Dobrindt will Gespräche mit den Taliban: Abschieben für die AfD
Um Verluste an die AfD zu verhindern, setzt der Innenminister ihre Forderungen selbst um – und nimmt ein paar zerstörte Existenzen billigend in Kauf.
S ie ist wieder da: die deutsch-afghanische Abschiebedebatte. Diesmal ist es Innenminister Alexander Dobrindt (CSU), der sich seit Wochen ohnehin schon auf einem in weiten Teilen rechtswidrigen Anti-Flucht- und -Migrations-Kurs befindet. Nun will er afghanische Geflüchtete in das Emirat der militant-islamistischen Taliban abschieben. Deshalb, so Dobrindt, brauche es direkte Gespräche und ein unmittelbares Abkommen mit Kabul.
Überraschend ist all das selbst für Dobrindt’sche Verhältnisse nicht. Immerhin hat bereits die Vorgängerregierung unter Olaf Scholz Geflüchtete – „natürlich nur Straftäter!“ – mit katarischer Hilfe nach Afghanistan abgeschoben. Und auch das war schon inakzeptabel: Selbst für den schlimmsten Straftäter hat der Rechtsstaat zu gelten – und nicht ein Taliban-Richter samt folternder Schergen, die seit ihrer Rückkehr im Sommer 2021 Jagd auf Journalisten und Menschenrechtsaktivisten machen. Wie es Inhaftierten dort ergeht, ist kaum zu überprüfen. Sogar einem Minister Dobrindt werden die Taliban keinen Zugang zu ihren Gefängnissen gewähren – in denen teils Menschen aufgrund kritischer Facebook-Kommentare inhaftiert sind.
Hinzu kommt, dass ein Abschiebedeal mit den Taliban erneut Deutschlands ohnehin angeschlagene Glaubwürdigkeit am Hindukusch und im Nahen Osten massiv untergraben würde. Zur Erinnerung: Tausende Afghaninnen und Afghanen warten weiterhin auf ihre Evakuierung. Doch sie wissen, dass das Bundesaufnahmeprogramm eingestampft wurde – und dass sie verraten wurden.
Sollten jegliche Gespräche mit den Extremisten dennoch boykottiert werden? Nein, denn weiterhin wichtig sind humanitäre Hilfe und eine Form der Präsenz, die verdeutlicht, dass man Afghanistan weder vergessen hat noch die Praktiken der Taliban duldet. All dies geschieht jedoch nicht – denn in Berlin geht es nur um Abschiebungen beziehungsweise darum, weitere Verluste an die AfD zu verhindern. Also setzt man ihre Forderungen gleich selbst in die Realität um und nimmt dafür ein paar zerstörte Existenzen in Kauf.
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