Kampf gegen Rechts: Auf ungepackten Koffern
Ist unsere Demokratie wehrhaft genug, um den braunen Ansturm der AfD zu stoppen? Unsere Autorin hat Zweifel, aber die Angst darf nicht siegen.
Z u Besuch bei meiner Mutter, fiel kurz vor meiner Abreise ihr Blick auf meinen überquellenden Koffer. Den hatte sie mir wie üblich zuvor mit Schokolade, Klamotten, zwei Parfums und Bodyspray vollgestopft, weil ich selbst ja nicht genug davon besitze, in ihren mütterlichen Augen jedenfalls.
Ich, genervt: Bitte sei vorsichtig. Das ist nicht mein Koffer, nur geliehen. Und sie, voller überschwänglicher Fürsorge: Brauchst du einen? Ich habe mehrere im Keller! Komm, ich schenk' dir einen! Da musste ich doch schmunzeln. Und fast wäre mir herausgerutscht: Warum nicht? In diesen politischen Zeiten können wir Juden nicht genug Koffer haben. Aber ich schwieg lieber.
Michel Friedman hat das Koffermotiv kürzlich in einem Essay über die Gefahr der AfD im Stern ausgepackt. Seine Koffer seien gepackt, sollte die AfD einer deutschen Bundesregierung angehören, schrieb er. „Dann gehe ich.“ In der selben Ausgabe war Alice Weidel auf dem Cover, wurde interviewt und, oh Überraschung, nicht entzaubert.
Die gepackten Koffer, auf denen Juden in Deutschland lange Zeit saßen (und vielleicht wieder sitzen), symbolisieren das fehlende Vertrauen in die deutsche Gesellschaft, in den Staat. Sie sind Ausdruck massiver Traumatisierung, der Erfahrung, dem Tod entkommen zu sein, während die eigene Familie, die Freunde, das eigene Volk, vernichtet worden ist. Dass die Generation Friedman, die Kinder Shoa-Überlebender, keine Sekunde in diesem Land ausharren werden, sollten menschenverachtende Ideologen Regierungsverantwortung tragen, ist eine Folge dieses Traumas.
Latente Angst
Als vor Kurzem eine Kollegin in die Runde fragte, ob wir Angst hätten angesichts der beiden Ämter, die AfD-Politiker nun innehaben, wusste ich nicht recht, was ich antworten sollte. Weil da einfach noch kein Gefühl war. Es war, als wäre ich paralysiert, in Schockstarre oder eben doch nicht gewillt, in den sorgenvollen Kanon einzustimmen. Wer weiß, wahrscheinlich war es ein bisschen von allem.
Natürlich ist da ein Unwohlsein. Eine latente Angst ist immer da. Die Frage nach der eigenen Sicherheit gehört zum Dasein als Jüdin in diesem Land dazu wie für andere der morgendliche Kaffee. Aber nackte, pure Angst, das ist es doch, was Rassisten und Antisemiten wollen. Ich weigere mich das zu empfinden.
Angst lähmt. Und wenn wir, der demokratische, freiheitsliebende Teil dieser Gesellschaft, eines aus den letzten Wochen gelernt haben, dann doch dies, dass die Feinde der Demokratie in Bewegung sind. Antidemokratische Kräfte mobilisieren ihre Anhänger, ständig und überall. Wir aber dürfen nicht vor Angst verschreckt sitzen bleiben.
Ich möchte stattdessen darüber sprechen, was wir alle, was die demokratischen Parteien, diese Regierung dagegen tun werden, dass eine Partei, die rechtsextreme Ziele verfolgt, Dorf für Dorf, Landkreis für Landkreis mit ihrem braunen Dreck überschüttet.
Wofür wir kämpfen
Ist unsere Demokratie wehrhaft genug? Ich glaube, aktuell nicht. Sie kommt mir etwas ratlos, ja fast verzweifelt vor. Dabei liegen die Lösungsansätze, theoretisch gesprochen, offen vor uns. Die Politik muss sich schützend vor die Schwächsten, die Marginalisierten der Gesellschaft stellen; vor diejenigen, die täglich für Freiheit und Demokratie kämpfen, im Großen wie im Kleinen – und der AfD somit Grenzen setzen. Demokratische Parteien sollten nicht in einen rechten Kulturkampf einstimmen, um Menschen mit rechtsextremem Weltbild zurückzugewinnen.
Das klingt zwar pathetisch, aber es muss wieder stärker in den Fokus gerückt werden, wofür wir hier eigentlich kämpfen: für ein Leben in Freiheit. Denn ich möchte wirklich keinen neuen Koffer besitzen. Das habe ich auch meiner Mutter gesagt.
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