Konsumverzicht hilft nicht weiter: SUV fahren – und spenden
Für den Klimaschutz bringt es wenig, den Konsum einzuschränken, findet Philosoph Bernward Gesang. Besser sind Spenden.
L iegen wir beim Klimaschutz mit unseren Erwartungen an den Einzelnen falsch? Als Handlungsempfehlungen für das Individuum gelten: Jeder soll Fahrrad fahren, die Kulturpraxis des Grillens einstellen und nicht fliegen. Aber ist das effizient? Die Zahlen sprechen eine andere Sprache.
Ein Auto zu kaufen, es 75.000 Kilometer zu fahren und dann zu verschrotten, verursacht etwa 20 Tonnen CO2, so der ADAC. Außerdem kostet der Spaß rund 30.000 Euro. Wenn ich auf das Auto verzichte, entgeht mir also Wohlergehen im Werte von mindestens 30.000 Euro. Gleichzeitig würde es aber nur etwa 460 Euro kosten, um die 20 Tonnen CO2-Emissionen meines Autos zu kompensieren, wie Atmosfair berechnet hat. Diese Zahlen verdeutlichen einen Größenunterschied: Kompensieren ist 45-mal effektiver, als das eigene Verhalten umzustellen. Zudem ist dies nicht der einzige Denkfehler bei der Idee, man müsse zwingend seinen Konsum verändern, um den Klimaschutz voranzubringen.
Dazu gleich mehr, aber zunächst ist einem anderen Einwand zu begegnen: Manche merken an, dass das Individuum sowieso nicht die richtige Adresse sei, um über Pflichten beim Klimaschutz zu reden. Dies sei ein Problem kollektiven Handelns und daher des Staates. Fakt ist jedoch, dass die Staaten versagen und ihren Job nicht machen. Die USA haben sich viele Jahre Auszeit beim Klimaschutz genommen, und auch der europäische Emissionshandel funktioniert immer noch nicht. Klimaschutz ist aber zu wichtig, um unerledigt zu bleiben. Also: Was kann der Einzelne tun?
Am Besten wäre es, für den Regenwald zu spenden. Es wäre sehr effektiv, armen Menschen in den Tropen zu helfen, so dass sie genügend Einkommen erzielen, ohne dass sie ihr Land an Konzerne verkaufen müssen, die dann den Regenwald roden. Dies bekämpft nicht nur die Armut, sondern bewirkt auch Klima-, Tier-, Arten- und Pandemieschutz. Voraussetzung ist natürlich, dass wir an eine geprüfte Hilfsorganisation spenden, wo das Geld tatsächlich sicher bei den Armen und im Regenwald ankommt (in Deutschland etwa bei Fairventures Worldwide oder international bei Cool Earth).
Fast niemand will seinen Lebensstil aufgeben
Bei dieser Strategie überfordern wir uns nicht so schnell, denn Geld zu geben fällt uns deutlich leichter, als unser Verhalten radikal umzustellen. Zumal die Gefahr besteht, dass es sogar kontraproduktiv wäre, von den Menschen zu verlangen, ihren Alltag drastisch zu verändern: Viele Leute werden sich gegen Klimaschutz aussprechen, sobald sie wahrnehmen, dass nicht nur Pappbecher zu vermeiden sind, sondern unser kompletter Lebensstil zur Disposition steht. Solange Klimaschutz primär freiwillig geschehen muss, weil die Staaten versagen, ist es nicht sinnvoll, Strategien zu propagieren, die ineffizient und motivationszerstörend sind.
Die Strategie „spende und ersetze“ gilt nur für eine begrenzte Zeit – solange die CO2-Vermeidungskosten im Globalen Süden erheblich geringer sind als bei uns, und solange die Politik versagt, indem sie keine sinnvollen Pläne zum Klimaschutz vorlegt. Wenn Individuen spenden, wird Zeit gewonnen, in der sich die Technik weiterentwickeln kann. Vielleicht lassen sich inzwischen Lösungen finden, wie zum Beispiel individuelle Mobilität und Klimaschutz vereinbar sind.
„Spende und ersetze“ ist kein Ablasshandel, wenn man es mit der moralischen Verpflichtung koppelt, mehr und regelmäßig zu spenden. Es wäre eine echte Veränderung unseres Verhaltens – und nicht nur ein Feigenblatt. Aber ja, diese Spenden-Strategie erlaubt, den eigenen SUV weiterzufahren. Das erinnert natürlich an den Ablasshandel, was sogar gewollt ist. Denn die Kombination von Spenden und Spaß dürfte uns leichter fallen als die Standardstrategie des Konsumverzichts, weshalb sie hoffentlich von mehr Menschen umgesetzt wird.
Zudem würde der Einzelne nicht völlig aus der Verantwortung entlassen, für einen Politikwechsel hier vor Ort zu sorgen. Die moralische Ansage wäre: „Genieße deine Spaßfahrt im SUV und tue gleichzeitig alles, damit die Politik allen Akteuren, also auch dir, solche Spaßfahrten verbietet.“ Das klingt schizophren? Vielleicht, aber ich glaube eben, dass das private Nachfrageverhalten oft wirkungslos ist und allein die Politik dafür sorgen kann, dass die Kooperation aller Staatsbürger gelingt.
Weniger Konsum führt nicht zu mehr Klimaschutz
Wie wenig Änderungen bei der Nachfrage bewirken, zeigen auch empirische Befunde. Beispiel Öl: Die Förderung blieb in den vergangenen 30 Jahren auf konstant hohem Niveau – völlig unabhängig davon, wie sich die Nachfrage oder die Preise entwickelt haben. Der Markt wird durch die OPEC-Staaten politisch gesteuert. Ähnliches ließe sich auf dem EU-Agrarmarkt beobachten, wie der ehemalige EU-Kommissar Cioloş prognostiziert: Würde die Nachfrage nach Fleisch einbrechen, würden vor allem Subventionen gezahlt, um das Angebot weiter zu garantieren. Der individuelle Verzicht auf Sprit oder Fleisch kann auf diesen Märkten die Angebotsmengen nicht senken.
Ein weiterer Vorteil der Spenden-Strategie rund um den Wald ist, dass sie nicht versucht, die Nachfrage nach fossilen Energieträgern zu senken, was – wie gesehen – sowieso schwierig ist. Zudem hat die Spenden-Strategie dann auch nicht mit dem „Grünen Paradoxon“ zu kämpfen, das immer einsetzt, wenn es tatsächlich gelingen sollte, unsere Nachfrage zu reduzieren: Wenn wir fossile Energien sparen, sinkt der Weltmarktpreis, so dass andere Länder Öl und Gas billiger einkaufen können, was sie auch tun werden, weil sie dringend ihr Wachstum fördern wollen. Gespart würde de facto nichts durch unsere verringerte Nachfrage, sondern wir würden die Preise für die Schwellenländer subventionieren.
So unbefriedigend es also wirken mag: Zurzeit ist es am effektivsten, zum Beispiel dafür zu spenden, dass der Regenwald erhalten bleibt.
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