Besetzungen von Hochschulen: Streit um Palästina-Proteste
Mehr als 100 Uni-Dozent:innen kritisieren in einem Brief die Räumung von Besetzungen an Universitäten. Die Wissenschaftsministerin reagiert empört.
Mehr als 100 Professor:innen und Dozent:innen von mehreren Berliner Hochschulen veröffentlichten daraufhin ein Statement: „Unabhängig davon, ob wir mit den konkreten Forderungen des Protestcamps einverstanden sind, stellen wir uns vor unsere Studierenden und verteidigen ihr Recht auf friedlichen Protest, das auch die Besetzung von Uni-Gelände einschließt“, heißt es darin.
Sie fordern die Berliner Universitätsleitungen auf, „von Polizeieinsätzen gegen ihre eigenen Studierenden ebenso wie von weiterer strafrechtlicher Verfolgung abzusehen“. Mehrere prominente Wissenschaftler:innen haben unterzeichnet, darunter die Philosoph:innen Rahel Jaeggi, Eva von Redecker und Robin Celikates, der Historiker Michael Wildt, die Soziologinnen Naika Foroutan und Sabine Hark und der Jurist Maximilian Steinbeis.
Bettina Stark-Watzinger (FDP) Wissenschaftsministerin
„Schock-Brief: Uni-Profs stellen sich hinter Judenhasser-Mob“, titelte die Bild-Zeitung. Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger sagte der Zeitung, das Statement mache sie „fassungslos“: Statt sich klar gegen Israel- und Judenhass zu stellen, würden die Uni-Besetzer verharmlost. Gerade Lehrende müssten „auf dem Boden des Grundgesetzes stehen“.
Rücktrittsforderung an Ministerin
Im Netz erntete die FDP-Politikerin dafür scharfen Protest. Ralf Michaels, Direktor am Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht in Hamburg, antwortete ihr auf X: „Es widerspricht Ihrer Rolle als Bundesbildungsministerin, die Verfassungstreue Hochschullehrender so pauschal anzuzweifeln.“
Die Ministerin unterstelle den Unterzeichnern pauschal Antisemitismus und setze sie „der Hetze der Bildzeitung“ aus, schrieb Matthias Goldmann, Professor für internationales Recht in Wiesbaden. Kritischer Diskurs sei so nicht mehr möglich. Der Linken-Politiker und Jurist Niema Mossavat forderte Stark-Watzinger gar zum Rücktritt auf.
Zuspruch bekam die Ministerin von Berlins Regierendem Bürgermeister Kai Wegner. „Für die Verfasser dieses Pamphlets habe ich überhaupt kein Verständnis“, sagte der CDU-Politiker der Bild. Antisemitismus und Israelhass seien „keine Meinungsäußerungen, sondern Straftaten“. Schleswig-Holsteins Bildungsministerin und CDU-Vize Karin Prien zeigte sich „fassungslos“, wie Wissenschaftler:innen „auf das humanitäre Leid in Gaza verweisen, ohne die Geiseln der Hamas mit nur einer Silbe zu erwähnen“.
Der Präsident des Zentralrats der Juden, Josef Schuster, sagte, die Aktivist:innen würden von Hass auf Israel und Juden angetrieben. „Gerade von Hochschuldozenten hätte ich erwartet, dass dies zumindest klar benannt wird, wenn sich schon für diese Form des Protestes eingesetzt wird.“
Aufruf zum Boykott
Die Gruppe „Student Coalition Berlin“ (SCB) veröffentlichte vorab auf Instagram einen Forderungskatalog. Unter anderem solle die Universität für einen sofortigen Waffenstillstand und Stopp deutscher Rüstungsexporte einstehen. Auch verlangt die Gruppe einen umfassenden kulturellen und akademischen Boykott Israels, was auch ein Ende der wissenschaftlichen Kooperationen der FU mit israelischen Universitäten bedeuten würde.
In anderen Städten gab es zuletzt weitere Protestcamps. In Bremen und Leipzig ließen die Unis sie räumen. In Köln stehen Zelte auf einer Wiese, in Hamburg gibt es eine Mahnwache.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Wirbel um KI von Apple
BBC kritisiert „Apple Intelligence“
Russische Männer auf TikTok
Bloß nicht zum Vorbild nehmen
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Filmförderungsgesetz beschlossen
Der Film ist gesichert, die Vielfalt nicht