Ende der Coronamaßnahmen: Eine Exit-Strategie ist auch bei uns nötig
Der Bevölkerung auf ungewisse Zeit weiter Restriktionen aufzubürden, ist unverhältnismäßig. Es braucht klare Ansagen der Bundesregierung.
Das Leben in Dänemark ist um einiges leichter geworden. Keine Tests mehr, keine Impfnachweise. Mehr als eineinhalb Jahre nach Beginn der Covidpandemie ist man beim nördlichen Nachbarn zur Normalität zurückgekehrt – höchste Zeit für eine Debatte auch in Deutschland, wie lange man die noch bestehenden Coronarestriktionen beibehalten möchte.
Zwar liegt Deutschland bei den Impfquoten deutlich hinter Dänemark. Dennoch sollte es auch hierzulande eine Exit-Strategie für noch bestehende Covidmaßnahmen geben. Denn es wird immer klarer, dass eine nahezu vollständige Eindämmung der Pandemie vermutlich nicht gelingen wird, weil einfach nicht alle Menschen geimpft werden wollen. Wenn die nun beginnende Impf-„Aktionswoche“ der Bundesregierung keinen signifikanten Schub bei den Impfzahlen bringt, steht die Frage im Raum, wie lange man etwa die Maskenpflicht noch aufrechterhalten will.
Diese besteht etwa in Zügen und Bahnen und Supermärkten noch immer. In Restaurants müssen Gäste ihre Adressdaten angeben und Impfnachweise vorzeigen. Bei großen Veranstaltungen gibt es noch immer Zuschauer-Beschränkungen. Das alles sind natürlich keine unzumutbaren Härten, wenn es denn einen Ausstiegszeitpunkt gibt. Aber den gibt es eben nicht.
Laut einer Erhebung des Robert-Koch-Instituts schließen 24,3 Prozent der Ungeimpften kategorisch aus, sich impfen zu lassen. Weitere 9,1 Prozent wollen sich „eher nicht“ impfen lassen. Eine gänzliche Durchimpfung der Bevölkerung ist unter diesen Bedingungen vermutlich nicht zu erreichen. Selbstverständlich sollte weiterhin Überzeugungsarbeit für eine Impfung geleistet werden. Aber dem Rest des Landes deshalb auf ungewisse Zeit weiter Restriktionen aufzubürden, ist unverhältnismäßig.
Den „Querdenkern“ ihren Opfermythos nehmen
Zudem sorgen die Restriktionen für gesellschaftliche Spannungen. Wütende Fahrgäste in U-Bahnen, die Mitfahrer bereits mit bösen Blicken strafen, wenn ihnen die Maske kurz unter die Nase rutscht. Der „Querdenker“-Bewegung würde ein wesentlicher Teil des eigenen Opfermythos verloren gehen, wenn die Maskenpflicht fallen würde. Der gesellschaftliche Frieden würde auch gestärkt, weil Geimpfte Impfgegner nicht mehr dafür verantwortlich machen könnten, dass sie nicht zur Normalität zurückkehren können.
Eine weitere Aufrechterhaltung der noch bestehenden Maßnahmen ist nur zu rechtfertigen, wenn die Bundesregierung eine klare Ansage macht. Wie hoch muss die Impfquote sein, damit die bestehenden Masken- und Nachweispflichten endlich abgeschafft werden? Und: Mit welcher Strategie und in welchem Zeitraum soll eine höhere Impfquote eigentlich erreicht werden?
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Greenpeace-Mitarbeiter über Aufrüstung
„Das 2-Prozent-Ziel ist willkürlich gesetzt“
Keith Kelloggs Wege aus dem Krieg
Immer für eine Überraschung gut
Ampel-Intrige der FDP
Jetzt reicht es sogar Strack-Zimmermann
Rauchverbot in der Europäischen Union
Die EU qualmt weiter
Antisemitismus in Berlin
Höchststand gemessen
Rechtspopulistinnen in Europa
Rechts, weiblich, erfolgreich