Kommentar Asylstreit in der Union: Der Schaden ist längst angerichtet
Der große Knall zwischen CDU und CSU ist ausgeblieben. Dennoch war der Streit fatal. Er nährte latente Ängste – und befeuerte offenen Rassismus.
J etzt wird Horst Seehofer wohl doch noch eine Weile mit der Frau arbeiten müssen. Der Innenminister hat Angela Merkel eine Zwei-Wochen-Frist eingeräumt. Dann soll sie vom EU-Gipfel mit einem Plan zurückkommen, der regelt, wann Geflüchtete künftig an den deutschen Grenzen abgewiesen werden. Seehofer verzichtet also auf den Alleingang, CDU und CSU bleiben vorerst vereint und die Regierung arbeitet weiter. Der große Knall ist ausgeblieben.
Aber der gesellschaftliche Schaden ist längst angerichtet. Seit acht Tagen redet das CSU-Dreigestirn Horst Seehofer, Alexander Dobrindt und Markus Söder einen nationalen Notstand herbei. Die Rede ist von Asyltourismus, kriminellen Ausländern und einem überfälligen Zeichen, das angeblich endlich gesetzt werden müsste. Insinuiert wird beim Thema Migration dramatischer Zeitdruck. Keine zwei Wochen kann man mehr damit warten, die Grenzübergänge zu schließen. So entsteht via Semantik ein Bild eines Deutschlands, das von Fremden geflutet wird. Vorhandene Ressentiments werden da bedient, latente Ängste genährt und offener Rassismus befeuert.
Wenn es die Mission von Seehofer-Dobrindt-Söder war, die politische Mitte in Deutschland zu destabilisieren, dann kann man nur herzlich zum Erfolg gratulieren. Die Union steht als handlungsunfähige Kraft da, die sich bis aufs Messer bekämpft und kurz vor der Spaltung steht. Die SPD macht den Anschein politischer Irrelevanz. Rechtliche Bedenken werden zur untergeordneten Kategorie erklärt.
Dieser Politikstil erfährt derzeit globale Verbreitung. US-Präsident Trump kann denn auch jubilieren: „Das deutsche Volk wendet sich gegen seine Führung […]“, tweetet er.
Die CSU steht unter extremem Druck vonseiten der AfD
Und Europa? Gerät dabei zur Farce. Innenminister Seehofer macht seine Bündnisse zum Schutz der Grenzen bereits mit den Rechtspopulisten in Österreich und den radikalen Rechten in Italien. Das ist die neue Achse der Willigen, wie der österreichische Bundeskanzler Sebastian Kurz es umschrieb.
Dass ausgerechnet diese Achse historisch schon einmal kein Segen bedeutete, ist wirklich keinem aufgefallen? Als Söder dann nach all den Jahrzehnten der europäischen Einigung die Politik des Multilateralismus aufkündigte, Germany first also, reagierten selbst Merkel-kritische Christdemokraten empfindlich. Dabei käme es als Gegengewicht zum US-Präsidenten jetzt gerade auf Europa an.
Und warum all das? Zuvorderst weil am 14. Oktober in Bayern gewählt wird. Söder hat selbst noch keine Wahl gewonnen. Die Landtagswahl könnte sein Menetekel werden. Denn die CSU steht unter extremem Druck vonseiten der AfD. Und so exekutiert die CSU die Politik, die tief in die DNA der AfD eingeschrieben ist: Merkel muss weg. Bis Ende Juni ist dieses Ziel nun vertagt. Aber auch hier gilt: Der Schaden ist längst eingetreten.
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