Grüne und Ministerämter: Die Linken sind sauer

Kurz vor Regierungseintritt ist bei den Grünen der Flügelstreit ausgebrochen. Als Sieger gehen die Realos vom Platz.

Anton Hofreiter hält den Lenker eines Fahrrads und schaut nach links

ausgeträumt, der Ministertraum: Anton Hofreiter Foto: Michael Kappeler/dpa

BERLIN taz | Wer am Freitag mit linken Grünen spricht, trifft auf verärgerte Menschen – mal mehr und mal weniger stark. Sprechen wollen sie nur im Hintergrund, Zitate und Namen gibt es also nicht. Doch dass Fraktionschef Toni Hofreiter, der Frontmann des linken Parteiflügels, nun doch keinen der fünf Ministerposten bekommt, die die Grünen in der Ampelkoalition zu vergeben haben, das hat unter den Parteilinken eingeschlagen. Hofreiter galt für sie als gesetzt.

Er sei doch der einzige Wunsch gewesen, den die Linken klar formuliert hätten – und als promovierter Biologe und Öko-Experte doch auch der versiertere Kandidat für das Landwirtschaftsressort gewesen. Dagegen kann man inhaltlich wenig einwenden.

Den Zuschlag hat am Donnerstagabend nach stundenlangen erhitzten Diskussionen im Parteirat aber dann doch Cem Özdemir bekommen, Experte für Verkehr und Außenpolitik und Realo wie Robert Habeck und Annalena Baerbock. Sie waren als Mi­nis­te­r:in­nen ohnehin gesetzt. Damit gab es nach den Geschlechterkriterien der Partei keinen weiteren Posten für einen grünen Mann.

Empörung äußern Parteilinke auch über den persönlichen Umgang mit Hofreiter. Und über die kühle Machtpolitik, mit der die Realo-Spitze ihr Ziel durchgesetzt habe – und dem dann auch die zweite der Fraktionschef:innen, Katrin Göring-Eckardt, die selbst zu den Realos gehört, zum Opfer gefallen sei.

Özdemir ist beliebt

Am Ende aber gaben sie nach: Am späten Donnerstagabend hat der Parteirat einstimmig beschlossen, dass mit einem Tag Verspätung am Freitag um 13 Uhr die Urabstimmung über den Koalitionsvertrag beginnen sollte. Dabei stimmen die Parteimitglieder nun auch über die künftigen grünen Mi­nis­te­r:in­nen ab.

Demnach soll Habeck Minister für Wirtschaft und Klimaschutz sowie Vizekanzler werden, Baerbock Außenministerin, Özdemir bekommt das Landwirtschaftsressort. Für den Schwaben, der ein guter Redner ist, spricht seine Beliebtheit in der Bevölkerung, er hat bei der Bundestagswahl mit 40 Prozent in Stuttgart ein Direktmandat geholt.

Auch steht es einer Partei, die sich der Vielfalt verschrieben hat, gut an, einen Minister mit Migrationsgeschichte ins Rennen zu schicken. Auf der linken Seite ist zu hören, dass es dem Anliegen nicht gerecht werde, wenn manchen dann nur der Name Cem Özdemir einfalle – und auch nur, wenn es gerade passe.

Ministerinnen vom linken Flügel

Zu den drei Realos kommen zwei Ministerinnen, die dem linken Flügel der Grünen angehören. Familienministerin soll die derzeitige rheinland-pfälzische Umweltministerin Anne Spiegel werden und neue Bundesumweltministerin die frühere Grünen-Geschäftsführerin Steffi Lemke. Sie erhält zudem die Zuständigkeit für Verbraucherschutz.

Teil des linken Flügels ist auch die derzeitige Bundestagsvizepräsidentin Claudia Roth, sie soll Staatsministerin für Kultur und Medien werden. Alle drei seien sehr gute Entscheidungen, auch das hört man in den Gesprächen mit Parteilinken. Dass diese in großer Anzahl dem Koalitionsvertrag nicht zustimmen könnten, weil sie über den Durchmarsch der Realos sauer sind, damit rechnet niemand. Alle hätten schließlich ein Interesse daran, dass die Regierung gut startet, heißt es.

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