Autobranche in der Krise: Kaum einer will die E-Autos
Ford meldet Kurzarbeit für die E-Auto-Produktion in Köln an. Was sind die Gründe für die Absatzflaute in der deutschen Autoindustrie?
Nicht nur bei Ford ist die Lage schwierig. Erst vor Kurzem hat das VW-Management einen Gewinneinbruch gemeldet und Massenentlassungen und Werkschließungen in Deutschland angedroht. Bei BMW und Mercedes brechen ebenfalls die Erträge ein. Das bekommen die Zulieferer zu spüren, von denen einige bereits Stellenstreichungen angekündigt haben. Viele Fabriken sind nicht ausgelastet, weil der Absatz der Fahrzeuge stockt.
Das ist auch der Grund für die Kurzarbeit bei Ford in Köln. „Die deutlich niedriger als erwartete Nachfrage nach Elektrofahrzeugen speziell in Deutschland erfordert eine temporäre Anpassung der Produktionsvolumina im Kölner Electric Vehicle Center“, sagte eine Ford-Sprecherin der taz. Das Unternehmen habe bei der Agentur für Arbeit Kurzarbeit für 2.300 Beschäftigte beantragt. Bis zu den Weihnachtsferien soll in Köln im Wechsel jeweils eine Woche die Produktion stillstehen und eine Woche gearbeitet werden. Auch im ersten Quartal 2025 sollen Tage produktionsfrei sein.
In Köln lässt Ford den Explorer bauen, die Serienproduktion hat erst im Juni begonnen – ausgerechnet in der Zeit, in der der Absatz von E-Autos insgesamt stark eingebrochen ist. Seit Dezember fördert der Staat den Kauf eines E-Autos nicht mehr. Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hat die Prämie für E-Autos nach dem Haushaltsurteil des Bundesverfassungsgerichts abgeschafft.
Viele Käufer:innen warten ab
Doch das ist nicht der einzige Grund für die Kaufzurückhaltung, sagt Hans Lawitzke, Berater des Europäischen Betriebsrats von Ford und Sprecher der Vertrauensleute der Gewerkschaft IG Metall. Der Absatz sei auch eingebrochen, weil potenzielle Käufer:innen irritiert seien. „Über die politische Diskussion wird Verunsicherung generiert“, ist er überzeugt. „Viele warten ab, wie es weitergeht.“
Tatsächlich sendet die Politik diffuse Signale an die Bürger:innen – und zwar sowohl an die, die ein Verbrennerauto kaufen möchten, als auch an jene, die die Anschaffung eines E-Autos in Erwägung ziehen, sagt Lawitzke. Ein Beispiel dafür ist die Debatte über ein Aufweichen des Aus für Verbrenner und die sogenannte Technologieoffenheit. Kund:innen fragten sich, was ein jetzt angeschafftes Auto künftig noch wert sei, sagt Lawitzke. Auch die Aussicht auf eine mögliche neue Förderung für E-Autos führe erst einmal zum Abwarten.
Ein zentraler Grund für die Absatzflaute in der deutschen Autoindustrie ist der Preis. Die Kosten für die Anschaffung eines E-Autos sind eine hohe Einstiegsschwelle, schätzt der Experte. „Deshalb ist der Wegfall der staatlichen Förderung so dramatisch.“ Ohne Zuschuss warten Interessierte lieber ab. „Alle wissen, dass es in ein oder zwei Jahren von verschiedenen Herstellern ein E-Auto für unter 30.000 Euro gibt.“ Das E-Auto von Ford kostet mit der Grundausstattung 42.500 Euro. Die chinesische Konkurrenz ist heute schon weitaus billiger.
Trotz der vielen schlechten Nachrichten aus der Branche leiden die deutschen Autohersteller unter Fachkräftemangel. Sie brauchen hochqualifizierte Expert:innen mit Hochschulabschluss. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie des arbeitgebernahen Instituts der Deutschen Wirtschaft. „Insbesondere Expert:innen in IT-Berufen und Fachkräfte in Berufen mit technischem Schwerpunkt werden weiterhin dringend gesucht, da sie unter anderem für die digitale Transformation der Branche von zentraler Bedeutung sind“, heißt es im aktuellen Fachkräftereport des Instituts.
Mangel an IT-Fachleuten
Das ist kein Widerspruch zu den Nachrichten über Kurzarbeit und Stellenstreichungen, sagt Betriebsratsberater Lawitzke. Denn neben dem Antriebswechsel vom Verbrennermotor zur Batterie führt die Digitalisierung zu großen Umbrüchen im Autobau. Auch hier seien die deutschen Hersteller spät gestartet. Jetzt fehlen ihnen die Fachkräfte für die Entwicklung von Softwarelösungen.
Volkswagen versucht diese Leerstelle durch ein Joint Venture mit dem US-amerikanischen E-Autobauer Rivian zu füllen, das am Mittwoch gestartet ist. Der Wolfsburger Autobauer hat immer wieder mit Softwareproblemen zu kämpfen. Das neue Gemeinschaftsunternehmen in Palo Alto im US-Bundesstaat Kalifornien soll auf der Basis der Elektronikarchitektur von Rivian für beide Hersteller Softwarelösungen und Steuercomputer entwickeln. VW verspricht sich davon sinkende Kosten.
Nach und nach will das Unternehmen neue E-Autos auf die Technologie von Rivian umsatteln. 2027 sollen die ersten Fahrzeuge aus der Kooperation ausgeliefert werden. VW steckt 5,8 Milliarden US-Dollar in das Gemeinschaftsprojekt, 800 Millionen mehr als ursprünglich geplant.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ungerechtigkeit in Deutschland
Her mit dem schönen Leben!
Verkauf von E-Autos
Die Antriebswende braucht mehr Schwung
Warnstreiks bei VW
Der Vorstand ist schuld
Neuer Generalsekretär
Stures Weiter-so bei der FDP
Zuschuss zum Führerschein?
Wenn Freiheit vier Räder braucht
Die HTS in Syrien
Vom Islamismus zur führenden Rebellengruppe