Russlands Aufkündigung des Getreidedeals: Mit Putin reden nützt nichts
Der Getreidedeal als Türöffner für diplomatische Lösungen? Eine Illusion. Putin ist kein guter Gesprächspartner.
M it Putin verhandeln – diese Forderung geht seit einigen Wochen wieder um. Die Begründungen dafür ändern sich ständig. Mal ist Russlands Armee in der Ukraine zu stark, mal zu schwach. Mal soll man eine Eskalation abwenden, mal ein Deeskalationssignal aufgreifen.
Was Putin von Verhandlungen hält, hat er an diesem Wochenende bewiesen und das einzige reale Verhandlungsergebnis im Ukrainekrieg aufgekündigt. Am 22. Juli hatten Russland und die Ukraine mit der Türkei und der UNO in Istanbul die „Schwarzmeer-Getreideinitiative“ vereinbart, die die ungehinderte Wiederaufnahme ukrainischer Getreideexporte ermöglichte. Es war ein seltener Lichtblick, der Hoffnungen auf weitere Vereinbarungen in konkreten Teilbereichen nährte – und, so die Hoffnung einiger Diplomaten, vielleicht sogar den Boden für Friedensgespräche ebnen könnte. Der nächste Teilbereich zeichnete sich schon ab: der Umgang mit dem russisch besetzten ukrainischen Atomkraftwerk Saporischschja.
Aber aus den entsprechenden Bemühungen der Internationalen Atomenergiebehörde wurde nichts. Und jetzt hat Russland auch die Getreidevereinbarung für ausgesetzt erklärt. Das bleibt zunächst folgenlos: Getreidefrachter sind weiterhin unterwegs, die Kontrollinstanz in Istanbul arbeitet weiter. Die Drohgebärde aus Moskau soll lediglich zeigen: Wir können Vereinbarungen jederzeit aufkündigen.
Klar sollte nun sein: Vertrauen gibt es mit diesen Machthabern in Moskau nicht. Das wusste man eigentlich schon, aber vielleicht verstehen es ja nun auch diejenigen, die „Wir müssen mit Putin reden“ rufen.
Zugleich gilt: Der Getreidedeal steht noch. Ukrainische Schiffe fahren über rumänische, bulgarische, türkische und griechische Gewässer ins Mittelmeer. Was will Moskau da machen? Getreidefrachter versenken? Um dann die Nato zu zwingen, die Wirtschaftszonen ihrer Mitgliedstaaten zu schützen? Nato-Geleitschutz für ukrainische Frachter wäre die logische Antwort auf eine russische Eskalation im Schwarzen Meer. Vielleicht wäre das ja sogar eine Verhandlungsbasis.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Bilanz der Ampel-Regierung
Das war die Ampel
Kritik an der taz
Wer ist mal links gestartet und heute bürgerlich?
Die Regierungskrise der Ampel
Schnelle Neuwahlen sind besser für alle
Die Grünen nach dem Ampel-Aus
Grün und gerecht?
Regierungskrise in Deutschland
Ampel kaputt!
Angriffe auf israelische Fans
Sie dachten, sie führen zum Fußball