Autoritäre Auswüchse beim BSW: Lenin lässt grüßen
Katja Wolf wird öffentlich abgestraft, weil sie sich von Sahra Wagenknecht emanzipiert. Jetzt zeigt sich beim BSW die dunkle Seite der Macht.
D ie SED, die Staatspartei der DDR, war eine Partei leninistischen Typs. Es galten strenge Top-down-Strukturen, und mit dem Verweis auf die heilige Parteidisziplin hielt man die Mitglieder gehorsam. Wenn die nicht folgsam waren, mussten sie sich in ihrer Ortsgruppe dem Ritual der „Kritik und Selbstkritik“ unterwerfen, und wenn das nicht half, kam die „Rüge“ und am Ende der Parteiausschluss. Letzterer mit dramatisch existenziellen Folgen für das Mitglied.
Derzeit erinnert das BSW Sahra Wagenknechts stark an die SED (das passt, denn als die Partei 1989 am Zerbröseln war, trat sie in die SED ein). Katja Wolf, die erfrischend pragmatische und selbstbewusste Spitzenfrau in Thüringen, hat es gewagt, von der Wagenknecht-Linie abzuweichen, und in der Ukraine-Frage einen geradezu dialektischen Kompromiss ausgehandelt, der für die Partner in spe – BSW, CDU und SPD – gleichermaßen gesichtswahrend ist.
Die Rache des Politbüros, pardon, der Berliner Zentrale kam umgehend: Via Gastbeitrag auf T-Online sandten der Schatzmeister und die Geschäftsführerin der BSW-Gruppe im Bundestag (das schmutzige Geschäft lässt die Chefin andere machen) eine klare Drohung: Opposition sei besser als eine falsche Politik, und „wer das nicht kapiert, wird vielleicht schnell Ministerin, ist aber in unserer Partei falsch“. Richtig versus falsch, und was richtig ist, das bestimmen die Kader.
Kadermäßig liest sich übrigens auch die Satzung des BSW. Dort sind säuberlich die „Ordnungsmaßnahmen gegen Mitglieder“ aufgelistet: Was bei der SED die Rüge war, heißt hier „Verwarnung“. Eine weitere Daumenschraube aus dem Besteckkasten des Neo-Leninismus: die „Fähigkeit zur Bekleidung von Parteiämtern“ kann zeitweilig aufgehoben werden.
Das klingt alles gruselig, aber das Beispiel Katja Wolf macht Hoffnung: Parteien sind in Deutschland föderal organisiert, die Zentralen haben per se nur eine eingeschränkte Macht. Das Parteiengesetz garantiert demokratische Prozesse innerhalb der Parteien. Das wird eines Tages auch Sahra Wagenknecht erkennen müssen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Wahlprogramm von CDU und CSU
Der Zeitgeist als Wählerklient
Keine Konsequenzen für Rechtsbruch
Vor dem Gesetz sind Vermieter gleicher
Anschlag in Magdeburg
Auto rast in eine Menschenmenge auf dem Weihnachtsmarkt
Anschlag auf Magdeburger Weihnachtsmarkt
Vieles deutet auf radikal-islamfeindlichen Hintergrund hin
Russische Männer auf TikTok
Bloß nicht zum Vorbild nehmen