Haushalt des Frauenministeriums: Staatliches Geld für Antifeministen
Ein Verein sogenannter Männerrechtler soll 400.000 Euro bekommen – aus dem Haushalt des Frauenministeriums. Das gibt sich unbeteiligt.
„Forum Soziale Inklusion“ – das klingt nach Teilhabe für alle. Das mag sich auch das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) gedacht haben, als es keinen Einwand dagegen erhob, diesem Verein 400.000 Euro zu bewilligen. Das Problem: Das Forum Soziale Inklusion setzt sich keineswegs für gleichberechtigte Teilhabe ein. Es zählt vielmehr zur sogenannten Männerrechtsbewegung, die Männer als Opfer betrachtet und gegen Feminismus mobilmacht.
Bereinigungssitzung, so wird die abschließende Sitzung eines Haushaltsausschusses genannt, in der bisher offengebliebene Punkte und neu eingebrachte Anträge final beraten werden. Die Sitzung Ende November, in der auch der Geschäftsbereich des BMFSFJ beraten wurde, dauerte fast 18 Stunden.
Neu auf der Tagesordnung: Kurzfristige Änderungsanträge der Koalitionsfraktionen. Zum Beispiel die Anträge, Gelder für ein Projekt für Frauen mit Behinderung zu bewilligen oder für den Ausstieg aus der Prostitution. Oder eben für das Forum Soziale Inklusion.
Aus organisatorischen und Zeitgründen, sagt die Grüne Ekin Deligöz, die für ihre Fraktion Mitglied im Haushaltsausschuss ist, werde in nächtelangen Sitzungen wie dieser nicht mehr einzeln über die Änderungsanträge diskutiert. Die inhaltliche Auseinandersetzung mit den einzelnen neuen Projekten findet innerhalb der Koalition im Vorfeld statt. Im Fall des Forums Soziale Inklusion allerdings hat es offenbar keine solche Auseinandersetzung gegeben.
„Das trojanische Pferd durchgelassen“
Eingebracht wurde der Antrag innerhalb der Koalition von der CDU/CSU-Fraktion, sagt die frauenpolitische Sprecherin der Grünenfraktion im Bundestag, Ulle Schauws. „Dann haben offenbar alle gepennt und das trojanische Pferd durchgelassen“, so Dag Schölper, der Geschäftsführer des Bundesforums Männer – des profeministischen Dachverbands der bundesdeutschen Männerprojekte, der auch mit dem BMFSFJ zusammenarbeitet.
Denn die Männer des Forums Soziale Inklusion treten zwar bewusst moderat auf. „Die wollen in der Öffentlichkeit nicht als antifeministisch betrachtet werden. Aber sie sind es“, sagt der Antifeminismus-Experte Andreas Kemper.
Der Verein diskreditiere alleinerziehende Mütter und die Gleichstellung von Frauen, so Ulle Schauws. Auf der Webseite des Forums Soziale Inklusion heißt es zum Beispiel: Die Belange von Jungen, Männern und Vätern würden durch die Bundespolitik oft „vorsätzlich unsichtbar gemacht“. Deshalb sehe sich der Verein gezwungen, sich „deutlich den Bedürfnissen“ von Männern zu widmen.
Das sei ein typisch antifeministisches Argumentationsmuster, so Schauws: Die Benachteiligung von Frauen einfach umzudrehen und die Bekämpfung von Diskriminierung als unberechtigte Bevorzugung von Frauen darzustellen.
Typischer Antifeminismus
Zudem bediene sich der Verein explizit Begriffen, die sonst nur von der AfD verwendet werden: „Er spricht zum Beispiel von ‚Altparteien‘, die sich seiner Auffassung nach nicht ausreichend für die Förderung von Jungen und Männern einsetzen.“ Dass die Koalition einen derartigen Angriff auf Frauenrechte und Gleichstellung übersehen und eine Unterstützung für dieses Projekt in ihrem Haushalt mittragen konnte, so Schauws, sei „ein frauenpolitischer Tiefschlag und nicht zu erklären“.
Das sieht offenbar auch das Bundesfrauenministerium selbst so. Denn das ist keineswegs erfreut darüber, dass das eigene Haus plötzlich Männerrechtler fördert. „Das BMFSFJ sieht die inhaltliche und politische Ausrichtung des Vereins kritisch“, schreibt eine Sprecherin von Frauenministerin Franziska Giffey (SPD) auf Anfrage. Eine antifeministische Haltung sei nicht mit einer partnerschaftlichen Gleichstellungspolitik zu vereinbaren.
Die Bewilligung aber, so die Sprecherin, habe im Parlament stattgefunden. Das Ministerium sei überhaupt nicht in die Entscheidung des Haushaltsausschusses einbezogen gewesen.
Der Antrag im Haushaltsausschuss war ein gemeinsamer der Koalitionsfraktionen, Giffey selbst war vor Ort in der Bereinigungssitzung, auch die bewilligten Mittel kommen aus ihrem Haus – das Ministerium aber will nichts gewusst haben? „Im Nachhinein so zu tun, als sei das Ministerium nicht beteiligt gewesen, ist eine Unverschämtheit“, kritisiert die Grüne Deligöz. „Auf gut Deutsch heißt das: Giffey hat keine Ahnung, was mit ihrem Etat passiert.“
Wie kam der Antrag in die Bereinigungssitzung?
Unklar bleibt vorerst, wie genau der Antrag in die Bereinigungssitzung des Haushaltsausschusses geraten ist. Der zuständige Berichterstatter der Unionsfraktion ist der CSUler Florian Oßner, der den Antrag aber nicht unbedingt selbst eingebracht haben muss. Der Frage, wie der Antrag zustande kam und ob er sich für ihn starkgemacht habe, weicht Oßner per Mail aus.
Aber er verteidigt den Verein: „Gleichberechtigung bedeutet für mich, dass es Frauen und Männern ermöglicht wird, Familien- und Erwerbsarbeit partnerschaftlich und gleichberechtigt zu teilen.“ Das Forum Soziale Inklusion sei einer der „vielen gemeinnützigen Vereine“, die dabei unterstützt würden.
Für das Bundesforum Männer reißt die Förderung des Forums Soziale Inklusion „eine rote Linie“, sagt Geschäftsführer Schölper. Ein antifeministisches Projekt werde nun in einer ähnlichen finanziellen Größenordnung gefördert wie das Bundesforum Männer. „Das kann extrem kontraproduktiv für eine progressive Gleichstellungspolitik werden.“ Das sieht auch die Grüne Schauws so: Wenn rechte Akteure ihre Forderungen über demokratische Parteien einbringen können, werde Gleichstellungspolitik ad absurdum geführt.
Viele Chancen, die Mittel doch noch zurückzuhalten, gibt es offenbar nicht. „Wenn die Gelder sachgerecht beantragt werden, ist die Auszahlung nach der Bewilligung eine Formalität“, sagt die Grüne Deligöz. Das ist noch nicht der Fall, wie das Ministerium mitteilt. Bislang liege kein Antrag des Forums Soziale Inklusion vor. Aber das Jahr 2021, für das die Gelder bewilligt wurden, hat ja auch noch nicht einmal begonnen.
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