Klimabewegung und Radikalität: Brauchen wir eine grüne RAF?
Der Koalitionsvertrag enttäuscht, die Mobilisierung läuft schlecht. Sollte sich die Klimabewegung radikalisieren?
D arf man das Förderband eines Braunkohlebaggers kaputtmachen? Darf man Maschinen sabotieren, die für die Erhitzung der Erde verantwortlich sind? Darüber diskutiert gerade die Klimabewegung. Angestoßen hat die Debatte der Klimaaktivist Tadzio Müller. Er prophezeite in einem Interview im Spiegel, dass sich ein Teil der Klimabewegung radikalisieren werde. Und man hatte den Eindruck, dass er diese Entwicklung nicht ohne Sympathie betrachtet. Sein Schlagwort „grüne RAF“ sorgte für den wohl kalkulierten Aufschrei. So geht Pressearbeit.
Müllers möglicherweise selbst erfüllende Prophezeiung hat eine Kontroverse ausgelöst, denn seiner Analyse stimmen viele in der Klimabewegung zu: Der Koalitionsvertrag entspricht nicht dem 1,5-Grad-Ziel. Lautes Fluchen über die Ampel ändert daran nichts. Gleichzeitig werden die Freitagsdemos kleiner, und das liegt nicht nur an Corona. Was tun?
Vielleicht hilft ein Blick in die Bewegungsgeschichte: Als die rot-grüne Bundesregierung im Jahr 2000 den Atomkonsens verabschiedete, waren viele AktivistInnen unzufrieden. Trotzdem wurden die Proteste gegen Castortransporte und AKWs kleiner. Erst nach der Ankündigung der schwarz-gelben Bundesregierung, den Atomausstieg zu verzögern, erlebte die Bewegung einen Aufschwung – und sie wurde radikaler: Mehrere Tausend Menschen folgten dem Aufruf, Steine aus dem Gleisbett der Bahnstrecken zu graben, auf der Atommüll ins Wendland transportiert werden sollte.
Es war der Versuch, eine radikalere Form des Zivilen Ungehorsams zu etablieren – eine angekündigte Straftat für einen höheren Zweck. Aber war man damit erfolgreich? Diskursiv war die Aktion sicherlich ein Erfolg und verschob den Rahmen dessen, was verboten, aber legitim ist. Aber für den endgültigen Atomausstieg sorgte die Katastrophe von Fukushima, nicht die Radikalisierung der Bewegung.
Radikalität ist kein Selbstzweck
Ähnliche Aktionsformen gibt es immer noch. Die Bewegung Ende Gelände ist älter als Fridays for Future. Aber man hat in den letzten Jahren nicht gesehen, dass Menschen in Massen von den Freitagsdemos in die Kohlegrube gerannt sind. Aktionen des zivilen Ungehorsams sind anspruchsvoll, weshalb nie mehr als ein paar Tausend engagierte, mehrheitlich junge Menschen mitmachen.
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Muss die Klimabewegung radikaler werden? Das ist die falsche Frage. Radikalität ist kein Selbstzweck. Die Frage ist, wie man es schafft, mehr Menschen aus verschiedenen Milieus für eine Klimapolitik zu gewinnen, die der Realität der Klimakrise entspricht. Damit bei der nächsten Wahl die Mehrheit nicht wieder sagt, dass ihr das Klima echt wichtig sei, aber nicht entsprechend wählt.
In dieser Woche hat die Linksfraktion im Bundestag den ehemaligen Porsche-Aufsichtsrat Klaus Ernst zum Vorsitzenden des Klimaausschusses gewählt, gegen Widerstand aus der Bewegung. Der Posten ist nicht besonders wichtig, aber die Wahl machte ein Problem deutlich. Die politische Linke hat kein Personal, das überzeugend gewerkschaftliche und sozialpolitische Forderungen mit einer zeitgemäßen Klimapolitik verbindet.
Dieses Problem teilt die Klimapolitik im Parlament mit der auf der Straße. Und deshalb kann die Losung nicht sein: mehr Radikalität wagen. Sondern: raus aus dem akademischen, homogenen Milieu der Bewegungspolitik. Rein in Betriebe, Gewerkschaften, Kleinstädte.
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