„Welt“ diffamiert Behörde: Die böse grüne Bundesnetzagentur

Die „Welt“ nennt die Bundesnetzagentur eine neue Zensurbehörde. Das ist ein unnötiger Aufschrei gegen eine normale rechtsstaatliche Aufgabe.

Klaus Müller steht vor derBundesnetzagentur

Keine Fake News: Klaus Müller steht vor der Bundesnetzagentur Foto: Wolf von Dewitz/dpa

Kennt jemand die Bundesnetzagentur? Die ist, Achtung, kein Witz, eine „Ursprungsbehörde“ mit Sitz in Bonn. Sie bewohnt da einen riesigen Gebäudekomplex ehemaliger Bundesbauten der ehemaligen Bundeshauptstadt, die bis heute verkrampft daran festhält, „Hauptsitz“ so manches Bundesministeriums zu sein.

Das Informations- und Presseamt der Bundesregierung, also die oberste PR-Abteilung von Kanzler & Co., gehört nicht dazu. Die Bundesnetzagentur ist, wie ihr überaus origineller Name schon sagt, für Netze von Strom bis Gas, Telekommunikation und so weiter zuständig. Meinungsmache und Zensur fallen ausdrücklich nicht ihren Aufgabenbereich.

Springers Welt sieht das anders und wirft der Bundesnetzagentur und ihrem Direktor vor, mit Blick aufs Internet, „die nette neue Zensurbehörde“ zu sein. „Fast unbemerkt“ habe sie „damit begonnen, die Meinungsfreiheit zu regulieren“.

Die Behörde des „grünen Cheftechnokraten Klaus Müller schafft eine ‚Meldestelle‘, die eigenmächtig über ‚Hass‘ und ‚Fake News‘ entscheiden soll“, schrieb das Blatt am Dienstag. Dieses Vorgehen „steht im offenen Widerspruch zum Rechtsstaat“, postuliert die Welt, die es mit dem Linksstaat ja eh nicht so hat.

Worum es geht? Um die Meldestelle REspect! der Stiftung zur Förderung der Jugend in Baden-Württemberg mit Sitz in Sersheim, die für die Bundesnetzagentur ein sogenannter trusted flagger ist: Vertrauenswürdige Organisationen, die Missstände im Netzdiskurs, also Hatz, Hetze, Sexismus und leider vieles andere mehr im Internet melden sollen.

„Nassforsche Regulierungsbehörden“

„Ganz oben auf der Internetseite dieser Organisation“, deren Name die Welt „unheilvoll an einen sprachlich-typographischen Auffahrunfall“ erinnert, „prangt kämpferisch ein fünfzackiger Stern, der allerdings aktivistisch pink und nicht sozialistisch rot eingefärbt ist“. Klarer Fall also! Wer regiert BaWü? Der pinkgrüne Winfried Kretzschmann.

„Wie bitte? Der Staat soll der öffentlichen Auseinandersetzung die Regeln vorgeben?“, fragte die Welt in schönster Scheinheiligkeit. Ähm – ja, dazu sind zum Beispiel Gesetze, Presserecht, Gerichte da, alles Staat, liebe „Welt“. Und nicht die Grünen, wie ihr behauptet.

Über „illegale Inhalte“ entschieden in Deutschland aus guten Gründen die Gerichte und nicht „nassforsche Regulierungsbehörden“, schreibt das Blatt weiter. Stimmt, weshalb gegen Entscheidungen einer Behörde wie der Bundesnetzagentur natürlich auf dem Rechtsweg vorgegangen werden kann. „Ok, der Hund bellt, auch wenn es noch keinen Hund gibt!“, stöhnt die Mitbewohnerin.

Warum konstruiert die Welt aus einem völlig normalen rechtsstaatlichen Vorgang den Untergang des Abendlandes? Ja, euer Feind steht grün! Friedrich Merz ist doch schon Kanzlerkandidat. Mit wem regiert Kretzsche in BaWü nochmal?

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2000-2012 Medienredakteur der taz, dann Redakteur bei "ZAPP" (NDR), Leiter des Grimme-Preises, 2016/17 Sprecher der ARD-Vorsitzenden Karola Wille, ab 2018 freier Autor, u.a. beim MDR Medienportal MEDIEN360G. Seit Juni 2023 Leitung des KNA-Mediendienst. Schreibt jede Woche die Medienkolumne "Flimmern und rauschen"

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