Genug gefremdelt mit Polizei und Militär: Linke, an die Waffen!
Es ist ein strategischer Fehler, dass so wenige Linke zur Polizei oder zum Militär gehen. Damit geben sie ein Machtmittel aus der Hand.
In der Polizei oder der Bundeswehr hat ein ähnlicher Durchmarsch nicht stattgefunden. Die aktuellste Studie zur Bundeswehr, eine Studentenbefragung des Sozialwissenschaftlichen Instituts der Bundeswehr von 2007, bescheinigt dem Offiziersnachwuchs ein „mehrheitlich liberal-konservativ geprägtes politisches Weltbild, das den Unionsparteien am nächsten steht“. Von Grünen und Linken sehen sie sich mehrheitlich nicht vertreten – aber noch weniger von rechtsradikalen Parteien.
Auch bei der Polizei macht Rafael Behr von der Hamburger Akademie der Polizei eine „wertkonservative Grundströmung“ aus. „Wenn man SPD wählt, ist man schon links“, sagt der Professor. Der Marsch durch die Institution habe schon deshalb nicht stattfinden können, weil er an einer akademische Vorbildung geknüpft sei, die Polizei ihren Nachwuchs aber bis zur Führung selbst heranbilde. Schon eine Gruppe wie Polizeigrün, die den Grünen nahesteht, sticht hier deutlich heraus.
Linksradikale tun sich schwer mit den Sicherheitskräften, weil sie in ihnen die Verteidiger einer als unbefriedigend bis skandalös empfundenen herrschenden Ordnung sehen. Die Polizei – wegen der quasi alltäglichen Konfrontation noch viel mehr als die Bundeswehr – fungiert als Feindbild für die linksradikale Szene. Sie ist das Symbol der Staatsmacht, gegen das man mobilisieren, an dem man sich abarbeiten und profilieren kann.
Kolossale Verwechslung
Die Frage ist: Braucht es dieses Feindbild oder sitzen Linksradikale damit nicht einer kolossalen Verwechslung auf? Sie nehmen das Symbol für die Ausbeutungsverhältnisse selbst. Der Akteur, mit dessen Hilfe sich am ehesten etwas daran ändern lässt, ist aber der Staat, dessen Machtmittel man folgerichtigerweise in die Hand bekommen muss.
Es reicht nicht, sich über rechtsextreme Tendenzen in den Sicherheitskräften aufzuregen, wie sie in jüngerer Zeit vermehrt auffällig geworden sind; stattdessen wäre es an der Zeit, linke und linksradikale Positionen dort zur Geltung zu bringen. Motto: Lasst unsere Polizisten und Soldaten nicht mit den Rechtsextremisten allein!
Eine Präsenz von Linken in den Sicherheitskräften hätte eine Reihe von augenfälligen Vorteilen: Wer dort mitmischt, erfährt, wie so ein Machtapparat funktioniert und wie seine Instrumente gehandhabt werden. Er kann selbst Macht ausüben, das Klima verändern, auf Missstände hinweisen, den Preppern ein bisschen auf die Finger schauen und für die eigene Wehrhaftigkeit sorgen – wer weiß, ob die nicht doch mal gefragt ist. Auch Subversion ist denkbar.
Dabei hat die Linke ja nicht per se ein Problem mit hierarchischen Strukturen, wie marxistische Kaderorganisationen zeigen oder der erwähnte Marsch in die staatlichen Institutionen. Auch der Gewalt ist sie per se nicht abgeneigt. Das belegt ihre Faszination für Guerillabewegungen und den bewaffneten Kampf.
Veraltetes Feindbild
Natürlich hat ein Feind, auf den sich draufhauen lässt, Vorteile. Ein klar konturiertes Gegenüber schließt die eigenen Reihen, erzeugt ein Gefühl der Solidarität und das Draufhauen schafft öffentliche Aufmerksamkeit. Diese Strategie kann allerdings leicht nach hinten losgehen: Dann, wenn ein Großteil der Adressaten – des Volks, das man ja für sich gewinnen will – verunsichert und abgeschreckt wird. Beim G20-Gipfel reichte die Verunsicherung bis in die linke Szene, als die Krawalle im szenigen Schanzenviertel überhand nahmen.
Dazu kommt, dass das Feindbild veraltet ist: Es gibt zwar (neue) Nazis bei den Sicherheitskräften, aber anders als 68 sind diese nicht mit (alten) Nazis und dem entsprechenden Denken durchsetzt. Vielen Polizisten und Soldaten gehen Dinge gegen den Strich, die auch Themen der Linken sind: dass sie sich die Mieten nicht mehr leisten können, dass der Staat von multinationalen Unternehmen und Banken um Steuern geprellt wird, dass die Gesellschaft auseinanderdriftet.
Unterm Strich könnte es lohnender sein, sich Polizei und Militär zu Verbündeten zu machen beim Kampf für eine solidarischere, gerechtere und nachhaltigere Welt – statt unnötigerweise zum Feind.
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