Pro-Palästina-Besetzung in Berlin: Gaza-Protest erreicht Humboldt-Uni

Rund 100 Personen besetzen ein Gebäude der Humboldt-Universität in Berlin. Die Uni-Leitung will sie zunächst dulden.

Pro-Palästinensische Demonstranten blicken aus den Dachfenstern des Instituts für Sozialwissenschaften der Humboldt-Universität

Die Be­set­ze­r*in­nen im Institut für Sozialwissenschaften der Humboldt-Universität Foto: Soeren Stache/dpa

BERLIN taz | Irgendwann sind die großen Fenster über und über mit Slogans bedeckt. „All eyes on Rafah“ steht auf den bodentiefen Glasscheiben des Sozialwissenschaftsgebäudes der HU-Berlin, „Free Gaza“, aber auch „From the river to the sea“, ein Slogan, der Israel das Existenzrecht abspricht.

Die Schmierereien stammen von einigen der rund 100 Personen, die das Unigebäude nahe der S-Bahnstation Friedrichstraße in Mitte am Mittwochnachmittag besetzt haben. Als Teil der Student Coalition wollen sie die HU dazu zwingen, sich für einen Waffenstillstand in Gaza auszusprechen, alle Verbindungen nach Israel abzubrechen und die „Repression“ gegen pro-palästinensische Studierende und Dozierende einzustellen, wie es auf Social-Media-Accounts der Gruppe heißt.

Ähnliche Proteste hatte es in den vergangenen Wochen nicht nur an den anderen Berliner Unis gegeben, sondern auch an Hochschulen in Frankfurt und Bremen.

Hinter den beschmierten Glasscheiben des HU-Gebäudes sind ab und an auch die Be­set­ze­r*in­nen zu sehen. Fast alle tragen Atemschutzmasken oder haben sich mit der Kūfīya vermummt, dem sogenannten Palästinenserschal. Während einige entspannt wirken, schauen die meisten eher bedröppelt bis verschreckt auf das, was die Polizei draußen auf der Straße auffährt: Hunderte Be­am­t*in­nen in schwerer Ausrüstung und es werden immer mehr. Zwischenzeitlich kreist ein Hubschrauber über dem Geschehen.

Hinter der Polizeikette versammeln sich schnell einige hundert Un­ter­stüt­ze­r*in­nen. Auch sie tragen fast alle Kūfīya, manche schwenken Palästinaflaggen, skandieren Slogans. „Fuck the occupation“, rufen sie. Aber auch „Jallah Intifada“. Als Intifada werden die Palästinenseraufstände in den 1980er und den frühen 2000er Jahren bezeichnet, während denen palästinensische Ter­ro­ris­t*in­nen hunderte israelische Zi­vi­lis­t*in­nen töteten.

Unterstützung und Gegenprotest

Organisationen jüdischer Studierender hatten in den vergangenen Wochen immer wieder davor gewarnt, dass die Proteste eine Bedrohung für Ju­den*­Jü­din­nen seien. Die De­mons­tran­t*in­nen vor dem HU-Gebäude am Mittwoch wischen das beiseite: „Ich verstehe nicht, wovon man sich bedroht fühlen soll“, sagt eine HU-Studentin, die ihren Namen nicht nennen will.Das Vorgehen der Polizei gegen die Proteste der vergangenen Wochen bezeichnet sie als „absolut undemokratisch“. Ein Medizinstudent, der einige Meter weiter steht, sagt: „Wir demonstrieren nicht gegen jüdische Menschen, sondern gegen einen genozidalen Staat.“

Einzelne Ge­gen­de­mons­tran­t*in­nen gibt es auch: „Free Gaza from Hamas“, ruft ein Mann mit Schnurrbart ein paar Mal in die Menge. Er wird höhnisch ausgelacht, ein Mann kommt gestikulierend auf den Schnurrbärtigen zu. Kurz schreien sich die Männer an, dann beruhigt sich die Situation aber wieder.

Später drängt die Polizei die Demo der Un­ter­stüt­ze­r*in­nen ab. Zig Po­li­zis­t*in­nen schieben die De­mons­tran­t*in­nen im Pulk durch eine schmale Gasse zwischen Polizeiwagen und Häuserfront weg vom Unigebäude. Die Stimmung ist aggressiv, vereinzelt werden Personen von der Polizei abgeführt. In einer Pressemitteilung berichtet die Polizei später von 23 vorrübergehenden Festnahmen und 25 Strafermittlungsverfahren, etwa wegen Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen und Sachbeschädigung.

Duldung bis Donnerstagabend

Während all das geschieht, verharren die Be­set­ze­r*in­nen weiter im Gebäude, werfen Flugblätter vom Dach oder spielen arabische Musik, die durch die Straße hallt. Am frühen Abend verschafft sich die Leitung der HU ein Bild der Lage. Uni-Präsidentin Julia von Blumenthal geht zielstrebig auf Gebäude zu und rüttelt an der Tür. Die ist von innen verrammelt oder jemand hält sie von der anderen Seite zu, das wird nicht ganz klar. Nach ein paar Sekunden muss von Blumenthal aufgeben, sie dreht ab.

Die Unileitung entscheidet sich dennoch dagegen, das Gebäude durch die Polizei räumen zu lassen. Bis in den späten Abend verhandelt sie mit den Besetzer*innen, am Ende wird vereinbart, dass die Uni die Besetzung bis Donnerstagabend duldet. Am Donnerstagnachmittag will von Blumenthal zudem mit den Be­set­ze­r*in­nen diskutieren.

Die Be­set­ze­r*in­nen haben angekündigt, über Donnerstag hinaus im Gebäude bleiben zu wollen. Wie die Unileitung nach Ablauf der Frist weiter vorgehen wird, sei noch offen, sagte eine Sprecherin der taz am Donnerstagmittag. Man konzentriere sich im Moment voll auf die Organisation der Diskussionsrunde am Nachmittag.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.