit; Ungarn hat einen EU-Beschluss mit seinem Veto blockiert.

Für Diskussionen beim Gipfel dürften auch die Sanktionen gegen Russland sorgen. Sie weisen immer noch Lücken auf und haben nicht die erwünschte Wirkung erzielt: Weder wurde „Russland ruiniert“, wie dies Außenministerin Annalena Baerbock vor einem Jahr gefordert hat, noch wurde der Krieg schnell beendet. Deshalb wird nun der Ruf nach einem weiteren, elften Sanktionspaket laut.

Die USA haben zudem Wirtschaftssanktionen gegen China ins Spiel gebracht. Die EU will aber nur dann mitziehen, wenn handfeste Beweise für chinesische Waffenlieferungen an Russland vorliegen. Bisher ist lediglich von Sturmgewehren die Rede. Das reiche nicht, sagen EU-Diplomaten. Falls Peking jedoch militärtaugliche Drohnen nach Moskau liefern sollte, müsse Europa reagieren. Für Deutschland wäre dies der „Worst Case“. Denn China ist der wichtigste Handelspartner, noch vor den USA. EU-Sanktionen würden den Handel stören und die deutsche Wirtschaft treffen.

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