Bericht der IAEA zu Saporischschja: Weiter Angst vor dem GAU

Die Internationale Atomenergie-Organisation äußert sich besorgt über die Situation am AKW Saporischschja. Sie beschreibt die Lage als prekär.

IAEA-Direktor Rafael Grossi mit anderen Personen.

IAEA-Direktor Rafael Grossi bei seinem Besuch des ukrainischen AKW in Saporischschja Foto: IAEA/reuters

taz | WIEN Eine Woche nach seiner Visite im ukrainischen AKW Saporischschja hat IAEA-Generaldirektor Rafael Grossi seinen Bericht veröffentlicht. Das 52-seitige technisch gehaltene Papier schildert die Auswirkungen des russischen Angriffskriegs auf die ukrainischen AKWS. Ohne übertriebenen Alarmismus und ohne politische Aussagen über die Konfliktparteien wird die Lage speziell im AKW Saporischschja als prekär beschrieben.

„Die Situation ist beispiellos. Erstmals wird ein militärischer Konflikt auf der Anlage eines großen Kernkraftprogramms ausgetragen“, heißt es da. Und: „Ein nuklearer Unfall kann schwere Auswirkungen auf das Land und jenseits dessen Grenzen haben. Die internationale Gemeinschaft verlässt sich auf die IAEA, dass diese die Lage rigoros einschätzt und sie mit akkurater und zeitnaher Information versorgt.“

Seit der Einnahme des größten ukrainischen Atomkraftwerks durch russische Truppen am 4. März sind die Anlagen immer wieder Ziel von Artilleriebeschuss gewesen. „Der Transformator von Reaktoreinheit 6 war beschädigt worden und konnte wenige Tage später repariert werden.“ Trotz des Beschusses sei kein radioaktives Material ausgetreten. Im April seien Marschflugkörper über der Anlage beobachtet worden und gepanzerte russische Truppentransporter neben sechs Militär-Lkws hätten auf dem Gelände Stellung bezogen.

Am 29. April, so die beschriebene Chronologie der Ereignisse, seien russische Atomspezialisten von Rosenergoatom im AKW eingetroffen. Bis dahin stand das ukrainische Personal offenbar nur unter der Kontrolle russischer Soldaten. Ziemlich ausführlich beschäftigt sich der Report auch mit dem stillgelegten Katastrophenkraftwerk von Tschernobyl, wo sich schon mehrere IAEA-Missionen mit verstärkter Strahlengefahr beschäftigt haben.

IAEA-Generaldirektor Rafael Grossi spricht in seinem Bericht von „sieben Säulen“, die in einer solchen Situation zu beachten seien. Das geht von der physischen Integrität der Anlagen über das ungestörte Funktionieren der Sicherheitssysteme und die Arbeit des Personals „frei von unzulässigem Druck“ bis zum funktionierenden Strahlungsmonitoring-System und der Kommunikation mit der Regulierungsbehörde. Mehrere dieser Säulen seien in den vergangenen Monaten verletzt oder missachtet worden.

Seit Mitte August wurden mehrere Labors und Chemieanlagen beschädigt

Labors und Chemieanlagen beschädigt

Seit Mitte August, wenige Tage vor dem Besuch der IAEA-Mission, wurde verstärkter Artilleriebeschuss gemeldet, der Infrastruktur wie Labors und Chemieanlagen beschädigt habe. Am 24. August seien 40 Einheiten militärischer Ausrüstung auf der Anlage stationiert worden. Während des Besuches musste das IAEA-Team am 3. September das Erdgeschoss des Verwaltungsgebäudes wegen anhaltenden Beschusses in der Umgebung verlassen.

Die Spezialisten dokumentierten anschließend die Schäden an verschiedenen Einrichtungen und Gebäuden. Darunter ein Zwischenlager für nuklearen Abfall. Über die Identität des Angreifers wird nicht spekuliert. Russland und die Ukraine beschuldigen sich gegenseitig.

Die IAEA, so wird festgehalten, „ist weiterhin höchst besorgt über die Lage“ im AKW Saporischschja und hält eine ständige Präsenz für notwendig. Die gute Nachricht: „Die IAEA hat keine Anzeichen gefunden, dass eine Proliferation (Weitergabe von Massenvernichtungswaffen) zu befürchten ist.“

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