Junge Frau über ihre Bindung zur Kirche: „Ich bin Feministin und katholisch“

Was hält junge Frauen noch in der katholischen Kirche? Wut und Hoffnung, sagt die Politologin Daniela Ordowski. Sie macht sich für Reformen stark.

Der Kölner Kardinal Woelki senkt sein Haupt

Mea Culpa? Kardinal Rainer Maria Woelki im Kölner Dom Foto: Oliver Berg/dpa

taz am wochenende: Frau Ordowski, Sie sind in der katholischen Kirche. Warum?

Daniela Ordowski: Ich bin so erzogen worden, war Messdienerin, habe mich in katholischen Jugendverbänden engagiert. Kirche ist für mich Heimat, ein Ort, der mir Kraft gibt und Gemeinschaft bedeutet. Für mich heißt Glauben, dass dieser wächst, wenn man Kritik übt.

Aber mal ehrlich, gewöhnlich ist das nicht für eine 27-Jährige. Und Gemeinschaft gibt’s auch im Sportverein.

Das stimmt. Gemeinschaft entsteht immer dort, wo Menschen zusammenkommen, die ein ähnliches Wertesystem haben. Das kann man schon auch woanders erfahren, aber ich habe sie in der Kirche erfahren, etwa in den Jugendverbänden. Ich musste mich immer dafür rechtfertigen, dass ich in der katholischen Kirche bin. Dazu kommt, dass ich Feministin bin. Ständig werde ich damit konfrontiert, wie das zusammenpasst mit einer Institution, die Menschenrechte und die Rechte von Frauen mit Füßen tritt.

Und was hält Sie noch?

Im Moment ist es eine Mischung aus Wut und dem Willen, die Institution konstruktiv zu verändern. Wut und Hoffnung, das ist das, was mich hält. Sie sind ein Katalysator, aktiv zu werden. Ich will nicht denen das Feld überlassen, die Kirche als starres, exklusives und diskriminierendes Konstrukt sehen.

27, Politologin, Bundesvorsitzende der Katholischen Landjugendbewegung,

Mitglied des Synodalen Wegs

Sie bleiben, aber viele andere treten aus. In Köln melden die zuständigen Behörden sogar, dass alle Termine für den Kirchenaustritt ausgebucht sind. Können Sie verstehen, dass viele Menschen jetzt gehen?

Die Schere zwischen dem persönlichen Glauben und dem, wie die Institution Kirche aufgebaut ist, geht für viele Menschen immer weiter auf. Es ist ein aktives Voting: Ich gehe. Mir reicht’s mit euch. Aber als Kirche dürfen wir nicht sagen, wir ändern uns nur, weil wir wollen, dass die Menschen bleiben. Frauen gleiche Rechte einzuräumen, sie zum Priestertum zuzulassen, damit die Kir­chen­gän­ge­r:in­nen bleiben, das sollte nicht der Beweggrund sein. Ich bin kein Mittel zum Zweck. Dasselbe gilt für die Aufklärung von sexualisierter Gewalt in der Kirche. Wir müssen diese Missstände aufklären wollen und nicht deswegen, damit die Menschen in der Kirche bleiben.

Das ist auch die Idee für den Reformprozess „Der Synodale Weg“ der katholischen Kirche. Bis Freitag fand eine Online­kon­ferenz mit mehreren Hundert Delegierten statt. Was versprechen Sie sich davon?

Für mich steht an erster Stelle des Reformprozesses, sexualisierte Gewalt zu verhindern. Und das schaffen wir nur, wenn wir gerechte Systeme und Strukturen schaffen. Die gesamte Machtstruktur der katholischen Kirche muss aufgebrochen werden. Diese Perspektive hat uns auch die Studie aus Mannheim, Heidelberg und Gießen (MHG-Studie) gegeben, die sich mit den Fällen sexueller Gewalt innerhalb der katholischen Kirche in Deutschland befasst hat.

Mit dem Klerikalismus herrscht in der Kirche immer noch ein sehr geschlossenes Gefüge. Die Jugendverbände schaffen es, Ämter auf Zeit zu besetzen oder Rechenschaft von ihren Vorsitzenden einzufordern. Ich bin selbst Bundesvorsitzende der Katholischen Landjugendbewegung und muss mich für meine Entscheidungen rechtfertigen. Für Bischöfe gilt das bisher nicht. Aber Macht heißt immer auch Verantwortung.

Ein anderes großes Thema ist Geschlechtergerechtigkeit und insgesamt die Geschlechtervielfalt. Es gibt eben nicht nur Mann und Frau. Es gibt ja Frauen, die wollen gerne Priesterin werden und dürfen es nicht. Das ergibt für mich keinen Sinn und ist schlicht diskriminierend. Wir brauchen Bischöfe und Laien, die diese Kirche verändern. Denn die Ergebnisse des Synodalen Weges sind nur Empfehlungen. Die Macht liegt bei den Bischöfen – und in Rom.

Dieser Text stammt aus der taz am wochenende. Immer ab Samstag am Kiosk, im eKiosk oder gleich im Wochenendabo. Und bei Facebook und Twitter.

Sie gehören einer Gruppe unter 30-Jähriger an, die den Synodalen Weg unterstützen. Diese Gruppe drückt deutlich den Altersdurchschnitt. Wird Ihre Stimme überhaupt gehört?

Der Wille, die Kirche zu reformieren, hängt nicht vom Alter ab. Aber von uns erwartet man, dass wir auf die Revolution pochen. Wir sind eng vernetzt, haben einen Insta-Kanal und tauschen uns viel aus. Aber auch zum Beispiel die Bewegung Maria 2.0 von Frauenrechtlerinnen hat viel Aufmerksamkeit bekommen. Immer mehr Frauen sagen: Wir wollen unsere Rechte. Das Konstrukt eines absoluten Monarchen an der Spitze der katholischen Kirche ist für uns alle nicht mehr zeitgemäß.

Das sieht der Vatikan offenbar anders und hat Maria 2.0 im Visier.

Ich verstehe die Angst vor Veränderung nicht. Das Festhalten am Altbewährten kann ich nicht nachvollziehen. Ich wünsche mir manchmal, dass die Katholische Kirche den Gläubigen mehr zutraut. Also, dass man mir zutraut, dass ich ein Amt übernehmen kann.

Die Causa Woelki dominiert auch die Beratungen des Synodalen Wegs. Der Kardinal hält ein Gutachten zu sexualisierter Gewalt im Erzbistum Köln unter Verschluss. Er selbst steht im Verdacht, Vorfälle vertuscht zu haben. Hat Sie dieses Verhalten überrascht?

Nein. Diese Art des Umgangs mit sexualisierter Gewalt in der Kirche ist nicht neu. Schon oft hat sich die Kirche über die Betroffenen gestellt. Ich hätte mir mehr Transparenz gewünscht. Gutachten einzubehalten – das geht nicht. Dass Kirche versucht, sich außerhalb von Gerichtsbarkeiten zu bewegen, das geht einfach nicht. Der Schutz der Betroffenen muss im Mittelpunkt stehen.

Wir müssen uns fragen: Was können wir tun, damit so etwas nie wieder passiert? Wie können wir Menschen auffangen, die Opfer sexualisierter Gewalt wurden?. Ich möchte darüber sprechen, wie wir jetzt handeln können, damit Kardinal Woelki mit seinem Verhalten und seiner Zensur nicht durchkommt. Auch das hat mit Machtstrukturen und dem Fehlen von Kontrollstrukturen innerhalb der Kirche zu tun.

Und was genau fordern Sie von Kardinal Woelki?

Mein größtes Anliegen ist es, die Betroffenen zu unterstützen. Mit Hilfen finanzieller Art und Betreuung, aber auch durch Schuldanerkennung. Für mich gehören Menschen, die andere sexuell oder geistig missbrauchen oder dies vertuschen, nicht in Leitungspositionen.

In jedem Unternehmen müssten Personen, denen solche Taten nachgewiesen werden, gehen und vor Gericht.

Das erwarte ich auch von der Kirche.

Sie fordern Veränderungen. Aber wie können Machtstrukturen zersetzt werden?

Macht muss geteilt werden. Die Stellung der Kleriker in der Kirche ist viel zu überhöht, und das führt dazu, dass Menschen keine Chance haben, daran Kritik zu üben. Es ist nicht nötig, dass alles über den Tisch des Bischofs geht.

Werden wir irgendwann erleben, dass es eine Päpstin in Rom gibt?

Ich kann es mir sehr gut vorstellen. Aber solange argumentiert wird, Frauen könnten deshalb keine Priester werden, weil Jesus auch ein Mann war, wird das schwierig. Die Bibel wurde zu einer Zeit geschrieben, in der die Gesellschaft eine völlig andere war. Kirche existiert nun mal nicht außerhalb von Raum und Zeit.

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