Auswirkungen von 12 Euro Mindestlohn: Verschoben nach oben

Mit den Chancen auf einen Kanzler Scholz steigt auch die Wahrscheinlichkeit eines Mindestlohns. Was würde das für Betriebe und Beschäftigte bedeuten?

Eine Serviererin trägt drei volle Maßkrüge

Die SPD kündigt an, den Mindestlohn „zunächst auf mindestens 12 Euro zu erhöhen“ Foto: Ralph Peters/imago

BERLIN taz | Knapp 11 Euro in der Stunde, so viel verdient derzeit eine ausgebildete Fachkraft in der Gastronomie in Mecklenburg-Vorpommern, nach Tarif. Kommt ein gesetzlicher Mindestlohn von 12 Euro in Deutschland, müsste schon ein ungelernter Mitarbeiter so viel Lohn bekommen und die Fachkraft entsprechend mehr.

„Wir müssen in den Betrieben den Lohnabstand wahren“, sagt Lars Schwarz, Präsident des Hotel- und Gaststättenverbandes (Dehoga) in Mecklenburg-Vorpommern, „eine ausgebildete Fachkraft sollte mehr verdienen als eine Küchenhilfe. Ein Mindestlohn von 12 Euro wird zu massiven Verteuerungen der Produkte führen“.

Mit der Wahrscheinlichkeit einer SPD-geführten Regierung und einem grünen Koalitionspartner steigt die Wahrscheinlichkeit, dass demnächst ein gesetzlicher Mindestlohn von 12 Euro kommt. Die SPD kündigt in ihrem Wahlprogramm an, den Mindestlohn „zunächst auf mindestens 12 Euro zu erhöhen“. Das wäre dann die unterste Lohngrenze, besonders relevant für die privaten Dienstleistungen, in denen unterdurchschnittlich verdient wird.

„Die gesamte Lohnstruktur müsste angepasst werden“, sagt Karin Vladimirov, Sprecherin der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG). Im Jahre 2015, als der gesetzliche Mindestlohn erstmals eingeführt wurde, mit 8,50 Euro die Stunde, seien die untersten Lohngruppen der Stufe „ungelernt“ entfallen, berichtet die Sprecherin. „In den Tarifrunden wurde das Tarifgitter angepasst“.

Der sensible Kunde

Steven Haarke, Geschäftsführer für Tarifpolitik beim Handelsverbandes HDE warnt vor einer „Stauchung“, weil die neue Lohnuntergrenze „Auswirkungen auf die gesamte Lohnstruktur hätte, da die Anhebung der untersten Entgeltgruppen mittelbar auch zu einer Anhebung der darüber liegenden Entgeltgruppen führen würde“. Der Handelsverband lehnt ebenso wie die Dehoga eine gesetzliche Lohnuntergrenze von 12 Euro ab.

Die gewerkschaftsnahe Hans-Böckler-Stiftung hat in einer Studie erklärt, dass etwa 8 Millionen Beschäftigte direkt von einem Mindestlohn von 12 Euro profitieren würden, weil sie derzeit weniger verdienen. Hinzu kämen noch weitere Erwerbstätige, deren Entgelt durch den Mindestlohn indirekt angehoben würde.

Rein statistisch liegen die Personalkosten im Hotel- und Gaststättenbereich bei etwa einem Drittel des Umsatzes. Würden die Personalkosten um etwa 20 Prozent steigen, müssten die Preise also rechnerisch um mindestens sieben Prozent angehoben werden, um die Mehrkosten aufzufangen. „Der Kunde ist sehr sensibel“, sagt Schwarz, selbst Gastwirt und Hotelier, „Menschen sind nicht bereit, beliebig viel für Essen zu bezahlen“. Außerdem würden sich viele von Gastronomen angekaufte Produkte verteuern, weil ja auch Zulieferer höhere Personalkosten hätten.

Schwarz befürchtet einen weiteren Nebeneffekt eines höheren Mindestlohnes: „Wir haben jetzt schon Auszubildende, die sagen, was soll ich mir den Stress der Berufsschule antun, ich fang lieber gleich im Betrieb als Mitarbeiter an, schließlich bekomme ich dann von Anfang an den gesetzlichen Mindestlohn, auch ohne Ausbildung. Das könnte sich durch einen Mindestlohn von 12 Euro noch verstärken, dass junge Leute ihre Ausbildung abbrechen“.

Rückgang bei Minijobs erwartet

Wer in der Gastronomie auf Minijobbasis für 450 Euro arbeitet, hat erst mal nichts von der Erhöhung außer mehr Freizeit. Bleibt die Minijobgrenze bei 450 Euro, müssten künftige Mindestlöhner im Minijob dann entweder ihre Stundenzahl reduzieren oder in eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung zu höherem Bruttolohn wechseln.

Die Böckler-Studie erwartet durch einen höheren Mindestlohn einen Rückgang der Minijobs und einen „ebenso großen Anstieg bei den sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten in Teil- und Vollzeit“, heißt es in dem Papier. Diese Verschiebung ließ sich schon mit Einführung des Mindestlohnes im Jahre 2015 beobachten.

Manche Arbeitgeber, die den Eingriff in die „Tarifautonomie“ durch einen gesetzlichen Mindestlohn beklagen, müssen sich allerdings vorhalten lassen, selbst nicht viel zur Tarifautonomie beizutragen. In Rheinland-Pfalz etwa sei der Landesverband der Dehoga nicht bereit gewesen, einen neuen Tarifvertrag abzuschließen, so Vladimirov. Der alte Tarifvertrag lief Ende Februar 2018 aus. Überhaupt sei nur ein Drittel des Personals in der Branche in tariflich zahlenden Betrieben beschäftigt. Der gesetzliche Mindestlohn aber gilt für alle.

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