Beschaffung von Schutzmasken: Keine Angst vor Planwirtschaft
Dass der Weltmarkt für Atemschutzmasken im Fall einer Pandemie versagt, hätte man wissen können. Staatliche Verpflichtung darf jetzt kein Tabu sein.
K aum etwas läuft in der Coronakrise so schlecht wie die Beschaffung von Schutzmasken für das Gesundheitswesen. Deutschland erreicht zwar Spitzenwerte bei der Zahl der Intensivbetten und Beatmungsgeräten. Aber ob es im Fall der höchsten Belastung des Gesundheitswesen noch genug Masken mit Filterfunktion und einfache OP-Masken für das Personal gibt, das weiß im Moment keiner. Eine eigentlich naheliegende Anti-Corona-Strategie wie eine allgemeine Maskenpflicht im Nahverkehr und in Supermärkten, kann nicht mal erwogen werden, weil es schon für das Gesundheitswesen nicht genügend Mund-Nasen-Schutz gibt.
Der Mangel verunsichert nicht nur die unmittelbar Betroffenen – Ärzte und Pflegekräfte -, sondern auch die Bevölkerung. Er bindet Kräfte für verzweifelte Beschaffungsversuche; die Spitzen von Ministerien und Verbänden sind damit beschäftigt, auf dem leergefegten Weltmarkt Lieferanten für Produkte zu suchen, die eigentlich Cent-Beträge kosten. Jetzt machen sich Bund, Länder und caritative Verbände dort auch noch gegenseitig Konkurrenz.
Manche staatliche Aktion wirkt dabei wie eine Showeinlage, die von der Misere ablenken soll. Anfang März beschloss zum Beispiel der Corona-Krisenstab der Bundesregierung ein Exportverbot für Schutzmasken. Die Aufregung war groß, insbesondere bei der EU-Kommission, die um den Binnenmarkt fürchtete. Nur: Was man nicht selbst herstellt, kann man eh nicht exportieren.
Ähnlich ist es nun bei der Diskussion um Beschlagnahmemöglichkeiten. Bayern hat vorige Woche ein Landesinfektionsschutzgesetz beschlossen, das auch die Beschlagnahmung von medizinischem Material erlaubt. In NRW ist ein Epidemiegesetz geplant, das dies ebenso vorsieht. So kann man vielleicht eine Handvoll zusätzlicher Beatmungsgeräte für Kliniken akquirieren, aber kaum den eklatanten Mangel an Schutzmasken beheben. Was nicht da ist, kann auch nicht beschlagnahmt werden.
Das politische Versagen ist eklatant. Seit Jahren diskutieren Fachleute in Deutschland über kommende Pandemien und warnen vor der dann drohenden Überforderung des Gesundheitswesens. Trotzdem gab es wohl keinerlei Vorgaben zur Vorratshaltung für die erforderliche Schutzausrüstüng. Dass eine Pandemie, die in China ihren Ursprung hat, gerade die überwiegend chinesischen Produzenten von Atemschutzmasken überbeansprucht, ist besonders tragisch. Aber dass der Weltmarkt im Fall einer Pandemie früher oder später zusammenbricht, damit hätte man wirklich rechnen müssen.
Das heißt nicht, dass künftig alle pandemierelevanten Produkte generell in Deutschland produziert werden müssen. Aber es muss zumindest Pläne geben, schnell in eine heimische Produktion einzusteigen. Wenn es europäische Pläne gäbe, könnte so auch der Binnenmarkt gewahrt bleiben. Dabei geht es vor allem um die Identifizierung möglicher Produktionskapazitäten und um finanzielle Anreize für die Umstellunng.
Zudem sollte es aber auch möglich sein, potenzielle Hersteller zur Produktion zu verpflichten. Im Ernstfall kann man sich nicht darauf verlassen, dass mittelfristig der Markt die besten Ergebnisse liefert.
Im Ernährungssicherstellungsgesetz gibt es für den Fall einer Versorgungskrise bereits die Möglichkeit, Unternehmen zur Produktion bestimmter Lebensmittel zu verpflichten. Ein ähnliches Instrumentarium fehlt bisher für Medizintechnik. Wenn die Schutzmaskenkrise anhält, sollten entsprechende Regelungen sofort geschaffen werden. Wenn der Markt versagt, sollte man keine Angst vor der Planwirtschaft haben.
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