Drohnenattacke auf den Kreml: Angriffe in Russland nehmen zu
Drohnen sollen den Kreml attackiert haben. Der Präsident blieb dabei wohl unversehrt. Auch sonst findet der Krieg vermehrt auf russischem Boden statt.
Zum ersten Mal in diesem Krieg ist der Kreml direkt mit Drohnen angegriffen worden. Dies berichten ukrainische und russische Telegram-Kanäle übereinstimmend. Der Angriff war bereits in der Nacht auf Mittwoch erfolgt, wurde jedoch erst im Laufe des Tages gemeldet.
„Dem russischen Präsidenten ist bei dem Angriff nichts passiert“, meldet der ukrainische Telegram-Kanal „Charkow1654“ mit einem Unterton von Genugtuung. Und die meisten KommentatorInnen drücken mit einem „Schade“ und „Das tut mir leid“ ihr Bedauern darüber aus, dass Kremlchef Wladimir Putin bei diesem Angriff eben nicht getroffen wurde.
Kein Verständnis für diese Schadenfreude hat man erwartungsgemäß im Kreml. Im Gegenteil: Moskau hat am Mittwoch umgehend die Ukraine für die Attacke verantwortlich macht. „Die russische Seite behält sich das Recht vor, Vergeltung zu üben, wo und wann sie es für richtig hält“, heißt es in einer Erklärung des Kreml. Mit Bekanntwerden des Drohnenangriffs haben die Moskauer Behörden jeglichen mit den staatlichen Stellen nicht abgestimmten Einsatz von Drohnen verboten. Gleichwohl soll die für den 9. Mai geplante Parade zum Jahrestag des Endes des Zweiten Weltkrieges auf dem Roten Platz stattfinden.
In der Ukraine zeigt man sich überrascht von diesem Angriff auf den Kreml. Man habe keine Informationen über diesen Angriff, ließ der Sprecher von Präsident Wolodimir Selenski, Serhij Nikiforov, verlauten, so „Charkow1654“. Der Ukraine gehe es um die Befreiung der eigenen Gebiete und nicht um einen Angriff auf anderer Territorien, so Nikiforov.
Ein kleiner russischer Telegram-Kanal hatte zuerst von dem Angriff berichtet. Dieser hatte Augenzeugen zitiert, die einen Knall wie einen rollenden Donnerschlag beschrieben und Funken am Himmel gesehen haben wollen. Die Drohnenattacke auf den Kreml zeigt aufs Neue, dass der Krieg gegen die Ukraine längst auf russischem Territorium angekommen ist. Der Vorfall reiht sich dabei ein in eine Serie weiterer Angriffe und Anschläge auf russischem Territorium.
In Russland regt sich Kritik am Krieg
Bereits am Dienstagabend ist in der Region Brjansk ein Anschlag auf die Eisenbahn verübt worden. Dabei waren nach einer Explosion nahe dem Bahnhof Sneschetskaya 20 Güterwagen und eine Lokomotive entgleist. Auch der Gouverneur der Region, Aleksandr Bogomaz, hatte von einer Explosion gesprochen. Bereits am Montag hatte es dort einen ähnlichen Angriff auf einen Zug gegeben.
Gleichzeitig ist am Mittwochmorgen in der Region Krasnodar ein mit Ölprodukten beladenes Tankschiff nahe dem Hafen von Taman in Brand geraten. Der Gouverneur der Region Krasnodar, Wenjamin Kondratiew, stufte das Feuer als sehr gefährlich ein. So sei ein Tank mit einem Volumen von 20.000 Kubikmetern in Brand gesteckt worden. Insgesamt seien 1.200 Quadratmeter von dem Brand betroffen, zitiert das Portal svoboda.org den Chef des Gebietes Temrjuk, Fedor Babenkow. Auch hier wollen Anwohner zuvor eine Explosion gehört haben. Hinzu kommt der Brand in einem Öldepot Ende April in Sewastopol.
Erstmals seit Monaten scheint sich in Russland öffentlich Kritik an Moskaus Krieg zu regen. So berichtet der Moskauer Kommunist Kirill Medwedew auf seiner Facebook-Seite von einer Kundgebung sibirischer Kommunisten in Nowosibirsk, die mit den Parolen „Keinen Krieg – außer den Klassenkampf!“, „Friede den Völkern“, „Nein zum politischen Terror“ am 1. Mai auf die Straße gegangen waren.
Die Menschen würden nicht verstehen, wofür sie ihr Leben hergeben, hatte ein Redner auf dieser von den Behörden genehmigten Kundgebung ausgerufen. Irgendwelche Verrückte würden über die staatlichen Fernsehkanäle aufrufen, London und Washington mit Atomwaffen zu bombardieren, beklagte sich der Redner. Und wenn schon alles nach Plan verlaufe, „ja dann zeigt uns doch diesen Plan“, zitiert Medwedew den Redner der kommunistischen 1.-Mai-Kundgebung in Nowosibirsk.
Derweil ist die Ukraine erneut von einer Serie russischer Angriffe erschüttert worden. Am Mittwoch schlugen Raketen in der südukrainischen Stadt Cherson ein. Dabei sind nach Angaben ukrainischer Ermittler vom Mittwochnachmittag 16 Menschen getötet worden. Zwei Raketen haben zudem Saporischschja getroffen. In der Stadt Kostjantyniwka ist bei russischen Angriffen eine Person verwundet worden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Müntefering und die K-Frage bei der SPD
Pistorius statt Scholz!
Unterwanderung der Bauernproteste
Alles, was rechts ist
Rentner beleidigt Habeck
Beleidigung hat Grenzen
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus
Aktienpaket-Vorschlag
Die CDU möchte allen Kindern ETFs zum Geburtstag schenken
Waffen für die Ukraine
Bidens Taktik, Scholz’ Chance