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Autoritäre Auswüchse beim BSWLenin lässt grüßen

Kommentar von Gunnar Hinck

Katja Wolf wird öffentlich abgestraft, weil sie sich von Sahra Wagenknecht emanzipiert. Jetzt zeigt sich beim BSW die dunkle Seite der Macht.

Anleihen an alte Zeiten: Das BSW ist ganz schön autoritär. SED-Spitze im Oktober 1989 Foto: ZB / dpa

D ie SED, die Staatspartei der DDR, war eine Partei leninistischen Typs. Es galten strenge Top-down-Strukturen, und mit dem Verweis auf die heilige Parteidisziplin hielt man die Mitglieder gehorsam. Wenn die nicht folgsam waren, mussten sie sich in ihrer Ortsgruppe dem Ritual der „Kritik und Selbstkritik“ unterwerfen, und wenn das nicht half, kam die „Rüge“ und am Ende der Parteiausschluss. Letzterer mit dramatisch existenziellen Folgen für das Mitglied.

Derzeit erinnert das BSW Sahra Wagenknechts stark an die SED (das passt, denn als die Partei 1989 am Zerbröseln war, trat sie in die SED ein). Katja Wolf, die erfrischend pragmatische und selbstbewusste Spitzenfrau in Thüringen, hat es gewagt, von der Wagenknecht-Linie abzuweichen, und in der Ukraine-Frage einen geradezu dialektischen Kompromiss ausgehandelt, der für die Partner in spe – BSW, CDU und SPD – gleichermaßen gesichtswahrend ist.

Die Rache des Politbüros, pardon, der Berliner Zentrale kam umgehend: Via Gastbeitrag auf T-Online sandten der Schatzmeister und die Geschäftsführerin der BSW-Gruppe im Bundestag (das schmutzige Geschäft lässt die Chefin andere machen) eine klare Drohung: Opposition sei besser als eine falsche Politik, und „wer das nicht kapiert, wird vielleicht schnell Ministerin, ist aber in unserer Partei falsch“. Richtig versus falsch, und was richtig ist, das bestimmen die Kader.

Kadermäßig liest sich übrigens auch die Satzung des BSW. Dort sind säuberlich die „Ordnungsmaßnahmen gegen Mitglieder“ aufgelistet: Was bei der SED die Rüge war, heißt hier „Verwarnung“. Eine weitere Daumenschraube aus dem Besteckkasten des Neo-Leninismus: die „Fähigkeit zur Bekleidung von Parteiämtern“ kann zeitweilig aufgehoben werden.

Das klingt alles gruselig, aber das Beispiel Katja Wolf macht Hoffnung: Parteien sind in Deutschland föderal organisiert, die Zentralen haben per se nur eine eingeschränkte Macht. Das Parteiengesetz garantiert demokratische Prozesse innerhalb der Parteien. Das wird eines Tages auch Sahra Wagenknecht erkennen müssen.

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ist Redakteur im taz-Ressort Meinung.
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22 Kommentare

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  • Schon wieder ein Artikel in der TAZ der nicht journalistisch berichtet und analysiert, sondern gezielt diffamiert. Warum berichtet die Taz nur über den parteiinteren Spagat des BSW. Findet dieser nicht ebenso in der CDU und in der SPD statt. Wieder bekommt man als Leser den Eindruck, dass in der Taz Artitel veröffentlicht werden, die aus einer persönliche Enttäuschung, oder aus einem persönlichen Ärger heraus geschrieben werden und dabei jeglichen Überblick und jede journalistische Differenzierung vermissen lassen.

  • Ob Sarah W erkennen wird, dass Parteien in D -noch- demokratisch handeln ist die eine Sache. Die andere ist es: wird sie sich daran halten? Es gibt unendliche viele Möglichkeiten, Druck, Schikanen auszuüben die man anwenden kann.

  • Eine Kritik des Artikels auf T-Online wäre interessant gewesen. So ist es leider eher ein Geraune über ein Thema, das durchaus beleuchtet werden sollte.

    Unglücklich finde ich den Leninismus-Vergleich, denn mehr als für autoritäre Parteistrukturen wird Lenin bei vielen mit Kommunismus verbunden und diese gibt und gab es ja auch bei nicht kommunistischen Parteien.

    Mit Kommunismus/Sozialismus hat BSW aber rein gar nichts zu tun. Im Gegenteil: deren Wirtschaftsprogramm ist zutiefst konservativ bis reaktionär und könnte so auch von der CDU stammen.

  • Wenn in Kürze die sächsische CDU mit der ununterscheidbaren sächsischen AfD koaliert, wie sieht die Meinung zum Föderalismus innerhalb der Parteien dann aus?

  • Ist irgendwer überrascht, dass eine Partei, die den Namen ihrer Führerin trägt, zum Führerprinzip neigt?

  • Wen wunderts ? Eine Partei benennt sich egofrauisch nach Ihrer "Führerin". Gab es so etwas schon mal irgendwo in Europa? Und natürlich ist das ein "не пойдёт" für Frau Wagenknecht, die brombeerfarbene Ikone aller aufrechten Vorwenderomantiker.

  • Auf dem Foto sehen wir nicht die SED Spitze , sondern die damaligen kommunistischen Führer der Welt. In der SED sehe ich nur vier.

  • Ich bin mir noch nicht sicher, ob es von Frau Wolf vor allem Mut oder grenzenlose Naivität war, sich diesem Verein anzuschließen. Bin sehr gespannt wie dieser 'Machtkampf' ausgeht; könnte letztendlich richtungsweisend sein, für den weiteren Umgang mit dem BSW bzw. dessen Selbstverständnis.

  • Merkel wie Kramp-Karrenbauer riefen irrlichternde Typen (Ost) in Thüringen ja auch zur Ordnung. Und ja nach vorwiegender Meinung nötigerweise.



    Gleichwohl rächt sich die schimmrige Nichtgestalt dieser "Partei".



    Diejenigen hätten doch besser richtig links gewählt o.ä.

    Warum die Union mit Links im Osten (!) ein Problem hat, aber mit dieser BSW nicht, wird das Rätsel des Jahresrückblicks.

  • Das BSW IST eine Kaderpartei und Sarah Wagenknecht IST stalinistisch geprägt. Wer hätte daran jemals gezweifelt.

  • Hätte es bei Gründung der AfD " Top down Strukturen " gegeben, hättec die AfD nicht so rechts unterwandert werden können.



    Also, warum nicht aus Fehlern anderer Parteien lernen ?

  • Unbeschadet der Verfassung des BSW, hier Auszüge aus Parteisatzung:

    "Ordnungsmaßnahmen



    (1) Gegenüber Mitgliedern, die das Ansehen oder die Interessen der Partei schädigen, können Ordnungsmaßnahmen getroffen werden.



    (2) Ordnungsmaßnahmen sind: Verwarnung; Verweis; Enthebung von Parteiämtern; Aberkennung der Fähigkeit zur Bekleidung von Parteiämtern auf Zeit.

    Beschränkung der Wählbarkeit

  • Da wird sich nun wohl die Zukunft des BSW entscheiden. Wenn Katja Wolf sich durchsetzt, dann geht es in Richtung einer neuen, weithin anschlussfähigen politischen Kraft, die einiges aufmischen kann. Wenn aber der Zentralismus gewinnt, dann wird das BSW zur Politsekte.

    Bin immer noch als Unterstützer angemeldet, wäre aktuell aber eher Unterstützer eines BKW :-)

  • Ich AG Wagenknecht, von einer Demokratie so weit entfernt wie eine AfDummheit von Empathie bei Flüchtlingen. Die Partei brauchen wir nicht.

  • Artikel 1 ddr "verfassung",

    • @dizzy:

      Was wollten Sie damit ausdrücken?

      Ich habe mir den Artikel 1 gerade dreimal durchgelesen.

      Eine Parallele oder ein irgendwie gearteter, auch humoristischer, Bezug ist mir nicht aufgefallen.

  • Ich frage mich, ob es nicht möglich ist, ohne Schaum vor dem Mund über das BSW zu schreiben. Es handelt sich dabei um eine Partei, die sich noch im Entstehungsprozess befindet. Dass die SW und ihr Kreis versuchen, in dieser Phase die Kontrolle über die Ausrichtung ihres neuen Projektes zu behalten, ist einigermaßen verständlich - und man könnte es sogar für wünschenswert halten, auch wenn die eigenen politischen Präferenzen anderswo liegen. Wenn das BSW gleich nach der Gründung die eigenen Prinzipien über Bord wird (die sog. "Realpolitik", die zu realen Posten, aber nie zu realen Veränderungen führt) endet man wieder in einer Situation, in der die AfD die Opposition monopolisiert hat und dem Wähler nur die Entscheidung zwischen Estabishment-Djihad und Rechtsextremismus bleibt. Das BSW wird schnell genug an den politischen Betrieb angepasst; zumindest ein paar Jahre Widerspenstigkeit wären kein schlechter Beitrag zum politischen Leben in diesem Land.

    • @O.F.:

      Widerspenstigkeit ganz im Sinne Wagenknechtsche bekommen wie doch schon aus Russland. Täglich. Tödlich. Und Putin will ja auch Warschau und Berlin.

  • Wer hätte das gedacht, dass eine Partei deren Name eine einzige narzisstische One Woman Show ist, geht hart mit einer Abweichlerin von der Parteilinie ins Gericht.

    Was hat Fr Wolf sich auch dabei gedacht selbstständig Entscheidungen zu treffen und sich nicht aus Trotz zum Steigbügelhalter der Rechten zu machen. So hatte die Sarah das nicht geplant. Hat sich Fr Wolf überlegt was das für Konsequenzen hat ... Am Ende muss das BSW noch anfangen, intern über Positionen zu diskutieren und noch schlimmer Verantwortung als demokratische Partei zu übernehmen. Das kann nun wirklich niemand der Sarah und ihren Politbürogenossen*innen zumuten wollen.

  • Sahra Wagenknecht muss aufpassen. Lässt sie Katja Wolf als Mehrheitsbeschafferin für die Kartellparteien gewähren, machen viele ihrer Wähler das nächste Mal ihr Kreuz bei der AfD.

  • Das ist doch nicht die Dunkle Seite der Macht". Katja Wolf hat mit dem BSW-Ticket den Absturz der Linken nicht nur überlebt, sondern ist weitaus erfolgreicher geworden als sie es vorher war. Ihre schnelle "Bekehrung" zum BSW war mir von vornherein verdächtig; sie hatte doch bis gestern noch Ansichten vertreten die mit dem BSW schlicht inkompatibel waren (Zuwanderung usw). Jetzt will sie die klassische Politik der Linken weiterbetreiben. Für Sarah Wagenknecht stellt sich natürlich die Frage "wenn Wolf jetzt schon nicht auf der Parteilinie bleibt, wie wird das weitergehen?" Und welchen Schaden wird Wolf dem BSW in der Zukunft zufügen? Mal sehen wie es weitergeht. Der Verlierer wird auf jeden Fall Mario Voigt heissen, der politischem Kampf auf diesem Niveau nicht nur nicht gewachsen ist, sondern ihn offensichtlich nicht mal ansatzweise verstehehen kann.

  • Also, ich habe in letzter Zeit ja nicht mit Kritik an Wagenknecht und dem BSW gespart. Aber dieser Kommentar ist so schlecht, polemisch und denunziatorisch, dass ich fast geneigt bin, die Wagenknechte dagegen schon wieder in Schutz zu nehmen.



    Droht Katja Wolf denn jetzt der GULAG, weil sie gegen die offizielle Parteilinie verstoßen hat, Herr Hinck?