Geplante Erhöhung des Mindestlohns: 12 Euro gegen Armut
Im Oktober soll der Mindestlohn auf 12 Euro erhöht werden. Gewerkschaften begrüßen das, die CDU warnt vor mehr Schwarzarbeit.
Derzeit liegt der Mindestlohn bei 9,82 Euro pro Stunde. Turnusmäßig soll er ab dem 1. Juli 2022 auf 10,45 Euro erhöht werden. Ab Oktober soll dann der Sprung auf 12 Euro erfolgen – das ist eine Steigerung um knapp 15 Prozent. Der entsprechende Gesetzentwurf, der der taz vorliegt, wurde am Freitag zur Abstimmung an die anderen Bundesministerien verschickt. 6,2 Millionen Arbeitnehmer:innen würden laut Bundesarbeitsministerium davon profitieren.
Begründet wird die Erhöhung in dem Entwurf mit steigenden Lebenshaltungskosten und damit, dass der deutsche Mindestlohn im europäischen Vergleich „gemessen am prozentualen Anteil des nationalen Medianlohns, unterdurchschnittlich gering“ ausfalle. Die Weiterentwicklung sei „sozialstaatlich geboten“. Zudem sei die Erhöhung „ein zusätzlicher Anreiz zur Aufnahme einer Erwerbstätigkeit“.
Deutscher Gewerkschaftsbund zufrieden
Das Bundesarbeitsministerium schätzt, dass die Erhöhung bei betroffenen Arbeitgeber:innen 2022 zu rund 1,63 Milliarden Euro höheren Lohnkosten führen wird, also für die Monate Oktober bis Dezember. Staatlicherseits könnte es Entlastungen bei den Sozialausgaben geben. Denn die Zahl derer, die Vollzeit arbeiten, aber dennoch durch Sozialleistungen aufgestockt werden müssen, wird sich mit den 12 Euro Mindestlohn verringern. In der Sozialversicherung sei mit Mehreinnahmen von etwa 700 Millionen Euro zu rechnen.
Die Gewerkschaft Verdi begrüßte den Gesetzentwurf von Heil. „Die Regierung setzt damit ein wichtiges Zeichen, zieht eine Haltelinie für Beschäftigte im Niedriglohnsektor ein und liefert auf lange Sicht einen wichtigen Beitrag zur Bekämpfung der Altersarmut“, sagte Verdi-Chef Frank Werneke.
Auch der Deutsche Gewerkschaftsbund reagierte zufrieden. „Der Entwertung von Arbeit wird damit ein wirksamer Riegel vorgeschoben und Millionen Beschäftigte bekommen künftig mehr Anerkennung für ihren täglichen Einsatz“, sagte DGB-Vorstandsmitglied Stefan Körzell.
CDU warnt vor Schwarzarbeit
Rainer Dulger, Präsident der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA), hatte sich schon im Dezember 2021 über die Regierungspläne echauffiert. Diese bezeichnete er als „eine grobe Verletzung der Tarifautonomie“. Die BDA erwägt daher, dagegen zu klagen. Kritik kam auch aus der CDU. „Ich gönne jedem die zwölf Euro“, sagte der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) dem Tagesspiegel. Er befürchte aber durch den sprunghaften Anstieg mehr Schwarzarbeit. Ähnliche Argumente wurden auch angeführt, als der allgemeine Mindestlohn 2015 mit 8,50 Euro eingeführt wurde. Diese Befürchtungen haben sich aber nicht bewahrheitet.
Normalerweise wird der Mindestlohn durch eine Kommission festgelegt, in der Arbeitgeber:innen und Gewerkschaften paritätisch vertreten sind. Der Eingriff des Gesetzgebers soll daher auch eine Ausnahme bleiben. „Über künftige Anpassungen der Höhe des Mindestlohns entscheidet weiterhin die Mindestlohnkommission“, heißt es im Entwurf. Konkret heißt das: Die nächste Erhöhung nach dem Sprung auf 12 Euro ist erst im Jahr 2024 zu erwarten. Über die Höhe soll die Mindestlohnkommission bis zum 30. Juni 2023 entscheiden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Preiserhöhung bei der Deutschen Bahn
Kein Sparpreis, dafür schlechter Service
Bis 1,30 Euro pro Kilowattstunde
Dunkelflaute lässt Strompreis explodieren
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“
Housing First-Bilanz in Bremen
Auch wer spuckt, darf wohnen
Ansage der Außenministerin an Verbündete
Bravo, Baerbock!
Krise bei Volkswagen
1.000 Befristete müssen gehen