Desaster in der Wohnungsbaupolitik: Umbau jetzt!
Gegen die Wohnungskrise anbauen? Das funktioniert nicht mehr. Besser wäre eine radikale Abkehr von der bisherigen Politik.
K lara Geywitz freut sich. Rund 294.000 Wohnungen wurden im vergangenen Jahr neu gebaut. Das sei überraschend gut, jubiliert die SPD-Bundesbauministerin. Dass sie sich über diese Zahlen freuen kann, zeigt, in welcher katastrophalen Lage die Wohnungspolitik in Deutschland ist. Zum einen war befürchtet worden, dass das von der Bundesregierung selbst gesetzte Ziel von 400.000 neuen Wohnungen pro Jahr noch deutlicher verfehlt würde. Zum anderen ist es sicher, dass es in den kommenden Jahren noch viel schlimmer wird.
Denn der Bau der im vergangenen Jahr fertiggestellten Wohnungen wurde im Schnitt rund zwei Jahre zuvor genehmigt. Damals aber bewegte sich die Zahl der Baugenehmigungen noch auf dem mehrere Jahre konstanten Level von gut 30.000 pro Monat. Das schon war viel zu wenig, um die Spannungen des völlig überhitzten Wohnungsmarktes abzubauen. Doch seither fällt die Zahl auch noch ins Bodenlose. Zuletzt vermeldete das Statistische Bundesamt einen Rückgang um fast 50 Prozent seit dem Frühjahr 2022.
Das hat mehrere Gründe. Da sind die infolge des Krieges in der Ukraine gestiegenen Kosten für Baumaterialien. Zudem ist Neubau mittlerweile so teuer, dass er für die breite Masse unbezahlbar geworden ist. Zwar bleibt die Nachfrage enorm. Aber auf dem ach so oft gelobten freien Markt kommen Bauherren und Wohnungssuchende einfach nicht mehr zusammen.
Was nichts anderes heißt: In den kommenden Jahren wird Neubau als Gestaltungsinstrument in der Wohnungspolitik komplett ausfallen. Dumm nur, dass die Regierung kein anderes hat. Und die rechte Opposition erst recht nicht.
Weg mit Steuerabschreibungen
Helfen könnte nur ein Umbau. Eine intensive Nach- und Neunutzung bestehender Gebäude, wie sie zukunftsorientierte Architekt:innen anregen, ist ein überfälliger Ansatz. Noch drängender aber wäre ein Umbau der Wohnungspolitik.
Als erste Notfallmaßnahme müsste der noch existierende Restbestand günstiger Wohnungen gesichert werden, etwa durch einen Mietpreisdeckel, was nach bundespolitischen Eingriffen ja möglich wäre. Zweiter Schritt wäre die radikale Abkehr von sämtlichen Bauförderungen wie Steuerabschreibungen von renditeorientierten Investmentprodukten hin zu gemeinnützigen, langfristig sich selbst finanzierenden Wohnungsfonds.
Das wäre im Wortsinne eine Jahrhundertaufgabe. Fatalerweise ist die Politik hierzulande nicht darauf ausgelegt, in solchen Dimensionen zu denken. So werden auch die gerade fertig gewordenen Wohnungen längst Altbauten sein, bevor sich wirklich etwas ändert.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Bis 1,30 Euro pro Kilowattstunde
Dunkelflaute lässt Strompreis explodieren
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“
Studie Paritätischer Wohlfahrtsverband
Wohnst du noch oder verarmst du schon?
Leben ohne Smartphone und Computer
Recht auf analoge Teilhabe
Ansage der Außenministerin an Verbündete
Bravo, Baerbock!
Armut in Deutschland
Wohnen wird zum Luxus