Kampf gegen Rassismus: Schaut mal in den Spiegel
Weiße Menschen fragen, was sie gegen Rassismus unternehmen können. Das ist gut. Hier sind ein paar Antworten – jetzt seid ihr dran.
S eit dem gewaltsamen Tod von George Floyd ist die Wut und die Betroffenheit auch in Deutschland groß. Viele Schwarze Menschen und People of Color (BPoC: Black and People of Color ) können mit jeder Faser ihres Körpers nachempfinden, was da geschehen ist.
Denn das Vertrauen in die Polizei liegt auch hier oft im Minusbereich. Wir denken an Oury Jalloh, Christy Schwundeck und all die anderen. Dazu kommt der zermürbende strukturelle und personelle Rassismus, den Schwarze Menschen und PoC in Deutschland tagtäglich zu spüren bekommen.
Einige weiße Menschen fragen nun mit Ratlosigkeit oder Schuldgefühl, was sie gegen Rassismus tun können. Grundsätzlich gilt: Wenn eure Worte und Taten nur dazu dienen, euch und anderen zu versichern, auf der richtigen Seite zu stehen, dann tut ihr genau nichts, um die Lage zu ändern.
Vielleicht ist die Frage „Was tun?“ aber auch ein Symptom der Ignoranz gegenüber der eigenen Rolle in einer rassistischen Struktur. Denn in vielen Fällen sollte die Frage eher lauten: „Was soll ich lassen?“
Euer Augenrollen
Und da gibt es einiges: Hört auf, eure Solidarität auf drei Social-Media-Posts im Jahr zu beschränken. Denkt nicht, ein lauwarmes „I Have A Dream“, ein Hashtag oder ein Video von Obama würde irgendjemandem glaubhaft vermitteln, dass euch BPoC nicht total egal sind. Wir sehen euch. Wir sehen euch das ganze Jahr über. Wir sehen die Verachtung in eurem Blick, wir hören euer abwertendes Schwadronieren, wir spüren euer Augenrollen hinter unserem Rücken.
Hört auf, darauf zu bestehen, dass nur euer Streben „politisch“ ist, während ihr das Streben anderer als „identitätspolitisch“ abzuwerten versucht. Hört auf, allein eure Perspektiven als neutral zu bewerten und alles andere als Aktivismus abzutun. Hört auf, nur Leute zu fördern, die aussehen wie ihr.
Hört auf, Videos von Schwarzen Menschen zu teilen, in denen sie gefoltert und ermordet werden. Diese Videos traumatisieren Menschen. Hört auf, zu erwarten, dass BPoC euer wandelndes Rassismus-Lexikon sind, recherchiert selbst. Und erwartet keine einfachen Antworten. Hört auf, Rassist:innen zu ihrer „Meinung“ zu befragen.
Bildet euch, damit ihr Rassismus erkennen könnt, und widersprecht Freund:innen, Verwandten und Kolleg:innen, wenn sie sich rassistisch äußern. Lest Bücher von BPoC – jene, die von Rassismus handeln, aber auch andere. Gebt ihren Stimmen Raum. Wenn ihr Martin Luther King so schätzt, lest „Letter From Birmingham Jail“. Versucht nicht ständig uns gegeneinander auszuspielen. Zwingt Menschen nicht, ihre Traumata zu offenbaren. Schreibt nicht vor, wann, wie und um wen BPoC trauern dürfen. Sprecht Menschen nicht ihre Erfahrungen ab. Hört zu. Spendet Geld.
Haltet einen Protest nicht erst dann für legitim, wenn weiße Menschen teilnehmen. Und wenn ihr Bilder der knienden Polizist:innen teilt, denkt daran, dass ein kniender Polizist der Auslöser für diese Proteste war.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Grünen-Abgeordneter über seinen Rückzug
„Jede Lockerheit ist verloren, und das ist ein Problem“
Hoffnung und Klimakrise
Was wir meinen, wenn wir Hoffnung sagen
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Das Weihnachten danach
Die Wahrheit
Glückliches Jahr
Elon Musk greift Wikipedia an
Zu viel der Fakten
Spiegel-Kolumnist über Zukunft
„Wir unterschätzen den Menschen und seine Möglichkeiten“