Debatte über Maskenpflicht: Akt der Rücksichtnahme

Gegner der Maskenpflicht tun so, als stemmten sie sich gegen eine Menschenrechtsverletzung. Dabei ist der Schutz anderer leicht zu haben.

Ein Stück Stoff vor Mund und Nase – einfacher lässt sich Rücksichtnahme kaum haben Foto: Jens Kalaene/dpa

Weg mit dem Stoff! Einige Stimmen aus Politik und Wirtschaft sprechen sich gerade für ein Ende der Maskenpflicht im Einzelhandel aus. Die Umsätze würden leiden, so das Argument, wobei unklar bleibt, ob sich nicht ohne Maskenpflicht eher weniger Menschen in die Läden trauen würden. Schließlich müssen sie dann eine höhere Ansteckungsgefahr befürchten. Aber egal, die Masken-Gegner führen die Debatte, als müssten sie sich dafür einsetzen, eine schwere, lang andauernde Menschenrechtsverletzung zu beenden.

Dabei ist das Tragen einer Bedeckung über Mund und Nase nun wirklich der kleinste Eingriff von all denen, die eine Pandemie eindämmen können. Erinnert sich noch jemand? Es ist gerade mal drei Monate her, da waren die allermeisten Läden geschlossen, Schulen und Kitas ebenfalls, Friseure zu, Restaurants zu, Schwimmbäder, Fitnessstudios, Spielplätze. Ist das schon so lange her, das Gefühl schon so vergessen, dass es einigen jetzt als unzumutbare Einschränkung erscheint, eine Maske zu tragen, wenn sie sich in den öffentlichen Nahverkehr oder in ein Geschäft begeben?

Und welche Freiheit genau ist es bitte, die damit angeblich eingeschränkt ist? Die Freiheit, jemand anderem direkt ins Gesicht zu niesen? Die Freiheit, beim Bestellen an der Käsetheke kleine Tröpfchen auf sämtliche Produkte plus ins Gesicht der Person hinter der Theke zu verteilen? Die Freiheit, in der überfüllten U-Bahn selbst zum potenziellen Superspreader zu werden und den Waggon so gut mit Aerosolen zu füllen, dass auch die Menschen, die eine halbe Stunde später damit fahren, noch etwas davon haben?

Es ist ein bitterer Gedanke: Fällt einem Teil der Menschen in Deutschland das Masketragen so schwer, weil es sich um einen altruistischen Akt handelt? Denn wer einen Schutz vor Mund und Nase trägt, schützt vor allem andere. Und die allermeisten Menschen können Masken tragen, ohne damit nennenswert beeinträchtigt zu sein. Für Ausnahmen gibt es ein Attest und wer den Schutz zu unbequem findet, möge diese Befindlichkeit bitte kurz mit einer Chirurgin oder einem Tätowierer besprechen, die auch mal weite Teile des Tages hinter einer Maske verbringen.

Es mag verwirrend sein, aber der Stand der Forschung ist: Masken schützen. Nicht zu hundert Prozent, aber – je nach Maske – doch zu einem guten Teil. Und sie schützen auch Menschen, deren Telefon zu alt ist für die Corona-App, die sich kein Auto leisten können, um ansteckungsgeschützt zum Arbeitsplatz zu fahren, die zum Einkaufen in den Supermarkt gehen, weil Liefern lassen eben doch teurer ist. Ein Stück Stoff vor Mund und Nase. Einfacher lässt sich Rücksichtnahme kaum haben.

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schreibt über vernetzte Welten, digitale Wirtschaft und lange Wörter (Datenschutz-Grundverordnung, Plattformökonomie, Nutzungsbedingungen). Manchmal und wenn es die Saison zulässt, auch über alte Apfelsorten. Bevor sie zur taz kam, hat sie unter anderem für den MDR als Multimedia-Redakteurin gearbeitet. Autorin der Kolumne Digitalozän.

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