piwik no script img

Deutscher ArbeitsmarktZuwanderung ist unausweichlich

Frederik Eikmanns
Kommentar von Frederik Eikmanns

Eine Studie der Bertelsmann Stiftung bekräftigt, dass der deutsche Arbeitsmarkt dringend Mi­gran­t*in­nen braucht. Ein Hinweis für die nächste Koalition.

Deutschland fehlt es an Fachkräften Foto: imago

O hne Zuwanderung wird es nicht gehen. So lässt sich zusammenfassen, was eine neue Studie im Auftrag der Bertelsmann Stiftung herausgefunden hat. Demnach würde die Zahl der Arbeitskräfte in Deutschland von aktuell rund 46 Millionen bis 2060 auf 35 Millionen schrumpfen, wenn keine Im­mi­gran­t*in­nen mehr kämen. Die Auswirkungen auf Wirtschaft und Sozialsysteme wären verheerend. Um die Zahl der Arbeitenden dagegen stabil zu halten, müssen jährlich etwa 300.000 Menschen nach Deutschland einwandern.

Im Kern ist all das aber altbekannt – und doch lohnt es sich, darüber zu sprechen. Denn zum einen weigern sich Gesellschaft und viele Po­li­ti­ke­r*in­nen hartnäckig, einzusehen, was offensichtlich ist: Die deutsche Wirtschaftskraft hängt von Im­mi­gran­t*in­nen ab. Um jede Maßnahme, die Deutschland für ausländische Arbeitskräfte attraktiver macht, entspinnt sich noch immer eine haarsträubende Debatte. Zwei Beispiele: Als es um die Reform des Staatsbürgerrechts ging, fabulierten Unionspolitiker vom deutschen Pass als „Ramschware“. Und als die Idee im Raum stand, Fachkräfte mit kurzfristigen Steuerentlastungen anzulocken, brach gleich über alle politischen Lager hinweg die Entrüstung los.

Daneben sind die Ergebnisse der Studie aber auch relevant für die elende Dauerdebatte um Geflüchtete. Schließlich fußt die unter anderem auf der Annahme, dass Geflüchtete – anders als Fachkräfte – vor allem Geld kosten. Mal davon abgesehen, dass es keiner ökonomischen Gründe bedürfen sollte, um Menschen zu helfen, die vor Verfolgung und Krieg fliehen: Die Trennung in gute und schlechte Aus­län­der*in­nen trägt nicht.

Laut Studie wäre auch in den vergangenen Jahren die Zahl der Arbeitskräfte gesunken, wenn es nicht die Millionen Menschen gegeben hätte, die hier Schutz suchten. Auch wenn Geflüchtete im Schnitt weniger qualifiziert sind als handverlesene Arbeitsmigrant*innen, ist das nur eine kurzfristige Hürde. Vorausgesetzt der Staat sorgt für Integrations- und Weiterbildungsmöglichkeiten, wird aus fast je­dem*­je­der eine Stütze der deutschen Wirtschaft.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Frederik Eikmanns
Fachredakteur Inland
Themenschwerpunkte Migration, Flucht und Antisemitismus
Mehr zum Thema

10 Kommentare

 / 
  • Man darf von der gewünschten Einwanderung erwarten, dass sie für die Volkswirtschaft einen positiven Effekt oder doch zumindest kostenneutral ist. Der derzeitige Spaß der illegalen Einwanderung, aka Asyl kostet den deutschen Staat so etwa 50 Milliarden/Jahr. Folgekosten z. Bsp. Mindestrente nicht eingeschlossen. Das ist nicht die Einwanderung von der die Studie spricht. Für eine Einwanderung z. Bsp. in die USA oder Australien braucht man u.a. 2 Bürgen, berufliche Qualifikation und einen Job der sie/ihn ernährt. Mich würde interessieren welcher Anteil der heute "Geduldeten" diese Kriterien erfüllen könnte?

  • Hier werden inhumane Verwertungslogik und beklagenswerte Ausländerfeindlichkeit zusammengebracht, wenn das nicht zynisch ist?

  • Aus meiner Sicht sollten wir weniger darüber diskutieren, ob Migration stattfinden sollte.



    Die meisten Parteien, mit Ausnahme der AfD, haben das nämlich längst erkennt, dass Deutschland auf die Migration von Arbeitskräften angewiesen ist.

    Stattdessen sollten wir mehr darüber diskutieren welche Form der Migration stattfinden sollte und ob sie gesteuert werden sollte und wenn ja, wie.

    Das vermisse ich insbesondere von den linken Parteien und auch Medien. Die machen den Parteien rechts der Mitte leider oft die Unterstellung, dass sie Migration per se verhindern wollen.

  • Warum wird eigentlich über dieses Thema nur noch so geschrieben als sei die Logik des Kapitalismus gänzlich alternativlos?

  • Grundsätzlich ja. Eine geordnete Einwanderung wäre sicher auch mehrheitsfähig.



    Wobei man auch teils auf Robotik setzen kann wie Japan. Und was heißt braucht? Genug, um alle Jobs zu besetzen? Oder genug, damit man immer genug Arbeitslose hat, die man als Sündenbock und als Druckmittel gegen die Arbeitenden einsetzen kann?

  • Mangelhafte Integrations- und Weiterbildungsmöglichkeiten sind aber schon entscheidende Punkte, an denen es hakt. Und diese Probleme hat bis jetzt keine (Landes-) Regierung gelöst, gleich welcher Partei.

    Man kann es der Gesellschaft nicht verübeln, dass sie skeptisch auf noch mehr Migration schaut, wenn bereits jetzt die Schulen unter immer mehr Schülern mit hohem Förderbedarf ächzen und die schulischen Leistungen im freien Fall sind. Sich die Kriminalitätszahlen negativ entwickeln und Migranten überproportional vertreten sind, gerade bei sensiblen Deliktfeldern. Und Zuwanderer mit Sozial Schwachen in Konkurrenz stehen um knappen Wohnraum. Usw.

  • Bin dabei! Aber dennoch muss das geregelt werden. Wie? Bitte mal notwendigen Folgeartikel schreiben.



    (Das geht dann im Detail eben nicht mehr so leicht von der Hand, gell?)

  • Zur Kernkompetenz wird Integrieren bzw. Einschließen.



    Es wäre schön, wenn alle demokratischen Parteien an dieser Kernkompetenz für unser Land arbeiten würden.



    Denn trivial ist das gar nicht.

    Ruhrgebiet: sie kamen aus Hessen, dann aus Pommern, dann aus den überrannten Ostgebieten, dann aus Ostdeutschland, dann aus Italien & Co., dann aus der Türkei & Co., dann wieder aus Ostdeutschland und irgendwann zogen auch welche von dort in andere Ecken. Es ist ein Kommen und Gehen. Die Kernkompetenz da für Seele und Geldbeutel ist Integrieren bzw. Einschließen.

  • Während ansonsten mit Begeisterung eine Differenzierung in beliebig viele „identitäre Gruppen“ versucht wird, werden hier alle Einwanderungsgruppen über einen Kamm geschoren.



    Solche groben Vereinfachungen helfen niemandem, sondern befeuern eine ( vermutlich nicht beabsichtigte) falsche Diskussion.

  • Auch für den Autor gilt, daß das " im Kern altbekannt ist".



    Doch auch er weigert sich einzusehen, was offensichtlich ist:



    Wir müssen die unkontrollierte Migration verhindern, um zur kontrollierten Migration.und Integration von Menschen zu kommen, die wir ",brauchen", als Arbeitskräfte.