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Rassismus nach dem Mannheimer AttentatEin Afghane war’s!

Kommentar von Emran Feroz

Nach dem Attentat von Mannheim wird die Gewalt dem „Fremden“ zugeschrieben. Dabei sind die meisten Af­gha­n*in­nen selbst genau davor geflüchtet.

Hier wurde ein Polizist durch Messerstiche so schwer verletzt, dass er später im Krankenhaus starb: Gedenken in Mannheim am 3. Juni Foto: René Priebe/pr-video/dpa

A ber wir müssen klarstellen, dass nicht alle Afghanen schlecht sind“, sagt eine Moderatorin des Radiosenders „bigFM“. Ich sitze im Auto und meine für einen Moment nicht richtig gehört zu haben. Auf „X“ trendet „Afghane“. Eigentlich wollte ich mich dieser „Debatte“ entziehen und etwas Musik hören.

Doch der Terroranschlag von Mannheim ist überall. Und der Mann, der den islamfeindlichen Aktivisten Michael Stürzenberger schwer verletzt und einen Polizisten getötet hat, stammt aus Afghanistan. Zumindest kam er dort auf die Welt. Mehr wissen wir zum aktuellen Zeitpunkt nicht. Doch für viele Menschen ist das wieder einmal Grund genug, um die sogenannte Fluchtwelle von 2015 zu verteufeln und alle Menschen aus Afghanistan als „Fanatiker“, „Extremisten“ oder „Terroristen“ zu diffamieren.

Dabei sind viele Menschen aus Afghanistan genau vor solch einem Extremismus geflüchtet. Sie wissen sehr wohl, wie es ist, wenn Sicherheitskräfte von Terroristen getötet werden. Denn genau das taten IS und Taliban in den letzten Jahren. Soldaten oder Polizisten, die fünf Mal am Tag beteten, wurden ermordet, weil die Fanatiker sie als „vom Glauben Abgefallene“ betrachteten. Nicht wenige verloren ihr Leben, als sie sich vor Selbstmordattentäter in Schulen oder Universitäten stellten.

Über diese namenlosen Helden spricht heute niemand. Stattdessen wird der Terror wieder einmal „anders“ und „fremd“ gemacht. Er kommt über die Grenzen und geht von Männern aus, die wie ich aussehen.

Dabei hat Afghanistan auch gezeigt, dass der Terror von westlichen Militärs und Politikern kommen kann, was wiederum ein effektives Rekrutierungstool für Islamisten ist

Dabei hat Afghanistan auch gezeigt, dass der Terror über moderne Waffen vom Himmel kommen kann – von westlichen Militärs und Politikern. Im Laufe des „War on Terror“ haben viele Studien verdeutlicht, dass diese Gewalt ein effektives Rekrutierungstool ist für Taliban, al-Qaida und andere Rattenfänger. Dies gilt vor Ort, aber auch global unter Internet-Dschihadisten, die sich in diversen Foren oder über Youtube und Tiktok radikalisieren.

Man kann diesen Realitäten pragmatisch entgegentreten – oder man verlässt sich wieder einmal auf rechten Populismus, Rassismus und kontextlose Verallgemeinerungen, die schon in den Jahren zuvor zu nichts geführt haben.

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27 Kommentare

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  • Käptn Blaubär , Moderator*in

    Vielen Dank für Eure Beiträge, wir haben die Kommentarfunktion geschlossen.

  • Asyl für Schutzbedürftige ja, für Kriminelle nein.



    Wenn man die Krimminellen wieder zurück schickt, welche hier das Leben eines anderen Menschen nicht achten und diese verletzen oder gar töten, dann ist allen anständigen Flüchtlingen, und das ist die gewaltige Mehrheit, auch geholfen. Denn es sind wenige Extremisten, welche das Thema immer wieder hoch kochen und für Populisten Wasser auf die Mühlen sind.



    Wer vor Gewalt flieht aber selbst Gewalt gegen Schwächere ausübt hat das Recht auf Asyl verwirkt, ist meine Meinung.

  • Ich wünschte mein lokaler Radiosender würde auch Aufkläungsarbeit betreiben und mir einmal erklären das "nicht alle Afghanen schlecht sind." Auf die entsprechende Erklärung zu den nächsten rechtsextremen Übergriffen bin ich dann einmal gespannt.

    Der Kommentar des Radiosenders steht beispielhaft für die Einfältigkeit mit der in Deutschland an derartige Themen öffentlich herangegangen wird.

  • Dem Autor ist zuzustimmen. Nicht die afghanische Staatsangehörigkeit war für diese Tat der Auslöser, sondern die Religion, der Islam.

  • Es ist schlichtweg niemandem erklärbar, dass ein ausreisepflichtiger Messerstecher nicht nach Afghanistan abgeschoben werden soll. Das ist richtig und sollte nach dem Prozess umgehend geschehen. Um nichts anderes geht es in dieser Debatte. Und genau hier sollte man die Linie ziehen. Denn dass darf andererseits nicht bedeuten, dass Afghanen nun generell das Recht auf Asyl verwehrt wird. Wenn nun irgendwelche Konservativen oder Sozialdemokraten auf Stimmenfang Afghanistan zum sicheren Herkunftsland erklären wollen wäre dass ein Schlag ins Gesicht der Betroffenen islamfaschistischer Gewalt.

  • Was ist mit Frau u Kindern des Mörders ? Hatte er einen Arbeitsplatz ? Sprach er gut deutsch ? Welche Moschee hat er besucht ? Wieso hatte er ein Messer dabei ? War es ein geplanter Mord. Würde er freiwillig nach Afghanistan zu seinen islamistischen Freunden gehen, um der Strafe hier zu entgehen. Wo im Netz war er unterwegs ?

  • Ich tue mich schwer mit diesem Kommentar.



    Auch wenn der Herr Stürzenberger nachweislich ein Rechtsausleger und Rassist ist; nichts rechtfertigt diese Tat.



    Relativieren ist immer so ne Sache, egal aus welcher Ecke und zu welchem Sachverhalt sie kommt. Ein Tötungsdelikt ist mit nichts zu rechtfertigen: weder durch eine schwere Kindheit, durch falsche Freunde, einer schwierigen Sozialisation, durch eventuell erfahrener Diskriminierung oder Rassismus und vieles mehr. Und noch schwerer wiegt solch ein Verbrechen, wenn der Getötete noch viel weniger für die gemachten Erfahrungen verantwortlich ist.



    Deshalb ist dieser Kommentar kontraproduktiv und hilft einem Kampf gegen Rassismus nicht weiter.

  • Ich bin der Meinung das wir ALLE aufhören müssen negative, schreckliche, oder gar terroristische Ereignisse zu personalisieren. Im Vordergrund steht der Mensch. Ganz gleich welcher Nationalität und oder Gewinnung. Es gibt gute und schlechte Handlungen.



    Welchen Weg man beschreiten entscheidet jeder für sich selbst und das ist nur abhängig von jeder Einzelnen Person. So müssen wir aber auch aufhören uns hinter unserer Gesinnung zu „verstecken“. Genau so „falsch“ wie alle über einen Kamm zu scheren ist es zu sagen man ist gegen eine Person weil sie eine andere Hautfarbe oder Religion hat, nur weil man sagt wenn sie etwas falsch gemacht hat. Wenn vor „Gott“ ALLE Menschen gleich sind, dann ist der der rechtes tut gut…Ganz gleich woher er kommt und was er glaubt. Ebenso ist der der unrechtes tut schlecht…ganz gleich woher er kommt und was er glaubt…

  • Laut Deniz Yücel war der Täter ein ausreisepflichtiger, abgelehnter Asylbewerber:

    "Der Messerstecher von Mannheim war ein abgelehnter Asylbewerber, der Deutschland längst hätte verlassen sollen. Konsequentere Abschiebungen müssen nicht im Widerspruch zum humanitären Schutzversprechen stehen. Ganz im Gegenteil.

    Ganze 44 Jahre ist der erste islamistische Mord der deutschen Geschichte her. Auch damals, im Januar 1980 in Berlin-Kreuzberg, griffen die Mörder zum Messer. Das Opfer: Celalettin Kesim, ein linker Berufsschullehrer, der mit seinen Mitstreitern Flugblätter verteilt hatte und von Anhängern der islamistischen Milli Görüs und der rechtsextremen Grauen Wölfen angegriffen wurde.



    Kesim wurde 36 Jahre alt, nur etwas älter als der Polizist Rouven L., der am Freitag in Mannheim bei seinem Versuch, Leben und Redefreiheit des Anti-Islam-Aktivisten Michael Stürzenberger zu schützen, vom 25-jährigen abgelehnten Asylbewerber Sulaiman A. aus Afghanistan abgeschlachtet wurde."

    www.welt.de/debatt...oduct.onsitesearch

    • @Jim Hawkins:

      Den Platz mit der Gedenkstele könnte man man umbenennen.

  • Es kann und darf nicht sein, dass irgendwelche Meinungen oder Überzeugungen durch Gewalt durchgesetzt oder verbreitet werden. Das ist keiner zivilisierten Gesellschaft würdig. Dazu gehört aber auch die verbale Gewalt: Pauschalisierung, Vorveruteilung und - Hetze. Das gilt für alle.

    • @Perkele:

      Das ist Unsinn.



      Kleines Beispiel? Ich bin der Meinung dass man die Ukraine in ihrer Verteidigung gegen Putin unterstützen muss. Diese Meinung MUSS mit Gewalt durchgesetzt werden oder gar nicht.



      Soviel zum Thema pauschalisieren. Alle sind immer die anderen wa?



      Zudem muss natürlich ein Unterschied zwischen verbaler und körperlicher Gewalt bestehen. Verbale Gewalt trifft nicht alle Menschen gleich, körperliche schon.



      Nur ein Beispiel.

  • „ Man kann diesen Realitäten pragmatisch entgegentreten …“. Ja, dann mal los! Warum endet Ihr Text genau an dieser Stelle?

    • @Friedel Castrop:

      Vielleicht weil jeder selbst reflektieren sollte wie er/sie/es sich aktiv gegen Rassismus einsetzen kann.



      Wenn Ihnen nichts einfällt hilft googel herauszufinden was eigentlich jeder weiß: Man sollte mit allen Menschen gleich umgehen bevor man sie kennt und dann kennt man DIESEN einen Menschen.

  • Ich finde derlei Herleitung zunehmend ausgelutscht und yesterday.



    Der prügelnde Ehegatte, der als Kind vom Vater ebenfalls verprügelt wurde, das ist doch auch längst keine Herleitung und mehr die akzeptiert wird. In den 80-er war das glaub mal ständig Thema. Habe das damals aber auch schon nicht verstanden, das relative Verständnis.

  • "Dabei sind die meisten Af­gha­n*in­nen selbst genau davor geflüchtet." - Stimmt.



    Wenn man allerdings größere Bevölkerungssteile aufnimmt bekommt man (schon aus statiszischen Gründen) einen Querschnitt der Gesellschaft, also Opfer und Täter. Insbesondere wenn wie 2015 jede Überprüfung oder auch nur hinreichende Identifizierung der Ankommenden unterbleibt.

  • Ein völlig sinnloser Tod eines Menschen wegen einer Nichtigkeit. Stürzenbergers privater Kreuzzug gegen den Islam versus Afghanischer Geflüchteter der seine religiösen Gefühle verletzt sieht, von Fanatikern instrumentalisiert, oder vielleicht durch Erlebnisse in seiner Heimat traumatisiert wurde.



    Los, diskutieren wir wer die Schuld daran hat!

    Mein Mitgefühl gehört der Familie, Freunden und Kolleg'Innen des Opfers.

  • Im SPIEGEL hieß es, der Attentäter sei als Minderjähriger nach Deutschland gekommen und sei "ein Musterbeispiel für gelungene Integration" gewesen. Wir werden also um die Frage nicht herumkommen, warum und wie sich so jemand nach etlichen Jahren in Deutschland in dieser Weise radikalisiert und eine solche Tat begeht. Er war schließlich nicht der erste Attentäter, der schon seit vielen Jahren in Europa lebte.

    • @Aurego:

      Und wir kommen auch nicht um die Frage herum, inwieweit eine rassistische Ausgrenzung gut integrierter Menschen eine Radikalisierung fördert.

      • @Herma Huhn:

        Inwiefern wurde der Attentäter denn rassistisch ausgegrenzt, wenn er doch gut integriert war?

      • @Herma Huhn:

        Sorry aber das klingt schon wieder nach schwere Kindheit, Ausrede, eine Menge Menschen erfahren Rassismus wer danach zum Mörder wird ist das größere Arschloch und hatte schon vorher Probleme. Wir haben ein Islamismus Problem und wir haben ein Problem das wir Leute die abgeschoben gehören nicht abgeschoben kriegen (wir haben auch ein massives Rechtsextremismus problem aber das ist ein anderes Thema) bei beiden Themen wünscht sich die Mehrheit eine härtere Gangart und von dem her sollte die Politik das angehen.

    • @Aurego:

      Es hieß, er habe eine Stand mit Leute, die islamophobe Parolen verbreitet haben, angegriffen. Das ist wzar selbstredend trotzdem ein Verbrechen, aber ich könnte mir vorstellen, dass die momentane Flutwelle von Islamophopie und Ausländerhass, die dank der Zerstörung des Asylrechts und der AfD durch Deutschland tobt, dazu beigetragen hat, ihn zu radikalisieren. Ich könnte mir vorstellen, dass die Tat nicht "religiös motiviert" war, sondern politisch gegen Rechts.

      Aber da sich die Meldungen damit ja so gut wie nicht beschäftigen, sondern Trauerbekundungen Galore darstellen, ist das schwer zu sagen. Die Medien verstehen ihre Aufgabe ja eher darin, möglichst knallende Polarisierungen (->Click Rate) zu bringen, oder "große Emotionen" (->Click Rate).

      • @Jalella:

        Mich stört an der Debatte, dass Stürzenberger fast überall als "Islamkritiker" verharmlost wird. Stürzenberger ist ein vom Verfassungsschutz beobachteter rechtsextremer Islamhasser, der pausenlos Gift und Galle gegen ALLE Muslime verspritzt. Seine Reden und Veranstaltungen sind für Nicht-Rechtsextreme unerträglich, für Muslime eine permanente Provokation. Das rechtfertigt natürlich nicht den Angriff auf die Rechtsextremen oder auf Polizisten, ist aber auch ein nicht unwesentlicher Teil der Geschichte.



        Auf jeden Fall profitieren Stürzenberger und seine rechtsextremen Freunde von dem Tod des Polizisten, es wird wieder verstärkt über Abschiebungen nach Afghanistan und Syrien diskutiert. Die Debatter verschiebt sich wieder einmal weiter nach rechtsaußen.

        • @Celtic:

          Wer in einer freiheitliche Gesellschaft leben will, muss lernen, auch Meinungen zu etragen, die ihm absolut nicht gefallen. Das muss ich auch - ohne dann zum Messer zu greifen.

        • @Celtic:

          "Seine Reden und Veranstaltungen sind für Nicht-Rechtsextreme unerträglich, für Muslime eine permanente Provokation."

          Jede Person und jede Personengruppe in einer relativ freiheitlichen Gesellschaft muss damit leben und wird damit konfrontiert, provoziert, verbal angegriffen, ungerecht eingeschätzt/beurteilt und vermutlich auch abgewertet zu werden. Oder wurden Sie das noch nie bzw. haben Sie das noch nie getan?

          Das betrifft Männer, Frauen, Alte, Junge, Kranke, Gesunde, Politiker, Nicht-Politiker, Homosexuelle/Queers, Heterosexuelle, Fleischesser und Nicht-Fleischesser, Religiöse, Atheisten usw.. Wird "man" Ihnen immer gerecht bzw. werden Sie jedem/jeder gerecht?

          Wir müssen alle lernen, damit zurechtzukommen und mit Ehefrau und kleinen Kindern hat/hätte der Täter sich einen Rückzugsort schaffen, Sinn finden können. Das ist mehr, als viele andere Menschen haben.

          Grundsätzlich denke ich, der Täter hätte sich in Afghanistan, in einer Gläubigengesellschaft, in der es verboten ist den Islam zu kritisieren, besser zurechtgefunden.

        • @Celtic:

          Ja, sie haben recht. Meine Anmerkung gegen Hassprediger vorzugehen verschwand im Nirvana.

      • @Jalella:

        Ich habe kein Verständnis für ihr Verständnis. "Das ist zwar selbstredend trotzdem ein Verbrechen, aber..." Kein ZWAR SELBSTREDEND, kein TROTZDEM kein ABER.Das ist ein Verbrechen. PUNKT.