Ex-Soldat über Bundeswehr: „Kritiker werden mundtot gemacht“
Der Ex-Soldat Florian Pfaff gehört zum AK „Darmstädter Signal“, der die Strategie der Bundeswehr kritisiert. Seiner Karriere bekam das nicht so gut.
taz: Herr Pfaff, gibt es derzeit Linke in der Bundeswehr?
Florian Pfaff: Klar, kenne ich ja selbst. Aber ich denke mal, dort gibt es weniger Extremisten als auf der rechten Seite. Und ich kenne auch keinen General und ich denke mal, die Linken werden im KSK und allgemein in den Elitetruppen auch weniger vertreten sein.
Sind Sie als Arbeitskreis „Darmstädter Signal“ links?
Nein, wir wollen zumindest neutral bleiben, so neutral wie möglich. Das Problem ist, dass wir von rechts, oder sagen wir von denen, die diese offizielle Strategie machen, die ja nicht links ist, dass wir von denen im Grunde keine Antworten erhalten, wenn wir da Referenten einladen. Es ist sehr schwer, jemanden zu bekommen. Es ist viel einfacher, von links jemanden zu bekommen, aber das ist natürlich nicht unser Ziel.
Was ist denn Ihr Ziel?
Das Ziel des Darmstädter Signals ist, gute Lösungen im Bereich Sicherheitspolitik zu erarbeiten, die nicht mit der offiziellen Sicherheitspolitik übereinstimmen müssen. Wir sind also, wenn Sie so wollen, ein Diskutierklub, nicht mehr und nicht weniger.
Was sind gute Lösungen?
Wenn als Diskussion auftaucht: Soll die Bundeswehr nun auch Kampfdrohnen bekommen? Dann sagen wir, wofür man die normalen Aufklärungsdrohnen überhaupt verwenden kann, und dafür braucht man gar keine Kampfdrohnen. Wenn ich aber jetzt sage, ich brauche Kampfdrohnen, kann das nur den einzigen Zweck haben, fernab vom Gefecht Menschen töten zu wollen. Ich kann aber doch ein Todesurteil nicht nur deswegen vollstrecken, weil das im Ausland ist. Oder weil es ohne Gerichtsverfahren ist. Weil das sich ein paar wenige ausgedacht haben, wen wir da jetzt umbringen, das macht es doch nicht legal. Im Grunde sind das Morde, und Deutschland sollte sich daran nicht beteiligen.
Das Darmstädter Signal wird häufig der Friedensbewegung zugeordnet. Ist das nicht eigentlich ein Widerspruch?
63, Sprecher des AK „Darmstädter Signal“, war Berufssoldat und verweigerte als Major 2003 Befehle, am Irak-Krieg mitzuwirken.
Es ist eigentlich kein Widerspruch. Die Bundeswehr hat ja früher von sich behauptet, sie sei die größte Friedensbewegung in Deutschland, indem wir nämlich ausschließlich für den Frieden eintreten, niemals angreifen würden und schon durch Abschreckung, also ohne jedes Gefecht, den Frieden sichern.
Das ist aber nicht mehr so, oder?
Mittlerweile ist das anders. Wie Sie wissen, nimmt die Bundeswehr leider auch an Angriffskriegen teil, wie 1999 am „Kosovokrieg“ in Jugoslawien oder insbesondere 2003 am völkerrechtswidrigen Angriffskrieg gegen den Irak. Wer Völkerrechtsbruch begeht und wer den Frieden vorsätzlich rechtswidrig bricht, kann sich natürlich nicht der Friedensbewegung zurechnen. Die Bundeswehr hat also ihren Status als Teil der Friedensbewegung verspielt und hat sich auf die Seite der Kriegstreiber geschlagen. Während die Kritiker der offiziellen Sicherheitspolitik und damit auch der Bundeswehr sich auf der Seite des Friedens befinden. Allerdings ist es auch die Seite des Rechts, insbesondere des internationalen Rechts, da Angriffskriege nicht nur unschön, sondern auch ungesetzlich sind.
Was waren die Streitpunkte, dass die Gründung des Darmstädter Signals notwendig wurde?
Das Darmstädter Signal wurde von Helmuth Prieß und anderen zur Zeit der Atomkriegsdiskussion ins Leben gerufen. Es hat sich damals auf die Seite derer gestellt, die gesagt haben, man muss sagen dürfen, dass Atomwaffen verkehrt sind und dass Soldaten potenzielle Mörder sind, das muss man sagen dürfen. Und man muss sich auch dagegen einsetzen dürfen in einer Demokratie. Heute sind das nicht mehr nur die Atomwaffen, es ist insgesamt das Problem, dass man sich Freunde nicht schießen kann. Wir sehen es eben als besser an, nicht Feinde zu bekämpfen, sondern die Feindschaft zu bekämpfen. Das ist, wenn Sie so wollen, ein friedlicher Gedanke und kein rein militärischer.
Die meisten Ihrer Mitglieder sind ja nicht mehr aktiv in der Bundeswehr. Welchen Einfluss auf diese friedlichen Lösungen können Sie denn noch haben?
Wir haben leider nur zehn Prozent Aktive bei unserem letzten Treffen dabei gehabt. Da wären mehr natürlich wünschenswert. Aber wir betreiben ja keine Lobbyarbeit, deswegen ist das auch nicht wichtig, dass wir 90 Prozent aller Bundeswehrsoldaten als Mitglieder haben. Aber es ist richtig, dass Leute, die sich in der Bundeswehr aktuell auskennen, auch besser mitdiskutieren können, und da würden wir uns natürlich wünschen, dass da noch mehr auf uns aufmerksam gemacht werden, dass es uns gibt, und dass sie auch den Mut haben, dann zu uns zu stoßen und mit uns zu diskutieren.
Glauben Sie denn, dass es diese kritischen Stimmen in der Bundeswehr heute gib? Und wenn es sie gibt, warum treten sie Ihnen nicht bei?
Also zum Glück gibt es Kritiker. Auch heutzutage gibt es noch einige Kritiker in der Bundeswehr und die sind natürlich, wenn die sich organisieren wollen, bei uns nicht nur am besten aufgehoben, sondern ich kenne keine andere Organisation, die sich diese kritische Diskussion zu eigen macht. Wir sind auf der Seite des Rechts, also des Grundgesetzes und des internationalen Rechts und der UNO-Charta. Und das dürfte in Deutschland ein Alleinstellungsmerkmal sein. Umgekehrt kenne ich keine Organisation im Ausland, in der auch aktive Soldaten zugelassen sind. Wir wollen ausdrücklich nicht nur ehemalige Angehörige der Bundeswehr in unseren Reihen haben, sondern sehr gerne auch aktive Soldatinnen und Soldaten. Gerade aber bei den Soldatinnen ist das Brett sehr dünn.
Warum glauben Sie, dass sich Ihre Reihen ausdünnen?
Also das kann ich sehr gut nachvollziehen, dass da bestimmte Leute sich nicht die Finger verbrennen wollen. Denn Kritiker werden in der Bundeswehr ja sehr gerne systematisch mundtot gemacht. Oft ist ihre Karriere dann mit einem Knick versehen oder beendet. Ich habe ein Buch geschrieben, das hieß „Totschlag im Amt: Wie der Friede verraten wurde“ und habe das der Bundeswehr vorher vorgelegt, dass ich das auch mit ihrem Einverständnis veröffentliche. Dort wurde mir gesagt, jawohl, das ist freie Meinungsäußerung, das können Sie so, wie es ist, veröffentlichen. Dann habe ich das Buch veröffentlicht und habe mir dafür, genau für dieses Buch, eine Beförderungssperre eingefangen. Das wurde nicht gerichtlich gemacht, da wurde nur gesagt, wir befördern ihn einfach nicht mehr weiter. Wenn Sie sich bei der Bundeswehr wegen Veröffentlichung, wegen Äußerns freier Meinung, eine solche Sperre einhandeln, dann haben Sie, zumindest als normaler Soldat mit Ambitionen, mit Karrierewünschen, nicht die besten Karten. Das spricht sich rum. Das ist sicherlich auch Sinn und Zweck der Maßnahmen, auch wenn keine einzige dieser Äußerungen irgendwie angreifbar wäre.
Was, denken Sie, muss passieren, dass wieder mehr kritische Stimmen laut werden?
Solange die Bundeswehr sich ausdrücklich vorbehält, Kritiker mundtot zu machen, wird diese Kritik nicht laut genug innerhalb der Bundeswehr geäußert werden. Ich glaube, es müsste die Öffentlichkeit darauf hingewiesen werden, dass die Bundeswehr nicht für den Frieden eintritt, sondern sich hauptsächlich um das Kämpfen und um bessere Ausrüstung sorgt, anstatt dass sie die Kritik ernst nimmt und auf dem Boden des Rechts agiert. Dann müsste aber Deutschland auch dem Atomwaffenverbotsvertrag beitreten, das wäre das richtige Signal an den Rest der Welt.
Glauben Sie, das wird passieren?
Natürlich wird es irgendwann passieren. Ein frühester Zeitpunkt ist der 22. Januar, weil dort ja der Atomwaffenverbotsvertrag in Kraft tritt und das wird in den Medien wieder ein Punkt sein, wo die Öffentlichkeit diskutiert. Ich bin aber deswegen so positiv und optimistisch eingestimmt, weil ja in der Bevölkerung die absolut überwiegende Mehrheit sehr, sehr vernünftig ist. Über 92 Prozent haben in einer Umfrage dafür gestimmt, dem Atomwaffenverbotsvertrag beizutreten, und es haben sogar noch etwas mehr dafür gestimmt, die Angriffskriegsbeteiligungen zu unterlassen. Ich glaube also, dass die Menschen den Frieden wollen und dass nur unsere Politiker noch ermahnt werden müssen.
Mehr zum Thema lesen Sie in der Nordausgabe der taz am wochenende oder hier
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Paragraf 218 im Rechtsausschuss
CDU gegen Selbstbestimmung von Frauen
Partei stellt Wahlprogramm vor
Linke will Lebenshaltungskosten für viele senken
FDP stellt Wahlkampf Kampagne vor
Lindner ist das Gesicht des fulminanten Scheiterns
Wahlkampf-Kampagne der FDP
Liberale sind nicht zu bremsen
Sednaya Gefängnis in Syrien
Sednaya, Syriens schlimmste Folterstätte
Syrische Geflüchtete in Deutschland
Asylrecht und Ordnungsrufe