Christian Lindners Sparpläne: Der Gott des Gemetzels
Richtig rund läuft es gerade nicht für den Finanzminister und FDPler Lindner. Günstig ist nur, dass auch die Koalitionspartner eine Lösung brauchen.
W er Christian Lindner dieser Tage beobachtet, erlebt einen Mann, der immens unter Druck steht, der dünnhäutig und kampfeslustig zugleich wirkt. Nachvollziehbar eingedenk seiner Doppelbelastung als Finanzminister der Ampel und Vorsitzender der FDP. An beiden Schreibtischen sieht’s aktuell nicht gut aus. Als Finanzminister muss Lindner einen Haushalt zusammenkratzen, in dem gut 20 Milliarden Euro fehlen.
Als FDP-Vorsitzender muss er eine Partei sanieren, der seit Monaten immer wieder die nötigen Prozente zum Einzug in Landtage fehlten. Es deutet einiges darauf hin, dass Lindners Zweitjob für ihn nun Priorität hat. Er wirbt für astreine FDP-Politik – Steuern senken, Sozialausgaben kürzen und Klimaschutz dem Markt überlassen. Kompromisse beim Haushalt sind nicht vorgesehen. Das wird die Ampel in den nächsten Monaten an die Belastungsgrenze treiben. Oder darüber hinaus.
Es sind zwar noch eineinhalb Jahre bis zur nächsten regulären Bundestagswahl, doch der Wahlkampf hat längst angefangen. Nicht nur die FDP wirbt für ihre Kernforderungen und buhlt unverhohlen um die Gunst der Union. Grüne und SPD gehen ihrerseits auf Abstand und fordern etwa eine saftige Erhöhung des Mindestlohns. Der Haushalt für 2025 ist für alle drei die letzte Gelegenheit, noch offene Anliegen aus dem Koalitionsvertrag unterzubringen. Oder wieder zu streichen.
Die Kindergrundsicherung steht immer wieder zur Disposition, verabschiedet ist sie noch lange nicht. Das Bürgergeld – erst vor einem Jahr beschlossen – will die FDP am liebsten wieder eindampfen. Auch das SPD-geführte Entwicklungsministerium und das Grüne Außenministerium sollen nach Lindners Willen bluten. Längst geht es nicht mehr um Sachargumente.
Nur nicht an der Schuldenbremse rütteln
Ob es wirklich sinnvoll ist, die humanitäre Nothilfe in der aktuellen Weltlage radikal zu reduzieren oder achselzuckend hinzunehmen, dass im reichen Deutschland ein Fünftel der Kinder von Armut bedroht ist – geschenkt. Wichtiger ist – man schenkt sich nichts mehr. Der Finanzminister kann sich einerseits auf den Koalitionsvertrag und das Grundgesetz stützen: keine Steuererhöhungen. Die Schuldenbremse gilt. Und auf seine Autorität qua Amt.
Selbst wenn sich die Ampel nicht auf einen Haushalt einigen kann, werden gesetzlich beschlossene Maßnahmen weiter finanziert, das Personal bezahlt. Allerdings darf die Regierung keine neuen Dinge anpacken beziehungsweise muss sie sich vom Finanzminister genehmigen lassen. Letzteres bugsierte Lindner in eine Machtposition, die für Grüne und SPD kaum hinnehmbar wäre. Der Druck auf beide, eine Einigung hinzubekommen und derzeit unantastbare Anliegen zu amputieren, wird steigen. Lindner muss nur Geduld haben.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Werben um Wechselwähler*innen
Grüne entdecken Gefahr von Links
Donald Trump zu Ukraine
Trump bezeichnet Selenskyj als Diktator
Kanzler Olaf Scholz über Bundestagswahl
„Es darf keine Mehrheit von Union und AfD geben“
Berlinale-Rückblick
Verleugnung der Gegenwart
Einführung einer Milliardärssteuer
Lobbyarbeit gegen Steuergerechtigkeit
Wahlarena und TV-Quadrell
Sind Bürger die besseren Journalisten?