Jens Spahn verzeiht sich selbst: Maskenaffäre? Milliardenschaden? Egal!
Spahns Maskendeal kostet den Staat Milliarden. Trotzdem ist er Fraktionschef. Kein Einzelfall: Wer in der Union Mist baut, macht Karriere.
E s ist zum Verzweifeln: Gäbe es in der CDU eine Personalabteilung, hätte Jens Spahn längst hochkant rausfliegen müssen. Als Minister verpulverte er Milliarden Euro einfach so. Aber egal, jetzt ist er eben Fraktionschef im Bundestag und damit einer der mächtigsten Männer im Land.
Zu Beginn der Pandemie 2020 war Spahn als Gesundheitsminister für die Maskenbeschaffung zuständig. Das war Pech für alle, die Steuern zahlen. Glück war es für eine CDU-nahe Firma namens Fiege aus Spahns Heimat, dem Münsterland. Spahn sorgte dafür, dass sie den Auftrag für die Logistik bei der Maskenbeschaffung bekam. Fiege war überfordert, Maskenlieferanten blieben auf ihrem Bestand sitzen. Die Firmen klagen immer noch auf Schadenersatz, zwischen 2,3 und 3,5 Milliarden Euro soll die Gesamtsumme liegen, weil das Gesundheitsministerium ihnen die Abnahme zu einem festen Preis zugesagt hat.
Spahn erklärt das alles mit der Notsituation Pandemie, es habe einfach schnell Masken gebraucht, deshalb seien auch Fehler passiert. Dabei belasten ihn neue Details persönlich, wie Recherchen von NDR, WDR und Süddeutscher Zeitung zeigen. Er soll vom Innenministerium gewarnt worden sein, Fiege den Auftrag zu geben. Er soll zudem persönlich dafür gesorgt haben, dass die Preise für die Masken viel höher angesetzt wurden, als Expert*innen aus seinem eigenen Ministerium empfahlen. Deals soll er laut Spiegel einfach mit Mails geschlossen haben wie: „Jetzt will ich rechtlich verbindlich das Zeug;-)“. Aha, so geht also Ministersein. Auf Basis dieser Mail klagt jetzt ein Hersteller auf Zahlung. Die Zwinkersmileynachricht könnte die öffentliche Hand mehrere Millionen kosten.
Spahn hat ein Buch über die Pandemie geschrieben, es heißt: „Wir werden einander viel verzeihen müssen“. Mit dem Vergeben hat er offenbar zuallererst bei sich selbst angefangen. Jetzt will er, dass wir das auch tun. Schließlich, so behauptet er, wüssten wir sowieso schon seit Jahren darüber Bescheid, was er in der Pandemie alles versemmelt hat. Bezahlen sollen wir auch, denn Spahns Milliardenschaden wird umverteilt auf die Solidargemeinschaft aller Steuerzahler*innen.
Eigentlich kleinlich – nur bei den Masken nicht
Dabei ist Spahn sonst in Sachen Umverteilung kleinlich. Bei denen, die Bürgergeld bekommen, also das unterste Sicherungsnetz, das verfassungsrechtlich garantiert ist, da müsse man genauer hinschauen, fordert er. Den Untersuchungsbericht zu Spahns Maskendeals sollten wir dafür weniger genau betrachten als Bürgergeldanträge, finden seine Parteikolleg*innen und halten ihn unter Verschluss.
Über die eigenen Fehler sieht man in der Union großzügig hinweg. Mehr noch: Wer Fehler gemacht hat, wird befördert. CDU-Politikerin Julia Klöckner zum Beispiel hat als Bundeslandwirtschaftsministerin Nestlé-Werbung mit ihrem Gesicht gemacht. Geht gar nicht. Jetzt ist sie Bundestagspräsidentin. Oder CSU-Politiker Alexander Dobrindt. Er hat die „Ausländermaut“ auf den Weg gebracht – entgegen allen Warnungen, sie sei nicht mit dem EU-Recht vereinbar. Am Ende musste der Bund 243 Millionen Euro Schadenersatz zahlen. Jetzt ist er Innenminister.
Was wie ein Witz klingt, ist wahr
CDUler Philipp Amthor lobbyierte als Bundestagsabgeordneter für die Interessen eines Unternehmens, von dem er später Aktienoptionen und einen Direktorenposten erhielt. In den Koalitionsverhandlungen soll er versucht haben, Transparenzgesetze abzuschaffen, die seine Verwicklungen aufdeckten. Jetzt ist er Staatssekretär, zuständig für Staatsmodernisierung und Bürokratieabbau. Klingt wie ein Witz, ist aber wahr.
Kleinlich zu sein gegenüber den Armen der Gesellschaft, aber großzügig gegenüber den Verfehlungen der eigenen Leute, das hat in der Union derzeit System. Dass Wähler*innen so immer misstrauischer werden, sollte wirklich niemanden wundern.
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