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Bücherentsorgung in der Ukraine„Russische Literatur ins Altpapier“

Aus Hass auf die russischen Angreifer räumen viele Ukrai­ne­r*in­nen ihre Bücherregale leer. Das betrifft Comics, aber auch Klassiker wie von Tolstoi.

Schulbücher in Chernihiv: Welche davon darf man laut Regierungsverordnung wohl noch behalten? Foto: Emilio Morenatti/ap

Luzk taz | Im Zentrum von Luzk sind an einem Sonntagmorgen die Glocken der Haupt­kathedrale zu hören. Dutzende Trauernde geben zwei Soldaten, die an der Front gefallen sind, das letzte Geleit. Einige hundert Meter entfernt, in der Nähe des Theaters, hat sich eine weitere Gruppe von Menschen eingefunden.

„Russische Literatur ins Altpapier“ heißt ihre Aktion. Sie findet in diesem Jahr bereits zum dritten Mal in Luzk statt. Die Or­ga­ni­sa­to­r*in­nen haben in den sozialen Netzwerken dazu aufgerufen, von zu Hause Bücher russischer Au­to­r*in­nen mitzubringen, sie ins Altpapier zu geben und mit diesem Geld die ukrainische Armee zu unterstützen.

Ehrlich gesagt: Die meisten Bücher habe ich nicht gelesen

Tatjana Scherschen, macht russische Literatur zu Altpapier

Dutzende Personen haben sich am Theater eingefunden. Überall stehen Waagen, alle diskutieren über die Bücher und erinnern sich daran, wo und wann sie sie gekauft haben. Sie stellen nicht in Frage, diese Werke russischer Au­to­r*in­nen gelesen zu haben. Jedoch klagen sie, dass sie zu Sowjetzeiten während der Russifizierung keine Gelegenheit hatten, ukrainische Au­toren zu lesen – die teilweise oder ganz verboten waren.

„Die Altpapiersammlung russischer Bücher hat zwei Ziele: unseren Kopf frei zu bekommen von diesen russischen Narrativen und die Armee zu unterstützen“, sagt Tatjana Scherschen, eine der Organisator*innen. Sie ist die künstlerische Leiterin des Kulturpalasts in Luzk. Die Einrichtung wird die gesammelten Bücher als Altpapier verkaufen, das dann zu Toilettenpapier oder Pappbechern für Kaffee verarbeitet wird.

„Es tut mir nicht leid, diese Haufen für einen guten Zweck zu spenden. Ehrlich gesagt, die meisten Bücher habe ich nicht gelesen. Einen Teil davon haben meine Eltern noch zu Sowjetzeiten gekauft“, erzählt Scherschen. „Als ich älter wurde, wollte ich vor allem auf Ukrainisch lesen. Einige Bücher habe ich durchgeblättert, da waren nichts als Lügen zu finden und dann habe ich sie für immer zugeklappt. Ich möchte dieses Erbe nicht an meine Kinder weitergeben,“ sagt Anatoli Jantschuk, der in Luzk wohnt.

Die Leute haben viel Kinderliteratur, Comics, Zeitschriften, aber auch Sammelbände von Anton Tschechow und Alexander Puschkin und Lew Tolstoi – fünf Exemplare von „Anna Karenina“ – hierhergebracht. Aber es gibt auch viele Enzyklopädien.

„Das ist jetzt der praktische Nutzen von Puschkin und Dostojewski“, sagt ein alter Mann, der Bücher auf einem Wägelchen hinter sich herzieht. „Die russische Geschichte geht in die Geschichte ein“, sagt ein anderer Mann, der Wassili Tatischtschew (russischer Staatsmann, Historiker, Geograf und Ethnograf, 1668–1750, Anm. d. Red.), Nikolai Karamin und sogar eine Broschüre von Wladislaw Surkow, einem der Apologeten der „Russischen Welt“, mitgebracht hat.

Insgesamt kommt an diesem Tag fast eine Tonne russischer Bücher in Luzk zusammen. Ein Ehepaar aus Luzk bringt 70 Kilogramm russische Literatur mit, um sie zu Altpapier zu machen.

Ljudmila Romanjuk, die 1976 von Luhansk nach Luzk gezogen ist, hat ihre Bibliothek zu Hause entrümpelt. Das Ergebnis: 160 Kilo fürs Recycling. Eigentlich, so sagt sie, habe sie die Bücher bereits im vergangenen Jahr loswerden wollen. „Ich hatte viel Schulliteratur, russische Klassiker. Erst mit der Zeit wurde mir klar, dass ich solche Bücher hatte. Das hat mich geschmerzt. Vor dem Hintergrund dieser Morde und Zerstörungen, die die russische Welt über mein Land gebracht hat, wollte ich mich auch der literarischen Werke der Rus­s*in­nen entledigen“, sagt sie.

Auch anderswo wird aussortiert. Von den Beständen der transkarpatischen wissenschaftlichen Universalbibliothek wurden mehr als 9.000 Bücher in russischer Sprache beschlagnahmt. Mit dem Geld werden neue ukrainische Ausgaben angeschafft. Ein Krankenhaus in der Region Schytomyr hat mehr als 100 Kilo russische Bücher für die Altpapiersammlung abgegeben. In der Stadtbuchhandlung von Kiew, „Sjajwo knyhy“, kamen ganze 25 Tonnen zusammen.

„Mehr als 1.700 Ein­woh­ne­r*in­nen von Kiew haben mitgemacht. Sie trugen die Bücher auf ihren Armen, in Koffern, transportierten sie in voll gepackten Autos, schickten sie mit einem Taxi oder per Post“, teilt die Buchhandlung mit. „Es wurden 48.000 Bücher gesammelt, für die wir 100.000 Hrywnja (umgerechnet 2.620 Euro) erhalten haben. Das Geld wird verwendet, um ein Auto für ein Bataillon an der Frontlinie zu kaufen“, hieß es weiter.

Die russischen Bücher verschwinden nicht nur in Privatwohnungen aus den Regalen, sondern auch in Bibliotheken. Die Direktorin der wissenschaftlichen Bibliothek in Luzk, Ljudmila Stasiuk, erzählt, dass die meisten russischen Bücher im Mai entfernt und eingelagert worden seien.

In der Jugendbibliothek des Gebietes Wolhynien hätten die Le­se­r*in­nen das selbst initiiert, lange vor der offiziellen Anordnung der Regierung. „Die jungen Leute sind schon im März zu uns gekommen. Sie waren wütend, als sie in den Regalen Alexander Puschkin und sowjetische Kin­der­buch­au­to­r*in­nen gesehen haben“, sagt Alla Efremowa, die Leiterin der Jugendbibliothek. Ungefähr 35 Prozent des Bestandes in ihrer Bibliothek sind Bücher in russischer Sprache. Wissenschaftliche Veröffentlichungen zu technischen Disziplinen, die noch nicht ins Ukrainische übersetzt sind, werden weiterhin vorgehalten.

Tolstoi und Tschechow vom Lehrplan entfernt

Die Bibliotheken folgen damit der Anordnung des Ministeriums für Kultur und Informationspolitik der Ukraine. Darin heißt es, Propagandaliteratur sei aus ukrainischen Bibliotheken zu entfernen.

Der zuständige Minister Oleksandr Tkatschenko hatte im Mai gesagt, dass Literatur in Bibliotheken vernichtet werde, wenn sie Gewalt gegen oder die Vernichtung von Ukrai­ne­r*in­nen befördere, die russische Armee verherrliche. Oder wenn es um Schrift­stel­le­r*in­nen gehe, die unter Sanktionen oder auf schwarzen Listen stehen. Die frei gewordenen Bibliotheksregale werden mit ukrainischsprachiger Literatur und Büchern ukrainischer Verlage aufgefüllt.

Im Sommer hatten die Verantwortlichen in der Ukraine beschlossen, russischsprachige Werke von Schriftsteller*innen, deren Werk eng mit der Ukraine verbunden ist, wie zum Beispiel Nikolai Gogol und Michail Bul­gakow, im Lehrplan der Schulen zu belassen.

Au­to­r*in­nen wie beispielsweise Alexander Puschkin, Anton Tschechow, Lew Tolstoi oder Anna Achmatowa werden im Unterricht dagegen nicht mehr vorkommen. Zu den Literat*innen, die gelesen werden, gehören ab diesem Schuljahr unter anderem Johann Wolfgang von Goethe, Heinrich Heine, Adam Mickiewicz, Jane Austen und Victor Hugo.

Aus dem Russischen: Barbara Oertel

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104 Kommentare

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  • Ich lese gerade das Buch von Serhij Zhadan "Himmel über Charkiw". In seinen eindrücklichen Aufzeichnungen werden die Plünderung von Museen und die Zerstörung von Bibliotheken (einschließlich der dortigen russischen Werke) durch die russischen Invasoren erwähnt. Auch das sind Beweggründe, wenn Ukrainer:innen russische Literatur aus ihren Bücherregalen räumen.



    ["Himmel über Charkiw" … Eine Chronik der ersten vier Kriegsmonate, zusammengestellt aus den Nachrichten, die Serhij Zhadan in den sozialen Netzwerken gepostet hat. Das Zeugnis eines Menschen, der während des Schreibens in eine neue Realität eintritt und sich der Vernichtung entgegenstemmt.]

  • Bestimmt keine gute und richtige Aktion, die da in Luzk stattfand.



    Aber die Kommentare der Selbstgerechten hier im Forum wieder unterirdisch. Endlich wieder eine Nachricht, bei der man sich moralisch ereifern kann und meint einen Punkt gegen die Ukraine machen zu können. Dafür kein Wort über den eigentlichen akttuellen Skandal - das Russland zu Winterbeginn die Infrastruktur des Landes zusammenbombt - Strom, Wasser , Wärme - um die Menschen durch Kälte und Not zu zermürben und kleinzukriegen. Da ist ein Buch im Altpapier für manche wohl schlimmer.

    • @Hans aus Jena:

      Whataboutisme

      Zitat @Hans aus Jena: „Aber die Kommentare der Selbstgerechten hier im Forum wieder unterirdisch. Endlich wieder eine Nachricht, bei der man sich moralisch ereifern kann und meint einen Punkt gegen die Ukraine machen zu können. Dafür kein Wort über den eigentlichen akttuellen Skandal - das Russland zu Winterbeginn die Infrastruktur des Landes zusammenbombt.“

      Richtig. What about Rußland?

    • @Hans aus Jena:

      Wir reden von einem Land, dass in die EU will.

      Und da rechtfertigt Krieg eben auch nicht alles.

      • @warum_denkt_keiner_nach?:

        Alles bestimmt nicht, aber Bücher können jederzeit nachgedruckt werden, während die zerbombte Infrastruktur akutes Leid verursacht.

  • Die Ablehnung der russischen Literaten, also der Menschen, die mit ihrem Leben für mehr Humanismus und Aufklärung in Russland und anderswo gekämpft haben, ist eine Rückschritt für die Kultur der Ukraine. Die ukrainische Kultur lehnt sich im Grunde selbst ab, weil russische Literatur schon immer die ukrainische Literatur beinflusste.



    Umgekehrt haben ukrainische Künstler immer auch die Kultur von Russland geprägt.



    Eine Mehrzahl der nach Deutschland geflüchteten Ukrainer spricht russisch.



    Es ist Aufgabe der deutschen Schulen, sowohl die ukrainische als auch die russische Sprache stark zu fördern, was auch die damit verbundene Literatur beinhaltet, damit ukrainische Kinder eine Chance haben, ihre Kultur zu bewahren.

    Doch das geschieht nicht, denn deutsche Lehrpläne sind nicht auf Hunderttausende Kinder einer anderen Kultur ausgerichtet.



    Höchste Zeit, dass sich das ändert. Auch deutsche Kinder könnten stark davon profitieren.



    Doch deutsche Schulbürokratien und deutsche Kultusminister arbeiten so langsam, dass der Ukraine-Krieg schon vorbei sein wird, bis das kulturelle Erbe der Ukraine (das auch russische Kultur beinhaltet) in deutschen Lehrplänen berücksichtigt wird.

    • @Lindenberg:

      Es kann nicht Aufgabe der deutschen Schulen sein, die ukrainische und die russische Sprache stark zu fördern.

      Damit ist das deutsche Schulsystem überfordert.

      Ja, die Schulpläne sind nicht auf hunderttausende Kinder einer anderen Kulktur ausgerichtet.

      Das kann das Schulsystem nicht leisten und wird es auch nicht leisten können.

      Und deutsche Kinder profitieren nicht davon, dass ukrainische Kinder gut Ukrainisch lernen.

      Ein Unterricht für Muttersprachler muss anders aussehen als ein Unterricht für Fremdsprachler.

    • @Lindenberg:

      Damit argumentieren Sie jetzt letztlich wie Russland: die ukrainische Kultur sei nicht eigenständig, sei ohne russische Kultur nicht denkbar, ja: die Hochkultur der Ukraine sei die russische.

      Genauso könnte man argumentieren, dass die Kinder kurdischer Flüchtlinge unbedingt auch türkisch zu lernen hätten, um "ihre Kultur zu bewahren".

      • @Suryo:

        Wenn die Kultur sich gegenseitig beeinflusst hat, ist sie in der Tat nicht "eigenständig". Was ist schlimm daran? Etwas auszulöschen, damit kennen "wir" uns ja aus. Oder wollen wir in Zukunft Kulturreinheit?

      • @Suryo:

        Zu den kurdischen Flüchtlingen.

        Warum nicht als Flüchtling die türkische Sprache lernen, wenn man als Kurde zweisprachig aufgewachsen ist? Das ist im herkunftssprachlichen Unterricht möglich. Ob das in ausreichenden Maße geschieht, ist eine spannende Frage. Ich vermute, dass deutsche Schulen viel zu wenig tun, um aus dem Ausland stammende Kulturen zu integrieren.

        Wenn sich die uktainische Gesellschaft von Russischen als Kultur abwendet, kann ich das verstehen.

        Zugespitzt könnte man sagen, dass es vielleicht die ukrainische Kultur sein wird, die die von der russischen Diktatur verratenen kulturellen Werte in Form von russischen Klassikern oder neuster russischer Exilliteratur bewahrt.



        Wenn Erdogan jetzt die Kurdengebiete im Irak zusammenbombt und einen großen Krieg beginnt, wird es vielleicht ein vom Irak nach Deutschland geflüchteter Schriftsteller kurdischer Herkunft sein, der das kulturelle Erbe der Kurden im Irak und der Türkei bewahrt und integriert und dabei auch viel wert auf den türkischen Ursprung dieser Kultur legt.

        www.schulministeri...hlicher-unterricht

  • Was ist eine Nation?

    "Eine Nation ist eine Gruppe von Menschen, vereint durch einen gemeinsamen Irrtum über ihre Vorfahren und eine gemeinsame Aversion gegen ihre Nachbarn." (Karl W. Deutsch)

    • @Reinhardt Gutsche:

      Zu dieser sehr rationalen Erkenntnis kann nur gelangen, wer völlig frei von "Nationalgefühl" ist. Bei Gruppen (ebenso wie Individuen) lassen sich Gefühle zwar aufpeitschen, anstacheln oder auch (bestenfalls) dämpfen und mäßigen, nur leider nicht abschaffen und durch Ratio ersetzen.



      Sonst wäre das zitierte Bonmot die Formel für den Weltfrieden.



      Leider bleibt nur ein resigniertes: Schön wär's!

    • @Reinhardt Gutsche:

      Sehr richtig, Napoleon wird ja manchmal zugeschrieben den deutschen Nationalismus verursacht zu haben, bei Putin gibt es kaum Zweifel das er den ukrainischen Nationalismus massiv gestärkt hat.

    • @Reinhardt Gutsche:

      Danke - anschließe mich & Daß Sie mich en passant mal wieder an diesen feinen älteren weißhaarigen Herrn erinnern!



      Unvergessen. Wie er gefühlte drei Stunden atemlos vergehend wie im Flug 1968 (?) im Audimax Uni Mbg freihändig extemporierend - ein Feuerwerk der tour d‘horizont der besonderen Art abfackelte - ua mit der feinen Quintessenz “…es gibt nichts überzeugendes als die Verschwörungstheorie - weil! sie qua Definitione nicht zu widerlegen sei.“



      o.s.ä. - Unvergessen!



      (Schade - daß seinen Schülern Talcott Parson & noch mehr Niklas Luhmann - die Menschen! - in ihren Gedankenprozessen abhanden gekommen sind! Mist aber auch - wa.

      • @Lowandorder:

        Mist Schreibprogramm

        “…nichts überzeugenderes als …“



        naturellement - sorry -

  • Statt russische Literatur-Klassiker auszusortieren, ist es aufschlussreich Alexander Dugin zu lesen, Putins "Hof-Philosophen". Vor allem für diejenigen, die meinen man sollte mit Putin verhandeln.

    Nach dieser Lektüre dürfte es keine Zweifel mehr darüber geben, was Putin und sein Regime in Osteuropa vorhaben, sofern die militärischen Mittel dazu ausreichen.

    Stalins Verbrechen werden nicht nur glorifiziert, sondern sollen wiederholt werden. Menschenleben spielen dabei keine Rolle. Ziel ist die Erschaffung eines "Groß-Russland".

    Man kann nur hoffen, dass Russland den Krieg in der Ukraine verliert und auf viele Jahre hin nicht mehr fähig sein wird militärisch anzugreifen.

    • @Argonaut:

      Noch wichtiger für Putin ist Iljin. Für den war klar, dass der Westen die Ukraine als Brückenkopf benutzen würde, um Russland zu zerstückeln. Interessanterweise sollte dabei Deutschland die reibende Kraft sein. Iljin ist heute in Russland allseits bekannt und wird seit Jahren öffentlich von Politikern, auch putin, zitiert.

  • 6G
    658767 (Profil gelöscht)

    Man lese Bürger Karamasow von Dostojevski, da stehen so ungeheuerliche Sätze drin, dass man die Freiheit erst hat, wenn man sie abgibt. Das ganze Ding liest sich in seiner Romantisierung der russischen Seele vor dem Hintergrund von im zaristischen System deformierten Menschen wie eine Blaupause für Putin.

    • @658767 (Profil gelöscht):

      Es geht nicht um "Die Bürger" sondern um "Die Brüder Karamasow".



      Und es ist der theologische Gelehrte Starez Sossima, der das im Sinne Jesus (Bergpredigt) mit der



      F r e i h e i t



      dem Philosophen und Kirchenrechtkundler Iwan so erzählt und rät.



      Es geht um rein Theologisches.- Man sollte dieses Buch wirklich intensiv lesen, das als Unterkapitel immerhin "Der Großinquisitor" enthält, der fundamental den Jesus der



      F r e i h e i t b e r a u b u n g



      bezichtigt und diesen Wiedergekehrten warnt: Er solle schleunigst wieder verschwinden...

  • Ich kann wirklich allen nur die Lektüre dieses Kommentars im Guardian empfehlen. Das ist hier nämlich kein irgendwie nazimäßiger Angriff auf die russische Kultur, sondern im Kontext der jahrhundertelangen Marginalisierung, Verhöhnung, Vereinnahmung und Vernichtung ukrainischer Kultur durch Russland zu betrachten. Es ist Dekolonialisierung:

    www.theguardian.co...ian-decolonisation

    "This silencing has encompassed the extermination of Ukrainian artists, like the killing, under Stalin, of hundreds of writers in 1937, known as “the executed renaissance”. Behind all of this stand horrific events, such as the Holodomor, the starvation of about 4.5 million Ukrainians in 1932-33 in their forced effort to produce grain on Stalin’s orders.

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    This history places Ukraine in a very different position in relation to Russian culture than, say, Britain found itself in relation to German and Austrian art during the second world war, when Myra Hess programmed Mozart, Bach and Beethoven in her National Gallery concerts during the Blitz. “We have had cultural occupation, language occupation, art occupation and occupation with weapons. There’s not much difference between them,” the composer Igor Zavgorodniy tells me. In the Soviet period, Ukrainian culture was allowed to be harmlessly folksy – and Ukrainians, caricatured as drunken yokels dressed in Cossack trousers, were often the butt of belittling jokes. But Ukraine was not expected or allowed to carry a high culture of its own.

    At the same time, Russian artistic achievement was lauded as the very apex of human greatness."

  • Man entfernt die Kultur des ehemaligen Kolonialherren während der einen Vernichtungskrieg gegen das eigene Volk führt. Ist jetzt nicht die große Neuigkeit, dekolonialisierung der Köpfe ist auch wichtig und die Ukraine hat genügend eigene gute Autoren braucht die russischen nicht.

    • @Machiavelli:

      Das Problem ist, dass die Trennung Russe - Ukrainer nur in den Köpfen von Nationalisten funktioniert. Nach Jahrhunderten gemeinsamer Geschichte geht das nicht mehr. Versuchen Sie Mal, die Deutschen sauber in Sachsen, Preußen, Bayern, Schwaben ect. sauber zu trennen.

      • @warum_denkt_keiner_nach?:

        "Nach Jahrhunderten gemeinsamer Geschichte ist eine Trennung Türken - Kurden und Türken - Griechen nicht mehr vorstellbar."

      • @warum_denkt_keiner_nach?:

        Nationalimus ist Ermächtigung. Versucht sich einer daran, geht der andere zwangsläufig auf dem selben Pfad. Nationalismus, also im Kontext eines "Volkskörpers" erwächst aus einem Bedrohungsgefühl heraus. Russland fühlt sich durch den Westen bedroht, die Ukraine durch Russland.



        Es hat eben nichts mit gemeinsamer Geschichte zu tun, wenn die Reinitialisierung von Nationalismus möglich wird, auch wenn hier ethnisch-kulturelle Unterschiede von Nationalisten zwar vorgebracht werden, aber dahinter die Ermächtigung gegenüber einer Bedrohungslage steckt.



        Der Geltungsbereich "In den Köpfen von Nationalisten" dehnt sich gerade auf sehr weite Teile der russischen und auch ukrainischen Bevölkerung aus. Nur ist der russ. Nationalismus zum großen Teil Folge eines propagandistisch-fiktiven Drohkulisse, der ukrainische aber die Reaktion auf eine reale Bedrohungslage. Ethnische Determinierung ist, ja richtig, nur Staffage der Propaganda. Doch das Bedrohungsgefühl als Motor des Nationalismus ist real. Mich ekelt diese wohl sehr menschliche Fehlreaktion auch an, doch es ist faktisch offensichtlich nicht vermeidbar. Schauen Sie was gerade mit Polen passiert, in seiner Nähe zum jetzigen Russland. Ich möchte mir nicht ausmalen, Deutschland hätte eine Grenze zu Russland.

      • @warum_denkt_keiner_nach?:

        Was Sie da behaupten ist feinste russische Propaganda. Sie implizieren mit Ihrem Vergleich die Ukraine sei ein Teil Russlands sowie Bayern ein Preussens ist. Vielleicht einfach mal sich an Ihren eigenen Nick halten bevor Sie hier so einen unsäglichen „Vergleich“ anstellen.

        • @Fran Zose:

          "Sie implizieren mit Ihrem Vergleich die Ukraine sei ein Teil Russlands sowie Bayern ein Preussens ist."

          Bayern war Teil Preußens? Wer behauptet denn so etwas? Das wäre blanke Geschichtsfälschung.

          Fakt ist, dass beide Teil eines Staates waren (und sind), in dem die Menschen (Bayern, Preußen ect.) in sehr engem Kontakt stehen. Man zieht in ein anderes Bundesland, heiratet über die "Grenze" usw. Im täglichen Leben spielen die Grenzen der Bundesländer kaum eine Rolle. Und ähnlich war das auch mit den Grenzen zwischen den einzelnen Teilen der ehemaligen SU.

          Man muss schon russischer oder ukrainischer Nationalist sein, um eine strenge Trennung einführen zu wollen.

          • @warum_denkt_keiner_nach?:

            Die Sowjetunion war im Übrigen kein friedlich in Gleichheit und Freiwilligkeit vereinter Vielvölkerstaat sondern ein mit Gewalt und Unterdrückung geformtes, russisch dominiertes und rot angemaltes Imperium. Wer das nicht so ist muss entweder ein russischer Imperialist oder ein Ewiggestriger sein.

          • @warum_denkt_keiner_nach?:

            Tatsächlich habe ich mich da verschrieben, es sollte Deutschland heißen und nicht Bayen. Und Bayern ist unstrittig ein Teil Deutschlands; wenn Sie also das Verhältnis von Bayern zu Deutschland mit dem der Ukraine zu Russland gleichsetzen bedienen Sie ganz eindeutig feuchte russische Träume. Denken Sie mal drüber nach.

          • @warum_denkt_keiner_nach?:

            Die inneren Grenzen der SU existieren bereits seit 30 Jahren nicht mehr, dafür aber staatliche Außengrenzen. Man muss schon ein Nationalist sein, um ein striktes Zusammengehören zwei Völker zu behaupten, die sich in unabhängigen Staaten organisiert haben.



            Wie Sie's auch wenden ... Ihr Vergleich mit föderalen Strukturen ist Käse.

            • @Lossy:

              "...striktes Zusammengehören..."

              Ist genau so ein Quatsch, wie eine strenge Trennung. Nationalistische Denkweisen sind immer Gift für das Zusammenleben von Menschen.

      • @warum_denkt_keiner_nach?:

        Trotz zweimal "sauber" ist dieser Vergleich recht unsauber. Erstens kann wohl ein Sachse sagen, warum er kein Bayer oder Schwabe ist, und braucht dafür kein Nationalist zu sein. Zweitens hat Polen eine längere Geschichte mit der Ukraine als Russland. Und drittens würden wir z.B. Irland, das jahrhundertelang fremdbeherrscht und mit Siedlern der fremden Herrschermächte "plantiert" wurde, seine eigenständige Identität und Kultur nicht absprechen.

        • @Lossy:

          "Zweitens hat Polen eine längere Geschichte mit der Ukraine als Russland."

          Wirklich? Genau da liegt eines der Probleme. Die Geschichte des (kleineren) westlichen Landesteils wird einfach mal zur Geschichte der ganzen Ukraine erklärt. Das das Land von Stalin aus Teilen mit verschiedener Geschichte zusammengefügt wurde, wird gern unterschlagen.

          • @warum_denkt_keiner_nach?:

            de.wikipedia.org/wiki/Polen-Litauen

            man sollte ja nicht die Geschichte bzw. frühere Zugehörigkeiten als Maßstab für heutige Ansprüche nehmen. Aber schauen Sie mal gut auf die Karten wie weit Polen- Litauen ging. Woraus sich freilich kein Anspruch Polens heute ableiten lässt. Und dann gab es auch noch das Hetmanat. de.wikipedia.org/wiki/Hetmanat. Und schauen Sie auch noch mal genau auf den Anteil den Stalin zugeschlagen haben soll de.wikipedia.org/w...che_Sowjetrepublik

            • @ingrid werner:

              Mal abgesehen davon, dass das Hetmanat kein Staat (gleich Recht kein ukrainischer) war.

              Die Grenzen der heutigen Ukraine hat eben Stalin festgelegt. Den Anfang hat er noch als Nationalitätenkommisar gemacht. 1939 wurde dann der Westteil von Polen hinzugefügt. 1940 und 1948 musste Rumänien einiges abgeben. 1945 Ungarn. Nur die Krim wurde etwas später "geschenkt".

              Steht alles im den von Ihnen verlinkten Artikeln.

              Natürlich wurde bei all den Änderungen nie nach der Meinung der Bevölkerung gefragt.

              Was sich Polen und Litauen in weit zurückliegenden Jahrhunderten in der Gegend mal unter den Nagel gerissen haben, spielt nur wirklich keine Rolle mehr. Sonst müssen wir auch noch die Mongolen Dschingis Khan's berücksichtigen.

              PS: Interessant ist auch, welche Rolle die Kosaken als Machtstützen der Zaren gespielt haben. Sowohl bei der Eroberung Sibiriens und anderer Gebiete, als auch als schnelle Eingreiftruppe gegen aufmüpfige Untertanen.

          • @warum_denkt_keiner_nach?:

            "Zusamnengefügt"? Was soll denn dieser Eupemismus verwischen? Wohl die Tatsache, dass Stalin die Ukraine vereinnahmte und landwirtschaftlich ausbeutete, während er hundertausende Ukrainer hungern ließ. Ansonsten ist zu sagen, dass die Ukraine bereits zweimal vor Sowjetzeiten bereits vereint war.

            • @Lossy:

              Unter Stalin wurden die heutigen Grenzen der Ukraine Stück für Stück festgelegt.

              Und was Ausbeutung, Unterdrückung und Massenmorde betrifft. Die fanden in der gesamten Sowjetunion statt.

      • @warum_denkt_keiner_nach?:

        ja - es ist schlicht hirnrissig - aber bekanntlich ubiquitär! But.



        Es finden sich scharwenzelnde subobtimale Claqueure allüberall •

        • @Lowandorder:

          Allerdings.

  • Mal aus der Ferne: Sohnemann*97 grad noch vorm Regalchaos: “Haste Russen?.. Ah ok - die 7,8 & den Turgenjew hab ich ja schon. Besser als jede Buchhandlung!“



    Dabei möchte ich es einfach mal belassen.

    • @Lowandorder:

      Turgenjew und der verbannte Tschechow sind dermaßen kongenial, daß man den einen nicht ohne den anderen kennen sollte. Auch ihr Themenkreis ist ähnlich. Kann ich nur herzlichst empfehlen.

  • Hab meine Klassiker gebraucht weiterverkauft, bin ja kein Museum, Oblomow ist im Altpapier gelandet. 1-2 Bücher behalte ich dann aber doch

  • 4G
    43354 (Profil gelöscht)

    Na, dann lassen wir den Lev Nikolaevič Tolstoj doch mal zu Worte kommen:

    „Krieg ist ein Zustand, bei welchem die niedrigsten und lasterhaftesten Menschen Macht und Ruhm erlangen.“

    „Je weiter ich im Alter voranschreite, und je mehr ich die Frage des Krieges durchdenke, desto überzeugter bin ich, dass die einzige Lösung der Frage die Weigerung der Bürger ist, Soldat zu werden.“

    Klar, das muss verboten werden. Das muss weg.

  • Wenn es sich um Propaganda-Literatur handelt, können die Bibliotheken sie ins Magazin stellen für wissenschaftliche Forschungen; ausleihen wird sich das Zeug ohnehin niemand. Dubletten kann man aussortieren. Privatpersonen können ohnehin machen, was sie wollen. Aber die Sprache zum Kriterium zu nehmen? Ungenauer kann man einen Auswahlprozess nicht gestalten. Und wenn einen Tolstoi auf Russisch stört, dann soll man halt eine ukrainische Übersetzung anschaffen.



    Nationsbildungsprozesse sind Prozesse des Ein- und Ausschließens, schon klar. Aber zu glauben, dass Menschen in der Ukraine die Klassiker der russischen Literatur in der Vergangenheit nur unter Zwang gelesen haben und mit den vielfältigen dort vertretenen weltanschaulichen Positionen gar nichts gemeinsam haben - das ist doch absurd. Hier wird ein nationalistisches Prinzip der Eindeutigkeit und Abgrenzbarkeit versucht durchzusetzen, das für keinen Nationsbildungsprozess historisch-empirisch Gültigkeit beanspruchen kann. Hoffentlich gewinnt die Ukraine diesen Krieg schnell, hoffentlich findet sie die Kraft, diesen nationalen Überschuss in einen guten Frieden zu überführen und sich als moderne, intern vielfältige Nation zu verstehen, nicht wie ein Gespenst aus dem 19.Jh. Das wäre im Übrigen auch nur ein Spiegelbild des russischen Verständnisses von Nation.

  • Bücherverbrennung wie bei den Nazis ? Nein. Es ist keine von oben angeordnete Aktion. Erstens. Und zweitens einzuordnen in den kulturellen Genozid, den Russland durch seine Angriffe auf ukrainische kulturelle Einrichtungen ( Raketenterror bis hin zum Diebstahl ) betreibt. Russland leugnet ja, daß die Ukraine überhaupt eine kulturelle Identität besitzt.

    • @Konfusius:

      Viel schlimmer, dass es nicht von oben angeordnet ist. Aber es ist das Gleiche: russische Kultur wird in einen Eimer mit einem autokratischen System geworfen, das mit dieser Kultur nichts oder wenig zu tun hat. Hass wird in Zukunft weiteren Hass erzeugen und so wird es weiter gehen.

    • @Konfusius:

      "Nein. Es ist keine von oben angeordnete Aktion."

      Was macht Sie da so sicher? Wenn spontan die Menschen in ganzen Land gleichzeitig...

      • @warum_denkt_keiner_nach?:

        "Was macht Sie da so sicher? "



        Das verstehende Lesen des Artikels.

        • 9G
          95820 (Profil gelöscht)
          @Barbara Falk:

          Verstehendes Lesen - der Bildunterschrift:



          "Schulbücher in Chernihiv: Welche davon darf man laut Regierungsverordnung wohl noch behalten? "



          Regierungsverordnung...

        • @Barbara Falk:

          Na wenn es in einem Artikel steht...

      • @warum_denkt_keiner_nach?:

        -?-Spontan-?-



        "Die Bibliotheken folgen damit der Anordnung des Ministeriums für Kultur und Informationspolitik der Ukraine. "



        Sieht mir doch frappierend nach nacheilendem Gehorsam aus. Wer will sich schon mit dermaßen inkriminierter Literatur in seinem Bücherschrank erwischen lassen und mglw gemoppt werden.

        • @Lästige Latte:

          Wenn oben eine Parole ausgegeben wird, finden sich fast immer Leute, die vor Ort umsetzten. Dazu muss man nicht viel organisieren.

    • @Konfusius:

      Was sagen eigentlich momentan zB "Anton Tschechow und Alexander Puschkin und Lew Tolstoi" zu der momentanen Situation??? Ach so- t`schuldigung, die sind ja tot.

    • @Konfusius:

      Das macht um keinen Deut besser!

  • Bevor man als geschichtsbewusster Deutscher gleich an Bücherverbrennung und dergleichen denkt, sollte man versuchen, es aus der mutmaßlichen Sicht der Ukrainer zu betrachten.

    Die lokale Ukrainische Sprache, Geschichte und Kultur wurde über Jahrhunderte marginalisiert und verdrängt, während die Russische und Sowjetische Kultur hegemonial alles beherrschte.

    Es ist ein Versuch der Entkolonialisierung. Nicht sämtliche russische Literatur wird etwa verbannt, aber die Dominanz wird auf einen angemessenen Anteil zurückgedrängt, um Platz für ukrainische Kultur und die Kultur anderer Länder zu schaffen. Die Welt besteht halt nicht nur aus der Russki Mir.

    War doch nach dem Ende der DDR ähnlich: Tolstoi schön und gut, aber Gaidar, Ostrowski und Majakowski sind dann doch ins Altpapier gewandert. Vieles war einfach ungerechtfertigterweise komplett überrepräsentiert, nicht jede Kleinstadt in Ostdeutschland benötigte noch eine Puschkinstraße.

    Und gerade, was Puschkin betrifft, ist halt manches was der Mann geschrieben hat, im Moment halt für die Ukrainer schwer verdaulich.

    Insofern kann man die Entsorgung von Büchern etwas befremdlich finden, aber unter den Umständen sollte man sich mit Kritik zurückhalten.

  • Man muss die Beweggründe der Protagonisten nicht teilen. Aber der angebliche "Hass auf die russischen Angreifer" im reißerischen Untertitel ist im Artikel selbst nicht zu finden.

  • "Zu den Literat*innen, die gelesen werden, gehören ab diesem Schuljahr unter anderem Johann Wolfgang von Goethe..."

    Goethe? Da geht garnicht. Wenn Puschkin für den Krieg Putins verantwortlich ist, weil russische Soldaten Puschkin lesen, ist Goethe natürlich auch für die beiden Weltkriege verantwortlich. Schließlich lasen deutsche Soldaten...

    • @warum_denkt_keiner_nach?:

      Sehr gut bemerkt.

    • @warum_denkt_keiner_nach?:

      ???

      Es behauptete niemand, Puschkin sei für den Krieg verantwortlich.

      Dass russische Soldaten Puschkin lesen, ist nicht das Problem.

      Dass die Ukrainer selbst vor allem russische Autoren gelesen haben, dass ist aus ihrer Sicht jetzt das Problem:

      "Die Altpapiersammlung russischer Bücher hat zwei Ziele: unseren Kopf frei zu bekommen von diesen russischen Narrativen ..."

      Sie können sich die Dominanz der russischen Kultur in der Sowjetunion nicht vorstellen.

      Die will man jetzt begraben.

      • @rero:

        "Es behauptete niemand, Puschkin sei für den Krieg verantwortlich."

        Doch. Der neuste Preisträger des Friedenspreises des deutschen Buchhandels (der Preis heißt wirklich so) hat genau so argumentiert, als er gefragt wurde, warum Puschkin entfernt werden sollte.

        "Sie können sich die Dominanz der russischen Kultur in der Sowjetunion nicht vorstellen.

        Die will man jetzt begraben."

        Man will keine Dominanz, sondern gleich die ganze Kultur begraben.

        • @warum_denkt_keiner_nach?:

          Man ist sich in der Ukraine voll bewusst, dass man die ganze russische Kultur nicht begraben kann, dazuz müsste die ukrainische Armee wenigstens bis Moskau marschieren.

          Wenn ich gerade auf eine Kultur keine Lust habe, weil mir die Angehörigen dieser Kultur gerade Bomben auf den Kopf schmeißen, und ich deshalb die Bücher dieser Kultur ins Altpapier gebe, würde ich das nicht begraben nennen.

          Für mich passt der Begriff irgendwie nicht.

          • @rero:

            "Wenn ich gerade auf eine Kultur keine Lust habe, weil mir die Angehörigen dieser Kultur gerade Bomben auf den Kopf schmeißen, und ich deshalb die Bücher dieser Kultur ins Altpapier gebe, würde ich das nicht begraben nennen."

            Ist ja nur eine Maßnahme. Und wenn ich auf ein Buch gerade keine Lust habe, stelle ich es hinten ins Bücherregal. Es muss auch nicht aus Bibliotheken entfernt werden. Wenn es gerade keiner lesen will, wird es eben nicht ausgeliehen. Geht den meisten Büchern in Bibliotheken so.

    • @warum_denkt_keiner_nach?:

      Niemand muss die Ukrainer darüber aufklären, was deutsche Soldaten getan haben. Und vermutlich wird man in der Ukraine während des Krieges auch tatsächlich nicht scharf auf deutsche Literatur gewesen sein. Verständlicherweise. Oder wollen Sie als Deutscher sich nun auch noch darüber mokieren, dass die unter der Wehrmacht leidenden Ukrainer keinen Goethe lesen wollten?

      • @Suryo:

        Natürlich, "will ich mich darüber mokieren"!



        Was hatte denn bitteschön die geistige Welt Goethes mit jenem Krieg zu tun?



        Die Ukrainer hätten ihn da erst recht lesen sollen, um die Perversion der deutschen Normalgesellschaft geistesbildend einschätzen zu können. Faschismus blüht und blühte doch unausrottbar in wer weiß wievielen Ländern auf der Welt. Bis heute.

        • @Lästige Latte:

          Um den Faschismus oder die "Perversion der Normalgesellschaft" zu verstehen, helfen mir Goethe und Dostojewski nicht weiter.

          Ich glaube, wenn Faschisten in mein Land einmarschieren, verspüre ich wenig Lust, deren Normalgesellschaft zu verstehen.

          Da habe ich an den vielen Toten und meiner Angst genug, worüber ich nachdenken müsste.

      • @Suryo:

        "Oder wollen Sie als Deutscher sich nun auch noch darüber mokieren, dass die unter der Wehrmacht leidenden Ukrainer keinen Goethe lesen wollten?"

        Nach dem Willen der deutschen "Kulturträger" sollten die Reste der Ukrainer überhaupt nicht lesen können.

        Aber das nur nebenbei. Ich wollte nur darauf hinweisen, wie absurd es ist, Schriftstellern, die seit 200 Jahren tot sind, die Schuld an den Taten heutiger Politiker zuzuweisen.

  • Ich lach mich kaputt:



    Johann Wolfgang von Goethe, Heinreich Heine, Adam Mickiewicz, Jane Austen und Victor Hugo.



    Die Alle hätten sich doch vor diesem Umgang mit Weltliteratur in der Ukraine geekelt. Möchte mal wissen, wie man ausgerechnet in einem Land wo derartige, brutal unmoralische Literatur-Verbannungs-Umtriebe exerziert werden, ausgerechnet zB Goethe, Heine, Hugo in den ukrainischen Bildungsinstituten plausibel dozieren könnte??- Die intellektuellen Bestrebsamkeiten der dortigen Literaturstudenten dürften in ein geistiges Fiasko geraten. Hoffentlich bemerken sie es: "Unter den Talaren der Muff von geistig Armen" und werden es sich nicht so einfach gefallen lassen.

    • @Lästige Latte:

      Ich denke, es ist auch ein weiteres Zeichen dafür, dass die Ukraine meilenweit von einem Beitritt in die EU entfernt ist. Wirtschaftlich, politisch und wie man sieht auch kulturell ist das nicht meine "Wertegemeinschaft".

      • @Jalella:

        Vielleicht nicht Ihre persönliche Wertegemeinschaft, aber die in diesem Land und anderer osteuropäischer Staaten.

        Wurde hier mit DDR-Literatur in den 90ern auch so gemacht.

    • @Lästige Latte:

      In Deutschland wurden erst vor 30 Jahren nach dem Ende der DDR tonnenweise russische Literatur aus den Bibliotheken entsorgt. Wir haben damals mit dem Leiterwagen Bücher ladungsweise gerettet. Hat uns das irgendwie davon abgehalten weiter über Goethe zu dozieren? Obwohl das haben wir ja auch während des tausendjährigen Reiches getan.

  • Bücherverbrennung.



    War da was?

    • @Genderer:

      Ja, voll die Nazis, da muss man Russland schon verstehen. Ironie aus

    • @Genderer:

      Wo werden Bücher verbrannt?

      • @Gesunder Menschenverstand:

        Sorry, geschreddert und dann verbrannt oder zu Altpapier eingeweicht. Vernichtet bleibt vernichtet.

        • @Genderer:

          Es ist nur Papier! Sollte nicht verbrannt werden da ein wichtiger Rohstoff, aber es ist nichts dagegen zu sagen Bücher in den Altpapiercontainer zwecks Recycling (siehe Text) zu werfen!



          Mußte ich allerdings auch erst beim Ausräumen meines Elternhauses lernen: Ungelogen tonnenweise Bücher, Bildbände, Karten usw…tut erstmal weh, dann befreit es aber umso mehr das ganze staubige Zeug in hohem Bogen fliegen zu sehen…

  • Literarischer Rassismus

    Dies dürfte ein in der Weltgeschichte einmaliger Vorgang sein. Nicht einmal während des Deutsch-Sowjetischen Krieges 1941-1945, des blutigsten und barbarischsten aller Kriege der Menschheit, wurden von den Kriegsgegnern die Weltliteratur in der Sprache des Feindes verboten und vernichtet, weder Goethe in der Sowjetunion Stalins oder Dostojewski in Deutschland der Hakenkreuzler.

    Nicht die konkreten Botschaften sind bei der hier geschilderten Büchervernichtung das Kriterium für die Aussortierung, sondern in toto einzig die Sprache: das ist literarischer Rassismus. Er trifft auch solche russisch-sprachigen Autoren wie A. Solschenitzyn, A. Achmatowa, Tschingis Aitmatow, Isaak Babel, Iwan Bunin, Ilja Ehrenburg, Ilja Ilf, Wladimir Majakowski, Ossip Mandelstam, Bulat Okudshawa, Boris Pasternak, Anatoli Rybakow, Jewgeni Schwarz, Michail Soschtschenko, Wladimir Wyssozki oder Marina Zwetajewa und den gesamten Samisdat der Brehnew-Ära. Deren „Narrative“ stießen schon unter Stalin und seinen Nachfolgern auf Mißfallen, was einige unter ihnen mit Exil, Gulag oder gar mit dem Leben bezahlen mußten.

    Von L. Tolstoi stammt der Ratschlag: „Den besten Mann suche unter denen, die die Welt verdammt.“, was wohl unschwer als „prorussisches Narrativ“ gelten dürfte. Skandalöser noch als dies dürfte jedoch dessen Kriterium für das Urteil über den Charakter eines Menschen empfunden werden: „Das Hauptmerkmal eines Charakters ist, wie er sich bei Feindseligkeit verhält.“

    Die hier geschilderte Kulturbarbarei ist per se ein Vorgang, der nur noch vom apostolischen Index und der Bücherverbrennung jüdischer und marxistischer Schriften durch die Hakenkreuzler getoppt wird. Dies schon allein läßt jedem zivilisierten Menschen die Haare zu Berge stehen. Noch schlimmer allerdings ist es, darüber mit solch unverhohlener Sympathie in der Sprache Goethes und Heines zu berichten.

    Deren Schriften hatten die sowjetischen Kulturoffiziere bei ihrem Vormarsch in ihren Tornistern.

    • @Reinhardt Gutsche:

      „Literarischer Rassismus“

      So einen Blödsinn kann nur jemand schreiben, der nie selbst von Rassismus betroffen war.

    • @Reinhardt Gutsche:

      Nichts von dem, was in dem Artikel geschildert wird, gibt her, was Sie behaupten.

      Was der Ilja Ehrenburg in ihrer Aufzählung verloren hat, ist mir ein Rätsel. Oder wollen Sie damit ausdrücken, dass man mitten im Verteidigungskrieg schon mal über die Stränge schlagen darf? Dann sollten Sie das den Ukrainern aber auch zugestehen.

      • @Barbara Falk:

        Rache



        Zitat @Barbara Falk: „Nichts von dem, was in dem Artikel geschildert wird, gibt her, was Sie behaupten. Was der Ilja Ehrenburg in ihrer Aufzählung verloren hat, ist mir ein Rätsel.“

        Dann nehme man diesbezügliche regierungsoffizielle Verlautbarungen zu Hilfe: Der Direktorin des ukrainischen Instituts für das Buchwesen Oleksandra Koval zufolge habe das Ministerium für Kultur und Informationspolitik eine Arbeitsgruppe gebildet aus Mitarbeitern des Ministeriums, ihres Instituts, der Nationalbibliotheken und der öffentlichen Bibliotheken zu dem Zweck, die Entfernung russischer Literatur aus allen öffentlichen Bibliotheken in die Wege zu leiten. Dabei gehe man etappenweise vor. „Zunächst“ (sic!) gehe „es um die Entfernung von Büchern mit anti-ukrainischem Inhalt“. Ihren Schätzungen nach handele es sich allein hierbei um „mehr als 100 Millionen Exemplare an Literatur, die entfernt werden müssen. Vielleicht gelingt es uns, eine nationale Säuberungsaktion zu organisieren“. Es gehe um eine gründliche „Entrussifizierung“ der ukrainischen Kultur, ergänzt um einen „Aufruf zum vollständigen Boykott russischer Bücher in der Welt“, der aber bei den ausländischen Bibliothekaren keine große Zustimmung erfahren habe. „Deshalb müssen wir die Diskussion mit ihnen fortsetzen.“ (Interview mit Interfax-Ukraine v. 23.5.)

        Der „vollständige“ Boykott „aller“ (sic!) russischsprachigen Bücher umfaßt dann folglich auch die Bücher des bekennenden Juden Ilja Ehrenburg, bekanntlich Lieblingsfeind Goebbels und gewisser Milieus der Bonner Republik. Im Krieg appellierte er an die sowjetischen Frontsoldaten: „Unser Volk lechzt nicht nach Rache. Nicht dazu haben wir unsere jungen Männer erzogen, daß sie auf das Niveau hitlerscher Vergeltungsmaßnahmen herabsinken. Niemals werden Rotarmisten deutsche Kinder ermorden, das Goethehaus in Weimar oder die Bibliothek von Marburg in Brand stecken. Rache ist Zahlung in gleicher Münze, Rede in gleicher Sprache.“ (Menschen Jahre Leben, Buch 5, S. 28 f.)

        • @Reinhardt Gutsche:

          Das Interview mit Frau Koval wollte ich nachlesen, geht nicht, weil die Suchfunktion von Interfax-Ukraine spinnt. Vielleicht haben sie einen funktionierenden Link für mich?



          Hier gibt es aber Auszüge:



          meta.ua/uk/news/so...ok-institut-knigi/



          Demnach geht es bei den "100 Mio Büchern" darum, den Buchbestand IN RUSSISCHER UND UKRAINSCHER SPRACHE aus der Sowjetzeit zu entrümpeln, unter inhaltlichen, ideologischen Kriterien, und dies vornehmlich in Schul- und öffentlichen Leihbüchereien.



          Ihre Behauptung, dass "in toto einzig die Sprache" Kriterium für die Entfernung von Büchern sei, ist also falsch.



          Alles, was Frau Koval sonst so vorschwebt, sind ihre persönlichen Ideen und nichts, was beschlossene Sache wäre. Also warten Sie doch mal besser ab, was tatsächlich passiert, bevor Sie sich aufregen.



          Und was sagt Frau Koval über die "Klassiker" (sie schießt natürlich übers Ziel hinaus, aber die Begründung ist interessant):



          "Wir alle haben diese Bücher gelesen, in meiner Schulzeit gab es ständig russische Klassiker, die als Gipfel der Weltliteratur galten. Da wir die Weltklassiker eher mittelmäßig kannten, blieben viele bei der Überzeugung, dass dies tatsächlich die Literatur ist, ohne die es unmöglich ist, Intellekt und ästhetische Empfindungen zu entwickeln, ein gebildeter Mensch zu sein. In Wirklichkeit ist es nicht so... Das ist eine sehr schädliche Literatur, die die Ansichten der Menschen wirklich beeinflussen kann. Ich persönlich [sic!] bin daher der Meinung, dass diese Bücher auch aus öffentlichen und Schulbibliotheken entfernt werden sollten. Sie sollten wahrscheinlich in Universitäts- und wissenschaftlichen Bibliotheken verbleiben, damit Spezialisten die Wurzeln des Bösen und des Totalitarismus studieren können."



          Dazu den von @Suryo verlinkten Artikel lesen, über die ständige Marginalisierung und Negierung der ukrainischen, "kleinrussischen" Kultur durch die "vollwertige" russische.

        • @Reinhardt Gutsche:

          Und was wollen Sie mit dem zitat sagen? Stecken etwa ukrainische Soldaten Bibliotheken in Russland in Brand, oder ermorden russische Kinder?



          Ehrenburg hat noch ganz andere Appelle an russische Frontsoldaten geschrieben:



          "Die Deutschen sind keine Menschen. Von nun an ist das Wort „Deutscher“ für uns wie ein entsetzlicher Fluch. Von jetzt an lässt das Wort „Deutscher“ das Gewehr von allein losgehen. Wir werden nichts sagen. Wir werden uns nicht empören. Wir werden töten. Wenn du nicht pro Tag wenigstens einen Deutschen getötet hast, war es ein verlorener Tag. […] Wenn du den Deutschen nicht tötest, tötet er dich. Er nimmt deine Nächsten mit und quält sie in seinem verfluchten Deutschland. […] Wenn du den Deutschen leben lässt, hängt er den russischen Mann auf und schändet die russische Frau. Wenn du einen Deutschen getötet hast, töte einen zweiten – nichts stimmt fröhlicher als deutsche Leichen. Zähle nicht die Tage, zähle nicht die Werste. Zähle nur eins: die von dir getöteten Deutschen. Töte den Deutschen! bittet dich die Babuschka. Töte den Deutschen! fleht dich das Kind an. Töte den Deutschen! schreit die Heimaterde. Ziel nicht vorbei. Triff nicht daneben. Töte!"



          (Töte! [Ubej!], 1942



          militera.lib.ru/pr...nburg_ig3/091.html



          In seinen Memoiren redet sich Ehrenburg Einiges schön, aber bei den russischen Soldaten ist seine Propaganda als Freibrief für alles angekommen. So erzählt es z.B. Lew Kopelew in seinen Memoiren.



          Ich finde den von mir zitierten Text übrigens nicht verwerflich, er fasst das Ausmaß des "gerechten Hasses" sehr gut. Auch dieser Hass gehört zu dem, was die Deutschen mit ihrem Angriffskrieg 1941 angerichtet haben. Wenn man ein paar Worte austauscht, eigentlich ein sehr aktueller Text. Aber IMO keine Literatur, die in eine Reihe mit den von Ihnen aufgezählten Autoren gehört.

  • Im kommenden Winter wird man Brennstoff brauchen. Warum sollte man dann nicht die Bücher aus dem Land verbrennen, dass die Heizungen vernichtet hat?

    • @Suryo:

      Darum geht es den Initiatoren aber nicht. Bei der Aktion geht es um Ausmerzung von Kultur.

      • @warum_denkt_keiner_nach?:

        Beim russischen Angriffskrieg geht es um Ausmerzung der ukrainischen Kultur. Das wurde auch hier in der Taz ausführlich dargelegt. Kann mich nicht an Empörung ihrerseits darüber erinnern.

        • @Suryo:

          "Beim russischen Angriffskrieg geht es um Ausmerzung der ukrainischen Kultur."

          Und bei den Aktionen in der Ukraine geht es um die Ausmerzung der russischen Kultur, die ja durchaus auch die Kultur eines Teils der ukrainischen Bevölkerung ist. Beides ist übersteigerter Nationalismus und beides ist zu verurteilen.

          • @warum_denkt_keiner_nach?:

            "...auch die Kultur eines Teils der ukrainischen Bevölkerung ist."

            Aus Sicht Moskaus ist die ukrainische Kultur nur eine bäuerliche Subkultur einer überragenden, alles andere überstrahlenden russischen Hochkultur. Die Distanzierung von der russischen Kultur - die im übrigen die Russen offenkundig keineswegs zu kultivierteren Soldaten gemacht hat - ist ein Akt der Befreiung von hunderten Jahren Vereinnahmung, Häme, Marginalisierung und Vernichtung. Während des Holodomor wurden tausende ukrainische Kulturschaffende ermordet. Und auch jetzt zerstört Russland gezielt Zeugnisse ukrainischer Kultur und Geschichte, es will die Ukraine in jeder Form auslöschen.

            Tut mir leid, dass mich nicht stört, dass einige Ausgaben Tolstois nun nicht mehr existieren.

            Die russische Kultur als solche bleibt aber nahezu unangetastet.

            Anders als die ukrainische.

            • @Suryo:

              "Aus Sicht Moskaus ist die ukrainische Kultur nur eine bäuerliche Subkultur einer überragenden, alles andere überstrahlenden russischen Hochkultur."

              Die Sicht der russischen Hauptstadt interessiert aber nicht. Nur weil eine Seite Unfug verbreitet, kann das nicht für die andere Seite ein Vorwand sein, ähnlichen Unfug zu veranstalten.

              Beides ist nicht tolerierbar.

              "Während des Holodomor wurden tausende ukrainische Kulturschaffende ermordet."

              Während der verschiedenen Mordwellen Stalins wurden in allen Völkern der Sowjetunion Kulturschaffende ermordet. Nur in der Ukraine wird daraus etwas Spezielles konstruiert.

              PS: Stalin war Georgier. Muss jetzt auch georgische Literatur aus ukrainischen Bibliotheken verschwinden?

              • @warum_denkt_keiner_nach?:

                Es geht der Ukraine nicht darum, die russische kultur als solche zu vernichten. Es geht darum, die ukrainische Kultur zu dekolonisieren. Russland wiederum will die ukrainische Kultur sehr wohl in Gänze und als solche auslöschen. Das ist eben nicht dasselbe.

                • @Suryo:

                  "Es geht der Ukraine nicht darum, die russische kultur als solche zu vernichten."

                  In der Ukraine schon.

                  Interessant ist, dass die ukrainischen Ultranationalisten bei Wahlen nie größere Stimmenanteile erobern konnten, unter dem Vorwand des Krieges jetzt aber ihre extremsten Forderungen umgesetzt werden.

                  • @warum_denkt_keiner_nach?:

                    Nein, eben nicht. Lesen Sie doch einfach mal den oben von mir verlinkten Bericht im



                    Guardian.

  • Und der taz fällt kein einziges kritisches Wort zu einer solchen Entsorgung von Literatur ein? Trotz der unangenehmen historischen Parallelen? Ich weiß, ich wiederhole mich, aber dieser Krieg bringt auch einiges über hiesige Befindlichkeiten zum Vorschein...

    • @O.F.:

      Och, wissen Sie, Ihnen ist bislang auch kein kritisches Wort zu den unangenehmen historischen Parallelen der russischen Hetze über die Ukraine und ihre Kultur und Staatlichkeit über die Lippen gekommen, da brauchen Sie hier also auch nichts zu kritisieren.

      Im übrigen gibt es hier keine historische Parallele. Sie spielen natürlich auf die Bücherverbrennungen der Nazis an - aber die Nazis wurden nicht von denjenigen, deren Bücher sie verbrannten, mit einem grausamen Vernichtungskrieg überzogen.

      • @Suryo:

        Wann ich Kritik übe, müssen Sie schon mir überlassen (und ich erinnere gerne daran, dass diese ja auch in einem diskursiven Kontext steht, d.h. nicht auf Vollständigkeit abzielt, sondern Einseitigkeitkeiten und blinde Stellen thematisiert).



        In diesem Fall übersehen sie auch meinen Punkt, den der Adressat meiner Kritik war, wie Sie vielleicht bemerken, primär die deutsche Öffentlichkeit. Dass auf ukrainische Seite der Hass hochkocht, kann ich verstehen; man muss aber deshalb nicht jeden Exzess gutheißen (über die Angemessenheit des Terminus "Vernichtungskrieg" sollten Sie allerdings noch einmal nachdenken). Und vor allem sollte man überlegen, was die deutschen Reaktionen darauf über uns - nicht über die Ukrainer - aussagen. Man kann sich nicht des Eindrucks erwehren, dass so mancher froh darüber ist, seinen ohnehin schon gehegten Hass endlich politisch korrekt ausleben zu dürfen. Die Zustimmung zu einer solchen Aktion ist ja ein deutliches Zeichen.

  • Bescheuert!



    „Nichts als lügen“, trifft auf so ziemlich jede fiktive Geschichte zu.

    • @Jesus:

      Bei der Bemerkung geht es nicht um Fiktion.

      Ein fiktive Geschichte lügt, wenn er die Welt anders darstellt als der Leser sie wahrnimmt und dies mit einer bestimmten Absicht passiert.

      Zu sozialistischen Zeiten war Heldenkitsch-Geschichten z. B. durchaus verbreitet.

      • @rero:

        "Ein fiktive Geschichte lügt, wenn er die Welt anders darstellt als der Leser sie wahrnimmt..."



        Diesen Satz muss man sich auf der Zunge zergehen lassen - denn damit stellt man den Sinn fiktionaler Literatur (und letztlich von Kunst insgesamt) in Frage...

        • @O.F.:

          Ja, lassen Sie ihn sich auf der Zunge zergehen. :-)

          Meine Empfehlung: Nutzen Sie diesen Augenblick und grübeln Sie gleichzeitig darüber nach, warum manche fiktive Geschichten als wahr und andere als unwahr wahrgenommen werden.

          (Schön mit den vielen wahr's, finden Sie nicht?)

          Ich habe übrigens einen Cousin, für den fiktionale Literatur komplett sinnlos ist.

          Er liest sie deshalb auch nicht.

          Das war für mich vor vielen Jahren mal eine Horizonterweiterung.

          • @rero:

            Ihnen fällt sicher auf, dass Sie am Ende Ihrer "Empfehlung" ins Passiv wechseln - und damit das Subjekt unterschlagen. Und genau da liegt vielleicht das Problem...

            • @O.F.:

              Nö, da liegt kein Problem.

              Sie können den Satz auch problemlos ins Aktiv setzen. :-)

              "Die Leser" oder Sie persönlich.

              • @rero:

                Das ist sogar doppelt falsch; einmal weil es nicht "den Leser" gibt; möglicherweise finde ich meine Erfahrung in einem literarischen Text wieder, Sie aber nicht - ihr versteckt-pauschales Subjekt ist also eine implizite Verabsolutierung der eigenen Wahrnehmung. Aber das Problem liegt eigentlich tiefer: wenn Sie nicht darüber sprechen, wer liest (Aktiv!), sondern das Lesen als passives Ereignis beschreiben (das dann wahr oder falsch sein kann) entgeht Ihnen der entscheidende Punkt: dass das lesende Subjekt nicht einfach still rezipiert, sondern, banal fomuliert, eine Weile in fremden Schuhen geht, die Welt - oder vielleicht sogar Welt - anders sehen lernt. Fiktive Literatur ist deshalb gerade nicht sinnlos, sondern vermittelt ein mehr an Sinn. Wenn das scheitert, liegt es allerdings nicht unbedingt an der Literatur.

                • @O.F.:

                  Nö. :-D

                  Da ist keine Verabsolutierung.

                  Im Gegenteil.

                  Der Literaturbetrieb lebt von der hundertprozentigen Subjektivität.

                  Davon, dass Sie und ich beispielsweise zu unterschiedlichen Schlüssen kommen.

                  Die Rezeption, was von vielen als "unwahr" empfunden wird, ist auch zu unterschiedlichen Zeiten anders.

                  Deshalb bin ich voll bei Ihnen, es muss nicht an der Literatur liegen.

                  Bei den "fremden Schuhen" teile ich ebenfalls Ihren Standpunkt.

                  Es scheitert aber, wenn die lesende Person die Fiktion für sich als "unwahr" empfindet.

                  Ich bin mir sicher, es gibt auch fiktive Literatur, die Sie als "unwahr" empfinden.

                  Ein Buch, das "lügt", könnte zum Beispiel ein Roman sein, der aus heutiger Sicht von Propaganda durchtränkt ist.

                  Das gab es zu sowjetischen Zeiten (nicht nur dort und zu dieser Zeit) zu



                  Genüge. Bulgakow wird Scherschen eher nicht gemeint haben.

                  Bei den russischen Klassikern, aber auch in der Sowjetliteratur finden Sie das Motiv des einfachen, aber moralisch integeren russischen Menschen.

                  Ich kann mir vorstellen, dass Ukrainer es derzeit als unwahr empfinden, weil die einfachen russischen Menschen gerade mit Panzern in ihrer Heimat rumfahren und ihnen Raketen auf den Kopf schmeißen.

                  Übrigens greift für mich Ihr Falsch-richtig-Dualismus bei unserem Diskussionsthema nicht.

                  Sie nehmen einfach anders wahr als ich, das ist aus meiner Sicht alles.

  • Man kann wirklich nur hoffen, dass da kein Monster erschaffen wird. Eine Nation, die auch mal eine lückenlose Nationalgeschichte um jeden Preis beschwören wollte, die es so nicht gab, & der zuletzt auch nur blieb, ihre nationale Identität negativ als Hass auf andere zu definieren, sollte bei solchen Berichten aufhorchen & i Zw mäßigend einzuwirken suchen. Kurzfristig ist das alles sehr verständlich angesichts des verbrecherischen Überfalls Russlands, aber auf lange Sicht liegt kein Segen auf der Verdammung von Büchern.

    • @JulianM:

      Ich habe eher den Eindruck dass man sich da von einem Monster befreit, das erst die ukrainische Kultur klein gemacht und dann diese bestmöglich zu verdrängen versucht hat. Wobei die russischen Autoren da wohl überwiegend keine Täter sondern Werkzeuge waren.

      Und wenn Krieg herrscht ist die Motivation sich von diesem "Monster" zu befreien sicherlich etwas stärker als wenn man halbwegs vernünftige diplomatische Beziehungen und wirtschaftliche Verpflechtungen pflegt.

      Ob am Ende ein anderes Monster den Platz einnimmt weiß ich nicht. Ich habe den Eindruck, dass der aufkeimende "Nationalismus" in der Ukraine eine scharfe Abgrenzung zur russischen Vereinnahmung darstellt, weniger das Zelebrieren eines nationalistischen Größenwahns - zumal die Ukraine sich ja ansonsten international zunehmend stärker vernetzt.

      Insofern sehe ich in der Altpapieraktion ein explizites Zurückstufen der Autoren von "das ist unsere Literatur" hin zu "das ist die Literatur die uns aufgezwungen wurde" - perspektivisch wird da sicherlich irgendwann einmal "internationale Literatur" draus - dafür wäre es aber hilfreich wenn Russland aufhört Ukrainer umzubringen und ihr Land zu besetzen.