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Ende des Brics-GipfelsGuterres diskreditiert die Vereinten Nationen

Kommentar von Inna Hartwich

Der UN-Generalsekretär hat sich von Putin einladen lassen und mit ihm friedlich vor Kameras posiert. Damit hat er den Westen verraten.

Putin und UN-Generalsekretär Antonio Guterres auf dem 16. BRICS-Gipfel in Kasan Foto: Grigory Sysoev/SNA/imago

O b in Kasan die Häppchen besser schmecken als woanders? Süßer, sahniger, deliziöser als in der Schweiz? Dorthin, auf den Bürgenstock, wo in diesem Juni knapp 60 Staaten zusammenkamen, um über Wege aus dem Krieg in der Ukraine zu beraten, hat sich der UN-Generalsekretär Antonío Guterres nämlich nicht begeben. Wie auch der, der diesen Krieg überhaupt in Gang gesetzt hatte: Russlands Präsident Wladimir Putin. Er bezeichnet diesen Krieg, bei dem die russische Armee seit fast 980 Tagen sein Nachbarland zerstört, weiterhin als „militärische Spezialoperation“.

Nun treffen sich Guterres und Putin aber in Kasan. Der höchste Repräsentant des Völkerrechts kostet tatarisches Süßgebäck bei einem Verächter des Völkerrechts. „Ja, schmeckt“, nickt er. Was für ein Geschenk für Putin! Zumal Guterres ganz vertrauensselig in die Kameras blickt und seinen Sprecher ausrichten lässt, es sei „Standardpraxis“, zu Brics-Gipfeln zu reisen. Schließlich kämen in Kasan wichtige Staaten zusammen.

Standardpraxis, das Völkerrecht ad absurdum zu führen? Standardpraxis, den völkerrechtswidrigen Krieg, den Putin gegen die Ukraine führt, mit seinem Besuch am runden Tisch der Brics-Gruppe in Russland zu normalisieren? Damit hat Guterres die UN diskreditiert. Er findet offenbar nichts dabei. Und er findet nichts dabei, wenn Staaten wie Iran, China und Russland auf offener Bühne vom „diktatorischen Westen“ faseln, wenn sie verlogen von einem „demokratischen wie transparenten System“ sprechen, das „Menschenrechte fördert“, und welches sie innerhalb der Brics-Gruppe aufgebaut hätten.

Er findet offenbar nichts dabei, dass die Ukrai­ne in der Abschlusserklärung noch weit hinter dem Schutz von Großkatzen auftaucht. Er sitzt da, bohrt sich im Ohr und sagt: „Wir brauchen Frieden.“ Kein Staatenlenker, der am Tisch in Kasan Platz nimmt, der fröhlich mit dem Fuß wippend den Klängen von „Kalinka“ im Kasaner Kreml zuhört, verurteilt Putin für das, was der Diktator der Ukraine und auch seinem eigenen Land antut. Auch Guterres tut das nicht, mag er auch auf die UN-Charta samt territorialer Integrität aller Länder hinweisen. So spielt er das Propagandaspiel Putins mit und lässt sich von staatstreuen russischen Medien vorführen.

Guterres liefert autoritären Staaten, die sich in der Putin-Show sonnen, die Bestätigung für all das, was diese Staaten ohnehin genüsslich von sich geben: Der Westen sei am Ende. In Kasan wird dem Westen demonstrativ die Tür gewiesen. Und der einzige anwesende Vertreter des Westens lässt sich das gefallen.

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30 Kommentare

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  • Ich glaube, es war Nelson Mandela, der einst sagte, dass es eine Fortführung von Kolonialismus sei, von Afrika zu verlangen, die Länder, die der Westen als seine Feinde betrachtet, ebenfalls wie Feinde zu behandeln.

  • In einen gewissen Sinne ist Guterres ein Limbotänzer. Durch sein Verhalten schafft er die ohnehin niedrigen Erwartungen an ihn stets aufs Neue zu unterlaufen.

  • Man sollte sich doch von der Mär' verabschieden, dass sich Völkerrecht und Menschenrechte von den westlichen Staaten ableiten würden.

    Es wäre schön, wenn sich NATO und EU vom Völkerrecht und Menschenrechten leiten lassen würden. Dann hätte sie die moralische Autorität, die Verletzungen dieser Werte von seiten Russlands anzuklagen.

    Deshalb darf die UN sich hier nicht auf die Seite des Westens schlagen, sondern muss von einem neutralen moralischen Standpunkt agieren und sowohl gegenüber dem Westen also auch gegenüber nichtwestlichenn Staaten Völkerrecht und Menschenrecht einfordern.

    Das hat er schließlich auch gegen Russland getan:

    "Einem UN-Sprecher zufolge bekräftigte der Generalsekretär dabei, dass der russische Einmarsch in der Ukraine einen Verstoß gegen das Völkerrecht und die Charta der Vereinten Nationen darstelle."

  • Der Mann ist eine völlige Fehlbesetzung. Russland/Ukraine, Israel,....

    • @QuerBeetLeser:

      Guterres ist der Welt-Diplomat, da muss er auch mit Putin und mit Netanyahu sprechen, wer denn sonst?

  • Guterres macht doch nur eines deutlich: Die Vereinten Nationen sind eine Institution von Nationen, nicht von und für Menschen. Sie verhindern keine Kriege, reduzieren keine Gewalt und beugen keinem Völkermord vor.



    Wer nach seiner Relativierung des Hamas-Terrors noch irgendeinen Zweifel daran hatte, dass sich Guterres niemals für die Rettung von Leben einsetzen würde, versteht es vielleicht jetzt.

    • @Zangler:

      Das liegt nicht an der UN, sondern an den Mitgliedsstaaten, die sie daran hindern.

  • Auch mal so 'ne Meinung: die UN als 'Vertretung des Westens'.



    Man mag darüber streiten, ob man einem per Haftbefehl des ICC Gesuchten die Hand reicht, um dann auf die UN-Charta zu verweisen.

    • @hamann:

      Da ist mir auch aufgefallen. Eine aufrechte Haltung wäre besser gewesen .

  • Er ist UN-Generalsekretär. Nicht Botschafter des Westens.



    Er ist Diplomat. Der Generalsekretär soll für den Frieden mit allen sprechen. Das heißt ja nicht gleich zustimmen. Guterres wies aufs Völkerrecht hin, das Putin so deutlich bricht.



    Sich da manichäisch zu mokieren ist mir nicht verständlich.

  • Die UN ist jetzt da wo der Völkerbund 1936 war.

    • @Machiavelli:

      Ja, in ihrer Schwarz-Weiß-Weltsicht wo jeder Diktator der neue Hitler ist, mag das ja irgendwie so sein.



      Die UN sind nicht handlungsfähig. Dennoch muss der UN-Generalsekretär mit allen reden und Möglichkeiten für Diplomatie ausloten. Wir wissen nicht, was hinter den Kulissen passiert. Vielleicht wird redete er hinter den Kulissen zumindest über Gefangenenaustausch, Getreideabkommen, Verschleppte Kinder usw. Oder wie man das Sterben einstellen kann. Wissen Sie das sicher?

  • Hr. Guterres ist kein Vertreter des Westens, sondern der UN. Damit vertritt und repräsentiert er jedoch in erweitertem Sinn das universelle Menschen- und Völkerrecht.



    Und da liegt der Hund begraben.



    Da es ihm im Kreis der BRICS-Staaten entweder am Mut oder an Einsicht gebrach, den Gastgeber und Kriegstreiber Russland klar und eindeutig zu verurteilen, hat er seinen Auftrag als UN-Generalsekr. verraten.



    Daraus folgt: Da er sonst keine Skrupel kennt und sich sehr freimütig auf die Seite der Feinde Israels stellt, muss man konstatieren, dass die Israelis alles richtig gemacht hat, als sie ihm die Einreise verboten.



    Brauchte es noch den Beweis dieser Reise?

    • @Vigoleis:

      Und Völkerrecht ist vor allem den Versuch, Dinge friedlich zu regeln. Das muss er wieder und wieder versuchen. Und da er keine Machtmittel hat, muss er reden. Ist doch nicht so schwer zu verstehen, oder?



      Und Völkerrecht und Menschenrecht wird auch von Israel gebrochen, Stichwort: Illegale Siedlungen, die vielen zivilen Toten in Gaza, die Schläge auf eine Botschaft in Damaskus.



      Und auch der Westen hat das Völkerrecht oft gebrochen. Joe Biden hat den Irakkrieg mit vorangetrieben. Dennoch redet er mit ihm. Weil es sein Job ist.

      • @Kartöfellchen:

        Danke! So ist es.

  • 1. Ein UN-Generalsekretär kann "den Westen" nicht verraten, da "dem Westen" die UNO nicht gehört.



    2. Es ist die Aufgabe des UN-Generalsekretärs überall für Frieden und die Werte der UN zu werben. Wie soll er das machen, wenn er nicht mit den Leuten redet.



    3. DIE BRICS repräsentieren nun einmal einen erheblichen Teil der Menschheit, die in der UN ist. Daher ist es völlig normal, dass er diese Treffen besucht.



    4. Der UN-Generalsekretär redet eben mit allen, auch Diktatoren. Das ist die Rolle der UN. Und er redet auch mit westlichen Staaten, die diverse Kriege der letzten Jahrzehnte verbrochen haben. Irak 2003, illegaler Drohnenkrieg...Warum? Weil es sein Job ist.



    5. Was die innere Verfasstheit der Staaten - auch Diktaturen- betrifft:



    "Aus dieser Charta kann eine Befugnis der Vereinten



    Nationen zum Eingreifen in Angelegenheiten, die ihrem



    Wesen nach zur inneren Zuständigkeit eines Staates gehören, oder eine Verpflichtung der Mitglieder, solche Angelegenheiten einer Regelung aufgrund dieser Charta zu unterwerfen, nicht abgeleitet werden"

  • Die UN wird seit langem von allen 5 permanenten Mitgliedern des Sicherheitsrates diskreditiert, die nachweislich nicht nach Rechtslage entscheiden, sondern nach eigenen Interessen. Dadurch haben sie nicht nur ihre Aufgabe zur Konfliktlösung und zur Wahrung des Friedens verfehlt, sie haben auch dafür gesorgt, dass mittlerweile 250 Millionen Menschen weltweit auf humanitäre Hilfe angewiesen sind. Siehe Oxfam Report: "Vetoing Humanity"



    policy-practice.ox...-why-refor-621621/



    Das Veto sollte komplett abgeschafft werden.

    • @Momo Bar:

      Das führt dann wie davor beim Völkerbund dazu, dass der Sicherheitsrat zwar Beschlüsse fasst, aber niemand sie umsetzt.

  • "Der UN-Generalsekretär hat sich von Putin einladen lassen und mit ihm friedlich vor Kameras posiert. Damit hat er den Westen verraten."



    Die Formulierung ist gelinde gesagt äußerst unglücklich. Als UN-Generalsekretär ist er 'dem Westen' nicht besonders verpflichtet, sondern der UN. Er kann sie deswegen nicht 'verraten'.



    Und das ist völlig unabhängig davon, was ich von seinem Besuch bei Putin halte.

    • @Encantado:

      Ok da haben sie einen Punkt, damit verbunden wäre dann aber auch die Überlegung ob Gutteres die aktuelle UN nicht besser repräsentiert, als einem das lieb ist.

  • Wenn Guterres auch aus dem westlichsten Land Kontinentaleuropas kommt, so ist er doch nicht der Repräsentant einer Himmelsrichtung, sondern der Vereinten Nationen. Als solcher hat er ein Treffen von Staatenvertretern besucht, die über 40% der Weltbevölkerung und gleichermaßen den Hohen Norden, den Fernen Osten, den afrikanischen Süden und die westliche Seite des Atlantik repräsentieren. Keine Himmelsrichtung muss sich diskriminiert fühlen.

  • Kann mich dem Kommentar nur anschließen.



    Guterres war aber einer der Ersten, der Israel einen Genozid im Gazastreifen vorwarf.

    • @Klaus Waldhans:

      Ja, er ist obendrein Antisemit, jeder der sich dann noch über was wundert sollte sich selber ernsthaften Fragen stellen; für mich spätestens seit dazu Klarheit besteht der Posten des Generalsekretärs einfach vakant. Diese Person existiert in der Rolle nicht mehr. Das hat in der Tat weder was mit dem Westen zu tun, noch bräuchte es das Wissen um den Hintergrund, vor dem die Vereinten Nationen einmal gegründet wurden, wobei das schon eher eine Stütze sein sollte. Schade nur dass es der auch westlichen Bühne für so jemanden indes keinen Abbruch täte, als ob er sie offensichtlich nötig hätte. Nein, man erwartet noch dass er für uns spreche. Ein Antisemit! Wer kann das denn wollen? Wer hat das gefordert? Auch machen die Medien hier wieder den fatalen Fehler, dass sie den Bösewichten grundsätzlich viel mehr Raum (und jede Visage) einräumen als den Guten. Und sich dann fragen, wie das System irgendwann kippen kann. Wie man mit sowas umgeht und darauf reagiert, fragt Zelensky. Das ist Konsequenz und das ist Glaubwürdigkeit. Sonst ist nichts glaubwürdig.

    • @Klaus Waldhans:

      Haben Sie dafür irgendeinen Beleg; mir jedenfalls ist keine derartige Äußerung bekannt... Es würde viel zum Diskussionsniveau beitragen, wenn man zumindest bei den Fakten bleibt, statt nicht belegte Vorwürfe zu verbreiten (um genau zu sein wäre das der Unterschied zwischen Kritik und Diffamierung...).

  • Gutierrez’s vertritt die UN und nicht den „Westen“. Daher ist seine Teilnahme plausibel, wenn sich Vertreter von mehr als 40% der globalen Bevölkerung treffen.



    Was sollte denn die Alternative sein?

    • @1Pythagoras:

      Teilnehmen ist das Eine, das Auftreten dort das Andere.

    • @1Pythagoras:

      Selbst wenn man das so sehen möchte, muss er sich als UN-Generalsekretär so willfährig von Putin vorführen lassen?



      Welchen Sinn soll jetzt seine Teilnahme gehabt haben? Ich sehe keinen. Gespräche mit Vertretern der Brics-Staaten hätte er genauso gut oder eher besser hinter den Kulissen und informell führen können.

      • @DC Fix:

        Wissen Sie, was er hinter den Kulissen gesprochen hat?



        Nicht jeder Diplomat muss auftreten wie unsere oberste "Diplomatin".

    • @1Pythagoras:

      Die Alternative heißt wohl 'The war must go on' - von Diplomatie hält auch die Ukraine offensichtlich so wenig wie Hartwich:

      》Selenskyj lehnt Guterres-Besuch in Kiew nach Brics-Teilnahme ab

      Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat offenbar einen Besuch von UN-Generalsekretär Antonio Guterres in Kiew abgelehnt, nachdem dieseran einem Gipfeltreffen in Russland teilgenommen hatte.

      Nach dem Treffen der sogenannten Brics-Staaten im russischen Kasan habe Guterres in die Ukraine kommen wollen, „aber der Präsident hat seinem Besuch nicht zugestimmt“ [...] Als Grund wurde die„Demütigung von Vernunft und internationalem Recht in Kasan“ genannt.

      Guterres hatte diese Woche am Brics-Treffen im zentralrussischen Kasan teilgenommen und sich dort auchzu einem Gespräch mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin getroffen.Einem UN-Sprecher zufolge bekräftigte der Generalsekretär dabei, dass der russische Einmarsch in der Ukraine einen Verstoß gegen das Völkerrecht und die Charta der Vereinten Nationen darstelle.《 (tagesspiegel.de)

      • @ke1ner:

        Es erstaunt mich immer wieder zu sehen, wie ihr Friedensbewegten die Verantwortung für Friedensverhandlungen auf die Ukraine umwälzt. Jeder, der Ahnung von Russland hat, weiß, dass dieser Krieg die Zerstörung der Ukraine und der Ukrainer als Nation zum Ziel hat. Putins Behauptungen, der ukrainische Staat sei "künstlich" und ein Fehler der Bolschewiken, sowie die Ukrainer ein vom Westen erfundenes Volk, das die Einheit des "dreieinigen russischen Volkes" zerstören soll, ist in Russland absoluter Mainstream und keine abseitige Position eines Irren.



        Entsprechend sind die Bedingungen für Friedensverhandlungen formuliert. Räumung aller annektierten Gebiete. Dann hat man nämlich die vor allem im Donbas sehr soliden Fortifikationen hinter sich, die gerade Russland täglich mehrere hundert Soldaten kostet. Zusätzlich soll die Ukraine blockfrei sein, damit sich das Land nicht endgültig einem erneuten Angriff entziehen kann. Wer darin kein neues Chassawjurt sieht, ist entweder Troll oder hat keine Ahn. Dazu kommt, dass dann die Verhandlungen erst losgehen und was da an Forderungen kommen wird, kann man sich schon denken: Russisch als Amtssprache, Regionalisierung etc.