piwik no script img

Debatte über StaatsbürgerschaftSicherheitsrisiko Friedrich Merz

Der CDU-Kanzlerkandidat möchte Menschen ausbürgern, die straffällig geworden sind. Damit gefährdet er den gesellschaftlichen Frieden in Deutschland.

Nicht lustig: Wahlkämpfer Friedrich Merz Foto: Marcus Brandt/dpa

E igentlich habe Friedrich Merz ja gar keinen Migrationswahlkampf machen wollen. Das liest man hier und da, seitdem der Kanzlerkandidat der CDU gefordert hat, es solle doch möglich sein, eingebürgerten Deutschen die Staatsbürgerschaft wieder abzuerkennen, falls diese straffällig werden. Das klingt so, als ob man als Politikprofi ganz aus Versehen in ein Wahlkampfthema hineinrasseln und dabei ganz unabsichtlich rassistische und dazu verfassungswidrige Forderungen erheben kann.

Welches Motiv steckt also tatsächlich hinter der Wortmeldung von Friedrich Merz?

War es nur ein weiterer Ausrutscher, der dem CDU-Kanzlerkandidat wohl wieder rein zufällig im Themenbereich der gesellschaftlichen Vielfalt unterlaufen ist, so wie bei den kleinen Paschas, die Lehrerinnen auf die Palme bringen; oder bei den Geflüchteten, die den Deutschen die Zahnarzttermine wegnehmen; oder den Ukrainer:innen, die Sozialtourismus betreiben? Solche Ausrutscher können natürlich auch einem Millionär mit Privatflugzeug passieren, der jahrelang auf höchster Ebene als Wirtschaftsanwalt tätig gewesen und dazu im Aufsichtsrat von BlackRock, dem größten Vermögensverwalter der Welt, gesessen hat.

Oder war es doch ein kalkulierter und wohl überlegter Schachzug eines dirty Wahlkämpfers, der sich nicht zu schade ist, unrealistische und demokratisch nicht mehrheitsfähige Pläne zu formulieren, um ein paar AfD-geneigte richtige Deutsche mehr für sich zu gewinnen?

Ratespiele ohne Relevanz

Vielleicht will Friedrich Merz aber auch einfach nicht so blass aussehen neben seinen Spezis von der CSU, die in migrationspolitischen Fragen völlig enthemmt dem Wahltag entgegenfiebern („Knallhartkurs“, Alexander Dobrindt) – und die dieses Mal wirklich alle mitnehmen wollen, auch und gerade den rassistischen Bierzeltmob, der endlich mal wieder eine Ausländersau durchs Dorf jagen will.

Oder Merz sagt so etwas, weil er aufrichtig davon überzeugt ist.

Möglicherweise aber hat eine Mischung aus all dem Merz zu seiner Aussage über Staats­bür­ge­r:in­nen erster und zweiter Klasse gebracht. Das genaue Verhältnis dieser Faktoren dürfen gut vernetzte Haupt­stadt­jour­na­lis­t:in­nen in den Polittalkshows der Nation ausdiskutieren.

Denn am Ende ist es nicht relevant, warum Merz gesagt hat, ein Entzug der Staatsbürgerschaft solle möglich sein, sondern dass er es gesagt hat.

Eine Folge solcher Aussagen ist, dass der gesellschaftliche Zusammenhalt weiter zugrunde geht – die einen sehen sich in rassistischen Vorurteilen bestätigt, die anderen im Gefühl, nicht zur deutschen Gesellschaft zu gehören. Und wenn die Frustration einige Wahlkämpfe und Merz-Sätze später weit genug fortgeschritten ist, dann kann es sein, dass sich die einen rechtsextremen und die anderen islamistischen Terrorgruppen anschließen und handeln. Dabei will doch gerade auch die CDU ein sicheres Deutschland?

Relevant ist nicht, warum, sondern dass Merz gesagt hat, ein Entzug der Staatsbürgerschaft solle möglich sein

Friedrich Merz und seine Ausbürgerungsfantasien sind deshalb ein Sicherheitsrisiko für Deutschland. Das sollte nicht nur die vielen alarmieren, die unmittelbar davon betroffen sein könnten. Auch alle anderen, die an einem friedlichen Zusammenleben in Deutschland interessiert sind, sollten aufhorchen. Wer sich in Ratespielen über Motive von Po­li­ti­ke­r:in­nen und Analysen ihrer Wahlkampfstrategien verliert, kann dieses Sicherheitsrisiko leicht übersehen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Volkan Ağar
Redakteur taz2
Kolumnist (Postprolet) und Redakteur im Ressort taz2: Gesellschaft & Medien. Bei der taz seit 2016. Schreibt über Soziales, Randständiges und Abgründiges.
Mehr zum Thema

6 Kommentare

 / 
  • Man kann das Ganze ja auch ein Stückchen weiterdenken.



    Wie wäre es denn mit der Ausbürgerung straffällig gewordener "Biodeutscher?



    Es ließe sich doch sicher ein nordafrikanisches Land - oder vielleicht Albanien? - finden, mit dem Abkommen für die Aufnahme straffällig gewordener abgeschlossen werden können. Analog zu den von Italien und Großbritannien angedachten Asylzentren.

  • Was ich mich bei der doppelten Staatsbürgerschaft frage: Wenn Merz jetzt wie die AfD agiert und Doppelstaatsbürger ausbürgern möchte, was wäre, wenn diese Menschen einfach auf ihre zweite Staatsbürgerschaft verzichten und nur die deutsche behalten würden? Dann ginge ein "ausbürgern" nicht mehr, oder?

    • @Benzo:

      Momentan ginge das nicht. Und so weit wird eine CDU wohl auch noch nicht fallen, dass sie das Thema angeht.



      Aber es gibt vor allem auch Menschen, die wollen gar keine zwei Staatsbürgerschaften. Die haben nur leider eine an der Backe, die sie nach dem Recht des anderen Landes nicht abgeben dürfen.

    • @Benzo:

      Warum sollten sie? Oft hat es gute und triftige Gründe, zwei, in seltenen Fällen sogar drei Staatsbürgerschaften zu haben.

  • In den Reihen der CDU/CSU finden sich doch sicher ein paar Steuerhinterzieher mit doppelter Staatsbürgerschaft, an denen man das einmal ausprobieren könnte.



    Diese dumme Idee ist auf jeden Fall noch ein Grund mehr, die CDU/CSU NICHT zu wählen.

  • Schade, dass dieser Artikel nicht auf dem Titelblatt der FAZ steht.



    Trotzdem danke, dass er zumindest hier steht!